LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2238 05.03.2013 Datum des Originals: 04.03.2013/Ausgegeben: 08.03.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 855 vom 23. Januar 2013 der Abgeordneten Yvonne Gebauer und Kai Abruszat FDP Drucksache 16/1985 Klassenfahrten an NRW-Schulen: Was tut jetzt die Landesregierung? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 855 mit Schreiben vom 4. März 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Oktober 2012 wurde vom Bundesarbeitsgericht entschieden, dass sich das Land bei einer Klassenfahrt nicht auf eine vor Fahrtantritt unterzeichnete Verzichts-erklärung einer tarifbeschäftigten Lehrerin berufen könne. Als Folge bedeutet dies, dass die vollen Reisekosten geltend gemacht werden könnten. Das Oberverwaltungsgericht Münster entschied dann im November 2012, dass auch ein verbeamteter Pädagoge diesen Anspruch auf Erstattung der Reisekosten einer Klassenfahrt habe. Beide Gerichte erklärten, dass das Land mit der bisherigen , langjährigen Praxis gegen seine Fürsorgepflicht verstoße. Zwar sind in der FDPRegierungszeit die finanziellen Mittel für die Reisekostenvergütung von Lehrkräften mehrfach angehoben und zwischen 2005 und 2010 schließlich rund verdreifacht wurden. Nunmehr besteht an dieser Stelle jedoch ein hierüber hinaus reichender gerichtlich festgestellter Veränderungsbedarf , der eine Umgestaltung der langjährigen Praxis des Umgangs des Landes mit dem Aspekt der Reisekostenerstattung für Lehrerinnen und Lehrer notwendig macht. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung hat in Reaktion auf die beiden Urteile am 14. November 2012 erklärt: „Das Schulministerium wird die Reisekostenerstattung bei Klassenfahrten neu regeln. Dazu werden die Begründungen der beiden Urteile nach Auswertung ebenso berücksichtigt wie die Praxis in anderen Bundesländern.“ Im Zuge einer Mündlichen Anfrage der FDP-Landtagsfraktion wurde die Ministerin am 28.11.2012 zu diesem für die Pädagogen, die Schulen, Eltern und Schülerinnen und Schüler wichtigen Aspekt im nordrhein -westfälischen Landtag befragt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2238 2 Die Ministerin für Schule und Weiterbildung erklärte in der Fragestunde, dass – was allerdings bekannt war – die Begründungen der Urteile des Bundesarbeitsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts Münster noch nicht vorlägen. Ohne Auswertung der Begründungen sei eine seriöse Auskunft über die Konsequenzen, die gezogen werden müssten, demnach nicht möglich. Die Ministerin blieb insofern etwas vage, welche Schlüsse das Ministerium aus den Urteilen ziehen werde. Diese Ausführungen überraschten insofern, als dass es vorinstanzlich bereits eine entsprechende Rechtsprechung gegeben hatte, die inhaltliche Vorüberlegungen des Ministeriums für Schule und Weiterbildung erwarten ließen. Allerdings führte die Ministerin in der Fragestunde aus, dass es aus ihrer Sicht absehbar sei, dass eine Änderung der Wanderrichtlinien unabdingbar sei. Zumindest der Teil der Wanderrichtlinien , in dem die Genehmigung einer Klassenfahrt vom Vorliegen einer Kostenverzichtserklärung abhängig gemacht werde, müsse aufgehoben werden. Des Weiteren würden Reisekosten, die Lehrkräften anlässlich von Klassenfahrten im Zeitraum der letzten sechs Monate entstanden und aufgrund einer Verzichtserklärung nicht erstattet worden seien, aus vorhandenen Mitteln finanziert. Hierzu erklärte die Ministerin jedoch, dass nicht prognostiziert werden könne, wie hoch dieser zusätzliche Finanzierungsbedarf sein werde, da die Anzahl der widerrufenen Verzichtserklärungen und damit die Höhe der Forderungen nicht bekannt sei. Als zukünftigen Handlungsrahmen benannte die Ministerin insbesondere drei Aspekte: „Dabei muss es darum gehen, erstens die berechtigten Interessen der Lehrkräfte zu berücksichtigen , zweitens die Bedeutung von Klassenfahrten für den Bildungsauftrag von Schule sicherzustellen und drittens die Finanzkraft im Auge zu behalten.“ Um eine Vergleichbarkeit des Vorgehens anderer Bundesländer zu ermöglichen, stellte die Ministerin freundlicherweise eine Aufstellung der Ausgestaltung einiger Bundesländer zur Verfügung. Da sich die Urteile einerseits auf tarifbeschäftigte, andererseits auf verbeamtete Pädagogen bezog, führte die Ministerin darüber hinaus aus: „Wir brauchen beide Begründungen, um eine konsistente Regelung zu treffen, weil es in dem einen Urteil um eine angestellte Lehrkraft, in dem anderen Fall um verbeamtete Lehrkräfte ging. Es kann durchaus – das zeigt zumindest der Erfahrungswert in anderen Bereichen, was nicht heißt, dass ich mir das wünsche – unterschiedliche Verhaltensweisen gegenüber Angestellten und Beamten geben.“ Inzwischen häufen sich die Meldungen, dass an Schulen Klassenfahrten, die zum Bildungsauftrag der Schulen zählen, offenbar abgesagt werden müssen. So meldete das „Mindener Tageblatt“ am 18.01.2013 und am 23.01.2013, dass Schulen bereits begonnen hätten, fest gebuchte Fahrten wieder abzusagen, da die zur Verfügung stehenden Mittel schon ausgegeben wurden, bzw. für anstehende Fahrten schon verausgabt sind. Das Ministerium weise demnach über die Bezirksregierungen die Schulleiter an, Fahrten nur noch dann zu genehmigen , wenn die Reisekosten der Lehrer gedeckt sind. „Das bedeutet das Aus für einen Großteil der Fahrten und Austauschprogramme“, lässt sich ein Vertreter der GEW vor Ort zitieren. Im Entwurf des Landeshaushalts 2013 ist keine Veränderung der Mittel für die Reisekostenerstattung für Lehrer und Lehrerinnen vorgesehen. Eine Ministeriumssprecherin hat laut Pressemeldungen erklärt, dass das Urteil hierfür zu spät gekommen sei und verwies darüber hinaus auf die begrenzten Einnahmen des Landes. Ebenfalls wurde gemeldet, dass einzelne Schulleiter die Meinung verträten, die Gerichte hätten Lehrerinnen und Lehrern einen freiwilligen Verzicht auf eine Reisekostenerstattung untersagt. Das Schulministerium hingegen erklärte laut Presse, dass das Urteil so interpretiert würde, dass ein freiwilliger Verzicht weiterhin möglich sei. Die bisherige Verzichtserklärung gäbe es als Folge der Gerichtsurteile demnach nicht mehr. In der Westdeutschen Zeitung vom 24.01.2013 wird die Sprecherin des Schulministeriums zitiert, wonach „es weniger Klassenfahrten geben wird, als bislang“. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2238 3 1. Wann ist eine Änderung der Vorgaben zur Reisekosterstattung für Lehrerinnen und Lehrer geplant (bitte nach den unterschiedlichen organisatorischen und finanziellen Vorgaben aufgeschlüsselt darstellen)? Es wird angestrebt, die Reisekostenmittel des laufenden Haushaltsjahres bereits nach einem neuen Verfahren auf die Schulen verteilen zu können. Derzeit ist nicht beabsichtigt, die Zuständigkeit für die Erstattung der Reisekosten (Schulämter für Grundschulen, Bezirksregierungen für alle anderen Schulformen) zu ändern. 2. Wird es nach Auswertung der Urteile durch die Landesregierung unterschiedli- che Regelungen für verbeamtete und tarifbeschäftigte Lehrerinnen und Lehrer geben (wenn ja, bitte darstellen, um welche es sich handelt)? Nein. 3. Soll aus Sicht der Landesregierung – da das Schulministerium mit der Aussage zitiert wurde, wonach ein freiwilliger Verzicht weiter möglich sei – ein solcher freiwilliger Verzicht der Lehrkräfte (auch ohne offizielle Verzichtserklärung) eine Maßnahme darstellen, um das Stattfinden von Schulfahrten sicherzustellen? Lehrkräfte können - wie alle anderen Landesbediensteten auch - freiwillig auf die Erstattung von Reisekosten, die ihnen anlässlich der Begleitung einer Klassenfahrt entstanden sind, verzichten. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit Urteil vom 14.11.2012 die Möglichkeit eines Verzichtes auf Reisekostenvergütung gemäß § 3 Abs. 8 LRKG NRW ausdrücklich anerkannt. Gleichzeitig hat das Gericht aber die Berufung des Dienstherrn auf einen formularmäßig abgefragten Verzicht als unzulässige Rechtsausübung qualifiziert, wenn er zur Voraussetzung der Genehmigung der Klassenfahrt gemacht wird. Insofern können solche Verzichtserklärungen künftig keine Planungsgrundlage für die Finanzierung und damit auch das Stattfinden von Klassenfahrten sein. 4. Welche der dem Landtag übermittelten Ausgestaltungen der Reisekostenfinan- zierungen von Lehrerinnen und Lehrer in anderen Bundesländern ist aus Sicht der Landesregierung inhaltlich geeignet, um sich für die zukünftige nordrheinwestfälische Ausgestaltung hieran zu orientieren? Auch in anderen Ländern sind formularmäßig abgefragte Reisekostenverzichtserklärungen der Lehrkräfte bislang in der Praxis wesentlicher Bestandteil der Planung und Finanzierung von Klassenfahrten. Eine Orientierung der Neukonzeption an derartigen Modellen verbietet sich angesichts der vom Bundesarbeitsgericht und vom Oberverwaltungsgericht Münster vertretenen Rechtsauffassung. 5. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass in Nordrhein-Westfalen nicht eine Vielzahl von Schulfahrten entfallen muss? Mit Schulmail vom 25.02.2013 sind die öffentlichen Schulen und die Schulaufsichtsbehörden darüber informiert worden, dass in 2013 nicht nur genehmigte und gebuchte Schulfahrten, sondern auch die im Rahmen des von der jeweiligen Schulkonferenz beschlossenen Fahrtenprogramms für das Jahr 2013 vorgesehenen und von den Klassenpflegschaften bzw. Jahrgangsstufenpflegschaft bereits beschlossenen Schulwanderungen und Schulfahrten LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2238 4 durchgeführt werden können, Dafür erforderliche Reisekostenmittel werden vom Land bereitgestellt . Rechtliche Verpflichtungen für 2014 dürfen derzeit nicht eingegangen werden. Hierzu sind als Planungs- und Genehmigungsgrundlage die Verabschiedung des Haushalts 2013 sowie die neuen Wanderrichtlinien abzuwarten. Inwieweit angesichts der Bedeutung von Klassenfahrten für den Bildungsauftrag von Schulen im Lichte der Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der Finanzkraft des Landes eine Erhöhung des Titelansatzes in künftigen Haushaltsjahren erzielt werden kann, bleibt abzuwarten. Der Haushaltsentwurf für 2013 befindet sich im parlamentarischen Beratungsverfahren und kann daher nur noch vom Haushaltsgesetzgeber selbst geändert werden. Die vollständige Schulmail kann unter http://www.schulministerium.nrw.de/SV/Schulmail/Archiv/1302253 abgerufen werden.