LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2217 27.02.2013 Datum des Originals: 25.02.2013/Ausgegeben: 04.03.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 863 vom 30. Januar 2013 des Abgeordneten Thomas Nückel FDP Drucksache 16/1998 Rundfunkbeitrag: Gutachten bescheinigt Verfassungswidrigkeit Die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien hat die Kleine Anfrage 863 mit Schreiben vom 25. Februar 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der seit 1. Januar 2013 gültige Rundfunkbeitrag erntet immer mehr Kritik. Viele Bürger, immer mehr Unternehmen und auch Kommunen stellen fest, dass sie exorbitant stärker belastet werden. Statt Rundfunkgebühren für Hörfunk- und Fernsehgeräte werden jetzt Rundfunkbeiträge erhoben. Sie knüpfen an das Innehaben einer Wohnung oder Betriebsstatte sowie eines nicht lediglich privat genutzten Kraftfahrzeuges an. Der deutlich ungleich erhobene Rundfunkbeitrag führt zu einer stark sinkenden Akzeptanz der neuen Regelung. In einem Gutachten kommt der Leipziger Verfassungsrechtler Christoph Degenhart zu dem Schluss, dass der neue Rundfunkbeitrag gegen Artikel 2 und 3 Grundgesetz verstößt. Die Neuregelung greife in die Handlungsfreiheit der Unternehmen ein und sei nicht mit dem Gleichheitsgebot vereinbar. Ferner handele es sich bei dem Rundfunkbeitrag nach dem Wesen nicht um einen Beitrag, sondern um eine Steuer, so dass die Bundesländer für diese Regelungen nicht die erforderliche Gesetzgebungskompetenz gehabt hätten. 1. Wie steht die Landesregierung zu der Feststellung, dass der neue Rundfunkbei- trag (formell und materiell) verfassungswidrig ist? Herr Prof. Dr. Degenhart hat für den Handelsverband Deutschland ein Kurzgutachten erstellt. Darin geht es um die Frage, „ob und inwieweit Betriebe des Einzelhandels und hier insbesondere Filialbetriebe durch den ab 1. Januar 2012 geltenden Rundfunkbeitrag nach Maßgabe des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) vom 15. Dezember 20101 in verfas- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2217 2 sungswidriger Weise belastet werden”. Herr Prof. Dr. Degenhart ist der Rechtsauffassung, dass die neuen Regelungen zu der vom Bundesverfassungsgericht wiederholt geforderten funktionsgerechten Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (vgl. BVerfG, Urteil vom 22-02-1994 - 1 BvL 30/88; BVerfG, Urteil vom 11.09.2007 - 1 BvR 2270/05, 809/06, 830/06) verfassungswidrig sein sollen. Der frühere Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Paul Kirchhof kommt in seinem ausführlichen Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus April 2010 zu dem Ergebnis, dass der Rundfunkbeitrag ein verfassungsrechtlich zulässiger Beitrag ist. Die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages sind – wie alle anderen Gesetze auch – solange verfassungsgemäß und deshalb von allen Beteiligten uneingeschränkt anzuwenden, bis ein zuständiges Verfassungsgericht eine andere Feststellung trifft. 2. Wie steht die Landesregierung zu den von verschiedenen Seiten erhobenen For- derungen nach einer dringenden Korrektur? Die Landesregierung weist nochmals darauf hin, dass sich alle Länder schon bei der Unterzeichnung des Staatsvertrages darauf geeinigt haben, diesen zeitnah zu evaluieren. Diese Evaluierung und der Abbau möglicherweise entstehender unzumutbarer Mehrbelastungen sind der Landesregierung wichtig. Daher ist die Evaluierung auch bereits vorbereitet worden. Für die Durchführung müssen jedoch zunächst die notwendigen Zahlen vorliegen. Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt – sechs Wochen nach dem Inkrafttreten des Staatsvertrages – noch nicht der Fall. Aber auch wenn diese Daten von den Rundfunkanstalten erhoben worden sind, müssen sie zunächst erst von einer unabhängigen Stelle – der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) – geprüft werden. Erst auf dieser Grundlage können die Länder gemeinsam entscheiden, ob etwas, und wenn ja was, an den staatsvertraglichen Regelungen verändert werden soll. Ohne einen ausreichenden Erfahrungszeitraum ist eine Änderung nicht vertretbar. 3. Wie steht die Landesregierung zu der gutachterlichen Einschätzung, dass der an „Raumeinheiten“ gekoppelte Rundfunkbeitrag einer „grundstücksbezogenen Steuer“ gleiche? Die Landesregierung hat die rechtliche Einschätzung von Herrn Prof. Dr. Degenhart zur Kenntnis genommen. Die Landesregierung geht indes unverändert davon aus, dass der Rundfunkbeitrag keine Steuer ist. 4. Inwiefern gibt es seitens der Landesregierung Pläne hinsichtlich einer Nachbes- serung? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 5. Wie beurteilt die Landesregierung den Vorwurf, den Bundesländern habe für die neue Beitragsregelung die erforderliche Gesetzgebungskompetenz gefehlt? Die Landesregierung erachtet den Vorwurf für haltlos, da sie nach ausführlicher verfassungsrechtlicher Prüfung bei der Unterzeichnung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages davon ausgegangen ist - und weiterhin davon ausgeht -, dass es sich um keine Steuer handelt und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2217 3 den Ländern die Gesetzgebungskompetenz für Regelungen zur Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks nach wie vor zusteht. Auch in den übrigen Landesparlamenten scheint es keine dahingehenden Bedenken gegeben zu haben, da der Staatsvertrag in allen Parlamenten und unter Zustimmung verschiedenster Fraktionen ratifiziert worden ist.