LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2211 27.02.2013 Datum des Originals: 26.02.2013/Ausgegeben: 05.03.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 838 vom 14. Januar 2013 des Abgeordneten Josef Wirtz CDU Drucksache 16/1942 Will die Landesregierung ein neues Planfeststellungsverfahren? Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 838 mit Schreiben vom 26. Februar 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ein von der TU Clausthal im Auftrag der Bezirksregierung Arnsberg erstelltes Gutachten zur Analyse von Senkungserscheinungen außerhalb der prognostizierten Einwirkungsbereiche des Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop belegt das Auftreten von Bergschäden auch außerhalb der im Planfeststellungsbeschluss vom 12.04.2001 zum geltenden Rahmenbetriebsplan verbindlich festgelegten Nulllinie. Nach meiner Kenntnis hat sich die Fraktion von Bündnis‘90/Die Grünen im Rat der Stadt Bottrop auf Grund dieses Gutachtens an die Bezirksregierung Arnsberg gewandt und gefordert, die Zulässigkeit einer Erweiterung des im Rahmenbetriebsplan festgelegten Bergschadensgebietes um ringsum 1.000m durch ein neues Planfeststellungsverfahren unter Berücksichtigung auch der Regionalplanung zu klären. Darüber hinaus fordert die Ratsfraktion von Bündnis‘90/Die Grünen eine sofortige Untersagung aller Abbauvorhaben, die den 2001 gesetzten Abbaurahmen überschreiten. Vorbemerkung der Landesregierung In der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage wird ausgeführt, dass ein von der TU Clausthal im Auftrag der Bezirksregierung Arnsberg erstelltes Gutachten zur Analyse von Senkungserscheinungen außerhalb der prognostizierten Einwirkungsbereiche des Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop das Auftreten von Bergschäden auch außerhalb der im Planfeststellungsbeschluss vom 12.04.2001 zur Zulassung des Rahmenbetriebsplans LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2211 2 festgelegten "Nulllinie" belegt habe. Diese Darstellung trifft nicht zu. Das Gutachten hatte die Aufgabe, die Ursachen der Senkungen zu ermitteln und zu quantifizieren. Dazu wurden auch die vorliegenden Informationen zu Höhenänderungen durch Auswertung von Satellitenradardaten verdichtet. Es trifft keine Aussagen, ob aus den festgestellten, geringfügigen Senkungen auch Bergschäden entstanden sind. Der Auftrag, der Inhalt und die Ergebnisse des Gutachtens sind von der Bezirksregierung Arnsberg ausführlich im Unterausschuss Bergbausicherheit im Landtag Nordrhein-Westfalen vorgestellt worden. Der Fragesteller ist Mitglied des Unterausschusses. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Forderung der Fraktion von Bündnis‘90/Die Grünen im Rat der Stadt Bottrop, ein erneutes Planfeststellungsverfahren durchzuführen? Die Landesregierung sieht keine Rechtsgrundlage, ein neues Planfeststellungsverfahren einzuleiten. Die Aufstellung eines Rahmenbetriebsplans einschließlich der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist nach § 52 Abs. 2 c Bundesberggesetz (BBergG) nur dann geboten, wenn ein planfestgestelltes Vorhaben wesentlich geändert wird und wenn diese Änderung erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann. Da der Unternehmer nicht beabsichtigt, sein Abbauvorhaben wegen der festgestellten geringfügigen Senkungen außerhalb des prognostizierten Einwirkungsbereichs zu ändern, ist insoweit auch kein Verfahren zur Zulassung einer solchen Änderung durchzuführen. Hinzu kommt, dass diese Senkungen nicht zu erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt führen, so dass selbst bei einer unterstellten Notwendigkeit der Zulassung einer Änderung des Rahmenbetriebsplans kein neues Planfeststelungsverfahren mit Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich wäre. § 1 Nr. 1 a) bb) und cc) der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V Bergbau) setzen die UVP-Pflicht bei Senkungen der Oberfläche von 3 m bzw. von 1 m bis 3 m an, wenn erhebliche Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Die festgestellten Senkungen von bis zu 0,08 m bleiben weit unterhalb dieser Schwellen. 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Forderung der Fraktion von Bündnis‘90/Die Grünen im Rat der Stadt Bottrop, eine sofortige Untersagung für alle Abbaumaßnahmen auszusprechen, die den 2001 gesetzten Abbaurahmen überschreiten? Es sind keine Abbaumaßnahmen ersichtlich, die gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 12.04.2001 in der Fassung des Bescheides der Bezirksregierung Arnsberg vom 22.11.2012 verstoßen. Daher gibt es keine Grundlage für die Untersagung von Abbaumaßnahmen. Soweit Abbaueinwirkungen auf die Tagesoberfläche außerhalb des bei der Zulassung des Rahmenbetriebsplans zutreffend berechneten Senkungsnullrandes innerhalb eines um 1.000 m darüber hinausgehenden erweiterten Betrachtungsraumes festzustellen sind, werden diese gemäß dem Bescheid vom 22.11.2012 in das Monitoring, das nach dem Planfeststellungsbeschluss vom 12.04.2001 durchzuführen ist, einbezogen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2211 3 3. Sofern die Landesregierung die Forderungen der Fraktion von Bündnis‘90/Die Grünen im Rat der Stadt Bottrop sich nicht zu eigen machen will: Wie wird die Landesregierung alternativ sicherstellen, dass Geschädigte im erweiterten Einwirkungsbereich rechtlich in vollem Umfang mit Betroffenen innerhalb der aktuellen Nulllinie gleichgestellt werden? Soweit der erweiterte Betrachtungsraum über den nach der Bergverordnung über Einwirkungsbereiche bestimmten Einwirkungsbereich hinausreicht, hat die RAG AG sowohl in der Sitzung des Unterausschusses Bergbausicherheit im Landtag Nordrhein-Westfalen am 23.11.2012 als auch in einem Schreiben an die Bezirksregierung Arnsberg vom 08.10.2012 bereits zugesagt, dass sie die Bergschadensvermutung des § 120 BBergG bei der zivilrechtlichen Abwicklung von Bergschäden entsprechend auf diesen erweiterten Betrachtungsbereich anwenden wird. Bergschadensbetroffene sowohl innerhalb des bei der Zulassung des Rahmenbetriebsplans ursprünglich prognostizierten Einwirkungsbereichs als auch innerhalb des mit Bescheid vom 22.11.2012 festgelegten erweiterten Betrachtungsraums werden daher gleich behandelt. Die Bezirksregierung Arnsberg stellt in den Sonderbetriebsplanverfahren "Abbaueinwirkungen des Oberflächeneigentums" sicher, dass auch alle Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer in dem erweiterten Betrachtungsraum ihre Einwände zu Gehör bringen können und erforderlichenfalls am Verfahren beteiligt werden. Den Maßgaben der Rechtsprechung folgend, stellt das Sonderbetriebsplanverfahren und die im Ergebnis festgelegten Maßnahmen den Schutz des Eigentums vor unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen sicher. Dies gilt zukünftig auch für den entsprechend den Ergebnissen des Gutachtens erweiterten Betrachtungsraum. Auch in den bergbehördlichen Genehmigungsverfahren ist somit eine Gleichstellung sichergestellt. 4. Ist der Landesregierung das Vorliegen einer ähnlichen Problematik auch an anderen Standorten bekannt? Die Bezirksregierung Arnsberg hat die RAG AG bereits mit Schreiben vom 28.09.2012 aufgefordert, auch für die anderen in Betrieb befindlichen und für die in jüngerer Zeit stillgelegten Steinkohlenbergwerke darzulegen, ob bergbaubedingte Senkungen auch außerhalb des prognostizierten Einwirkungsbereiches aufgetreten sind. Für die in Betrieb befindlichen Bergwerke hat die RAG AG der Bezirksregierung Arnsberg mit Schreiben vom 06.12.2012 die Ergebnisse ihrer Untersuchungen mitgeteilt. Die Einreichung der entsprechenden Unterlagen für die in jüngerer Zeit stillgelegten Bergwerke hat die RAG AG gegenüber der Bezirksregierung Arnsberg für Ende März 2013 angekündigt. Die Bezirksregierung Arnsberg wird diese Unterlagen zunächst überprüfen und auswerten. Die Frage, ob infolgedessen bergbehördlicher Handlungsbedarf entstehen könnte, kann derzeit noch nicht beantwortet werden. Der Bezirksregierung Arnsberg liegen für andere untertägige Bergbaubetriebe bisher keine Anhaltspunkte für bergbaubedingte Senkungen außerhalb der in Betriebsplanzulassungen auf der Grundlage von Prognosen festgelegten Bereiche vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2211 4 5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Anliegen von betroffenen Bürgern in Bergbaugebieten mit den Interessen der bergbautreibenden Unternehmen – sowohl im Steinkohle- wie im Braunkohlerevier - in Einklang zu bringen? Der Steinkohlenbergbau und der Braunkohlenbergbau sind unvermeidlich mit Eingriffen in den Untergrund und mit daraus resultierenden Auswirkungen auf die in der Nachbarschaft der Betriebe lebenden Menschen und die Umwelt verbunden. Zunehmend ist erkennbar, dass über Stein- und Braunkohlenbergbau hinaus allgemein Kritik an den bergbaulichen Vorhaben und deren tatsächlichen oder befürchteten Auswirkungen geübt wird. In diesem Zusammenhang wird auch kritisiert, dass im Bergrecht keine ausreichende Beteiligung der Öffentlichkeit vorgesehen ist. Diese Kritik entzündete sich beispielsweise an der Problematik „Unkonventionelle Erdgasgewinnung mit Fracking“ Hier ist die Landesregierung selbst aktiv geworden und hat einen Bundesratsbeschluss bewirkt, dass immer dann, wenn Gas unter Einsatz von Fracking gewonnen werden soll, verpflichtend eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wird. Es besteht aber auch der Eindruck, dass die weiterhin vorhandene Bedeutung des Bergbaus insbesondere für die heimische Rohstoff- und Energieversorgung, die Mantelindustrie und den Arbeitsmarkt in dieser Diskussion zu wenig gewürdigt wird. Auch die zunehmenden Aktivitäten der Bergbauunternehmen, mit denen sie den Anwohnerbelangen stärker als bisher entgegenkommen möchten, werden kaum wahrgenommen oder anerkannt. Die Landesregierung nimmt die berechtigten Anliegen der von bergbaulichen Auswirkungen betroffenen Anwohner ernst. Bergbauliche Vorhaben werden nur an Akzeptanz gewinnen, wenn diese Anliegen diskutiert werden und ernsthaft nach Möglichkeiten weiterer Verbesserungen im Sinne der Anwohner gesucht wird. Die Landesregierung greift diese Anliegen auf und ist zurzeit mit den Unternehmen des Braunkohlen- und Steinkohlenbergbaus im Gespräch, um in vielen Bereichen, wie etwa der Immissionssituation, der Prüfung vermuteter Bergschäden und der Bergschadensregulierung sowie der Informations- und Datenbereitstellung, mögliche Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Situation zu erörtern. Zur Umsetzung dieser Maßnahmen möchte die Landesregierung mit den Unternehmen eine verbindliche Vereinbarung treffen. Damit soll ein weiterer Beitrag zu einem fairen Interessenausgleich geleistet werden.