LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2212 27.02.2013 Datum des Originals: 26.02.2013/Ausgegeben: 05.03.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 856 vom 25. Januar 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/1988 Hospiz- und Palliativversorgung Schwerstkranker und Sterbender in der Stadt Essen – Welche ambulanten wie stationären Betreuungsangebote existieren für Betroffene? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 856 mit Schreiben vom 26. Februar 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Bevölkerung hat der Pflege- und Versorgungsbedarf in den vergangenen Jahren zugenommen und wird dies voraussichtlich auch weiter tun. Insbesondere in den Großstädten unseres Landes werden familiäre Unterstützungssysteme leider zunehmend geringer und müssen daher durch professionelle und ehrenamtliche Begleitung Schwerstkranker und Sterbender ersetzt werden. Erfreulicherweise hat sich in den letzten Jahrzehnten allmählich ein differenziertes Netz an Einrichtungen der Hospiz- und Palliativversorgung mit stationären wie ambulanten Strukturen entwickelt. So können Menschen jeden Lebensalters – das gilt für Kinder ebenso wie für alte Menschen sowie ihre Angehörigen – in der letzten Phase ihres Lebens die notwendige Unterstützung erfahren. Die Betroffenen leiden meist an einer schweren Krankheit, bei der eine Heilung nicht mehr möglich ist. Es bedarf daher einer palliativen Versorgung, bei der nicht mehr die Lebensverlängerung entscheidend ist, sondern der Erhalt von Lebensqualität und die Linderung von Schmerzen und Krankheitssymptomen im Fokus stehen. In den allermeisten Fällen erfolgt die erste Kontaktaufnahme mit Ansprechpartnern der Palliativversorgung oder eines Hospizes zu einem Zeitpunkt, an dem die Krankheit bereits weit fortgeschritten ist und zeitnah eine Unterstützung benötigt wird. In einer dann ohnehin besonderen Lebenssituation ist es für die Betroffenen und ihre Familien oft schwierig, eine geeignete und möglichst wohnortnahe Betreuung zu finden, wenn Angebote fehlen oder eine gezielte Beratung durch die betreuenden Mediziner oder das Pflegepersonal nicht erfolgt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2212 2 In einer Großstadt wie Essen kommt erschwerend hinzu, dass es zwar ein Angebot an Hospiz- und Palliativbetreuung mindestens für Erwachsende über das gesamte Stadtgebiet verteilt gibt, dieses aber für suchende Betroffene recht unübersichtlich ist. Der Essener WAZ vom 10. Dezember 2012 ist ferner zu entnehmen, dass es in der Stadt bislang keinerlei Angebote an Hospizplätzen für Kinder gibt, sich der Bundesverband Kinderhospiz aber dennoch in Essen angesiedelt hat, um ein Standbein im Ruhrgebiet zu haben. Das KinderPalliativNetzwerk Essen hilft Familien in Essen und Umgebung, in denen ein Kind an einer zum Tode führenden Krankheit leidet. Das KinderPalliativNetzwerk will dazu Hilfen bündeln und ein zuverlässiger Wegbegleiter für die von einem solchen Schicksal betroffenen Familien sein. Die Beratungsstelle im KinderPalliativNetzwerk Essen ist für die Familie eine Anlaufstelle, die erforderlichen Hilfen koordiniert und psychosoziale Begleitung und Beratung ebenso anbietet wie Trauerbegleitung und Seelsorge, medizinisch-pflegerische Koordination und einen ambulanten Kinderhospizdienst. Regelmäßig treten Bürger mit entsprechenden Bitten nach konkreter Unterstützung mehr Transparenz zum vorhandenen Angebot, aber auch allgemeinen Fragen an die Politik in der Stadt Essen heran. Um bei diesem sensiblen Thema schwerstkranken und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen angemessen und unterstützend begegnen zu können, ist es für das Parlament von Interesse, einen Überblick über die konkrete Versorgungsstruktur in der Stadt Essen zu erhalten. Vorbemerkung der Landesregierung Es gibt kaum einen Bereich in der Gesundheits- und Sozialpolitik, der in vergleichbarer Weise wie die Hospiz- und Palliativversorgung von einem so breiten gesundheitspolitischen und gesellschaftspolitischen Konsens getragen wird. Die Verbesserung der Lebensqualität schwerstkranker und sterbender Menschen ist seit vielen Jahren ein wichtiges gesundheitspolitisches Anliegen des Landes Nordrhein-Westfalen. Durch zahlreiche erfolgreiche Initiativen und Projekte hat sich eine beispielhafte Infrastruktur in der ambulanten und stationären Hospiz- und Palliativversorgung entwickelt. Im Rahmen der aus einer bürgerschaftlichen Bewegung entstandenen Hospizbewegung hat das Land NRW jedoch - anders als z. B. im Krankenhausbereich - keine Planungskompetenz hinsichtlich der Etablierung von ambulanten und stationären Hospizeinrichtungen. Nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen stellen sich die Entwicklungen wie folgt dar. 1. Auf welche einzelnen ambulanten wie stationären Möglichkeiten der Hospizbetreuung können Betroffene in der Stadt Essen zurückgreifen? (bitte unter Angabe des jeweiligen Trägers sowie der jeweiligen Anzahl der Betreuungsplätze und differenziert nach Erwachsenen und Kindern beantworten) Die Stadt Essen verfügt über 6 ambulante Hospizdienste. Es handelt sich um den Dienst am Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen-Rüttenscheid, den ökumenischen Arbeitskreis "Sitzwachen Kettwig", den Dienst Essen-Nord der Essen-Steele gGmbH, die ambulante ökumenische Hospizgruppe für Werden, Fischlaken und Heidhausen, den Dienst der Hospiz Essen-Steele gGmbH am Stationären Hospiz Essen-Steele sowie den Dienst des Caritas Hospizes "Cosmas und Damian". Für die stationäre Versorgung der Betroffenen stehen 3 Hospize zur Verfügung. Dies sind das christliche Hospiz Essen-Werden gGmbH mit 7 Plätzen, das Hospiz Essen-Steele gGmbH mit 10 Plätzen und das Cosmas und Damian Hospiz der Caritas mit 10 Plätzen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2212 3 Die stationäre Versorgung und Betreuung schwerstkranker und sterbender Kinder wird in Nordrhein-Westfalen in den überregionalen Kinderhospizen in Olpe, Bielefeld, Gelsenkirchen und Düsseldorf sichergestellt. Diese unterscheiden sich grundlegend von Erwachsenenhospizen. Es handelt sich um Kurzzeiteinrichtungen, die in erster Linie für zweimal 14 Tage im Jahr zur Entlastung der Angehörigen des erkrankten Kindes beitragen. Mit 4 von insgesamt 10 Kinderhospizen bundesweit verfügt Nordrhein-Westfalen über eine herausragende Situation in diesem Versorgungsbereich. Die Kinderhospize in Olpe und Bielefeld beherbergen und versorgen außerdem Jugendliche und deren Angehörigen. 2. Auf welche einzelnen ambulanten wie stationären Möglichkeiten der Palliativversorgung können Betroffene in der Stadt Essen zurückgreifen? (bitte unter Angabe des jeweiligen Trägers sowie der jeweiligen Anzahl der stationären und ambulanten Betreuungsangebote sowie differenziert nach Erwachsenen und Kindern beantworten) Das Land Nordrhein-Westfalen hat gemeinsam mit den Partnerinnen und Partnern des Gesundheitswesens ein Konzept zur Verbesserung der ambulanten pädiatrischen Palliativversorgung entwickelt und im April 2007 eine entsprechende Landesinitiative gestartet. Nach den Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitung dieses Projekts werden landesweit 6 bis 8 Teams für die spezialisierte ambulante pädiatrische Palliativversorgung (SAPPV) benötigt, 3 bis 5 im rheinischen Landesteil und 3 in Westfalen-Lippe. Bisher haben sich SAPPV-Teams an den Uni-Klinken Essen, Düsseldorf, Bonn und Münster sowie an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln etabliert. Ein Untervertrag zwischen der UniKlinik Münster und der von Bodelschwingschen Stiftung Bethel befindet sich in Vorbereitung. Das SAPPV-Team in Essen ist Mitbegründer eines Kinderpalliativnetzwerkes in Essen, das im Umkreis von 90 km in der Region Essen dafür Sorge trägt, das schwerstkranke Kinder und Jugendliche auch bei schwierigem Krankheitsverlauf in der gewohnten familiären Umgebung versorgt werden können (http://www.kinderpalliativnetzwerk.de/). Für die stationäre Palliativversorgung von schwerstkranken Erwachsenen wurden in den Kliniken Essen-Mitte und im Universitätsklinikum Essen Palliativeinheiten mit jeweils 10 Betten eingerichtet. Die ambulante Palliativversorgung Erwachsener wird neben der Versorgung durch Hausärztinnen und Hausärzten u.a. durch das Palliative Care Team Essen sichergestellt (http://www.sapv-essen.de/). 3. Welche kompetenten Ansprechpartner und Anlaufstellen sind der Landesregierung konkret in der Stadt Essen bekannt, an die sich Betroffene zwecks fachlicher Beratung über die geeignete Versorgung wenden können? (bitte Aufzählung unter Angabe der Kontaktdaten) Für eine gezielte individuelle Beratung und Unterstützung der Betroffenen stehen die im Jahr 1992 vom Land NRW eingerichteten Ansprechstellen zur Pflege Sterbender, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung (ALPHA-Stellen) in Bonn, Frau Kern, Tel.-Nr. 0228/746547, und Münster, Frau Dingerkus, Tel.-Nr. 0251/230848, zur Verfügung. Auf der Internetseite der ALPHA-Stellen, www.alpha-nrw.de, sind die Kontaktdaten der Dienste und Einrichtungen der Hospiz- und Palliativversorgung in NRW aufgeführt. Dort können auch Detailinformationen über die Angebote in Essen abgerufen werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2212 4 Ferner bieten die in den Kommunen eingerichteten Pflegestützpunkte umfassende Informationen und Beratungen zu Versorgungsangeboten und Anlaufstellen. In Essen ist dies der Pflegestützpunkt im Hause der Stadt Essen, Steubenstr. 53, 45138 Essen, Tel.-Nr. 0201/88-50089. Insbesondere die haupt- und nebenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ambulanten Hospizdienste stehen jederzeit für eine persönliche Beratung Rat- und Hilfesuchender zur Verfügung. 4. Wie haben sich jeweils Angebot und Nachfrage nach Hospiz- und Palliativangeboten in der Stadt Essen in den vergangenen zehn Jahren im Einzelnen entwickelt? Die Hospizbewegung und die Palliativversorgung haben sich in den letzten rd. 25 Jahren in Nordrhein-Westfalen dynamisch entwickelt. 60 stationäre Hospize, 4 Kinderhospize, über 300 ambulante Hospizdienste, über 100 ambulante Palliativpflegedienste, 51 Kinderkrankenpflegedienste und über 8.000 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hierfür sichtbare Beispiele. Im Krankenhausplan des Landes NRW sind in 41 Feststellungsbescheiden Angebote für stationäre Palliativmedizin mit 401 Betten, davon 20 in Essen (vgl. Antwort auf Frage 2), ausgewiesen. Aufgrund der demografischen Entwicklung, der zunehmenden Multimorbidität und Chronizität der Erkrankungen sowie der sich verändernden familiären Strukturen nimmt die Nachfrage nach hospizlicher und palliativer Versorgung kontinuierlich zu. Informationen zu der konkreten Entwicklung in der Stadt Essen liegen der Landesregierung im Einzelnen nicht vor. Gleichwohl kann festgestellt werden, dass im Verlauf der letzten Jahre auch in Essen - wie in den Antworten auf die Fragen 1 und 2 dargestellt - vielfältige Angebote entstanden sind. 5. Wie viele zusätzliche Hospiz- und Palliativangebote für Erwachsene sowie für Kinder müssen nach Erkenntnis der Landesregierung in der Stadt Essen kurz-, mittel- und langfristig zusätzlich geschaffen werden, um die Versorgung aller davon betroffener Essener Bürger in qualitativer und quantitativer Hinsicht bedarfsgerecht sicherzustellen? Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, ist eine Planungskompetenz der Landesregierung hinsichtlich der Etablierung von ambulanten und stationären Hospizeinrichtungen nicht gegeben. In Hospiz- und Palliativfachkreisen wird zurzeit von einer flächendeckenden, bedarfsgerechten stationären Hospizversorgung in Nordrhein-Westfalen ausgegangen. Dies gilt insbesondere für Kinderhospize. In der kleinen Anfrage wird zutreffend darauf hingewiesen, dass über das gesamte Gebiet der Stadt Essen verteilt Angebote an Hospiz- und Palliativbetreuung bestehen. Die Stadt verfügt über eine gute und vernetzte Versorgungsstruktur in der Hospiz- und Palliativversorgung. Dies schließt jedoch nicht aus, dass sich unter Berücksichtigung der zu Frage 4 formulierten Entwicklung perspektivisch ein weiterer Bedarf ergeben kann.