LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2239 05.03.2013 Datum des Originals: 04.03.2013/Ausgegeben: 08.03.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 861 vom 28. Januar 2013 der Abgeordneten Christof Rasche, Marc Lürbke, Dietmar Brockes und Holger Ellerbrock FDP Drucksache 16/1995 Wie werden höchstmögliche Sicherheitsstandards für die Betuwe-Linie sichergestellt? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 861 mit Schreiben vom 4. März 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Betuwe-Linie ist ein bedeutendes Bindeglied des wichtigsten europäischen Güterverkehrskorridors von Rotterdam nach Genua. Während die Niederlande die Strecke bis zur Grenze Arnheim als Neubaustrecke konzipiert, gebaut und in Betrieb genommen hat, werden in Deutschland für die Planabschnitte Emmerich bis Oberhausen jetzt die Planfeststellungsverfahren durchgeführt. Die Strecke wird über weite Teile mit einem dritten Gleis ausgebaut . Dabei wird deutlich, dass es im Hinblick auf die Lärmschutz- und Sicherheitsanforderungen teilweise erhebliche Differenzen zwischen der Deutschen Bahn AG und den Kommunen gibt. Um die Sicherheit an der Strecke gewährleisten zu können, haben die Feuerwehren der Gemeinden Emmerich, Rees, Hamminkeln, Wesel, Voerde, Dinslaken und Oberhausen sehr frühzeitig am 19. Januar 2010 ihre Anforderungen schriftlich auch der Deutschen Bahn AG vorgelegt. Die Feuerwehren gehen von möglichen realistischen Einsatzszenarien aus und formulierten daraus Leitszenarien. Hieraus sind höchstmögliche Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung abzuleiten. Dies bestimmt im Zusammenhang mit den Leitszenarien analog den Niederlanden den Sicherheitsstandard. Dieser kann allerdings in Abhängigkeit der Praxis der Feuerwehren vor Ort auch nur so gut sein, wie es der von der Deutschen Bahn AG gewährleistete Sicherheitsstandard zulässt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2239 2 In der am 7. Dezember 2012 vorgelegten Richtlinie des Eisenbahn-Bundesamtes „Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an Planung, Bau und Betrieb von Schienenwegen nach AEG“, die unter Federführung eines Arbeitskreises im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellt wurde, werden die Differenzen mit den Sicherheitsanforderungen der Feuerwehren als Akteure vor Ort offenkundig. Während das Baurecht jedem Bauherrn rigide Vorschriften auferlegt, sind die Auflagen für die Deutsche Bahn AG trotz erhöhter Risiken deutlich eingeschränkt. Da die von der Feuerwehr aufgezeigten Leitszenarien für Schadensereignisse an der Betuwe -Linie grundsätzlich europaweit gleich sind, im Abschnitt Emmerich-Wesel-Oberhausen aufgrund der dort auch verkehrenden Personenzüge aber um weitere zu ergänzen sind, wurden entsprechende Anforderungen zur Berücksichtigung beim Ausbau der Abschnitte Emmerich-Wesel-Oberhausen erhoben. 1. Welche Leitszenarien für mögliche Schadensereignisse werden zur Planung der Gefahrenabwehrmaßnahmen und Sicherstellung eines höchstmöglichen Sicherheitsstandards für die Betuwe-Linie (Emmerich-Wesel-Oberhausen) von der Landesregierung zugrunde gelegt? Die Planung der Gefahrenabwehrmaßnahmen für mögliche Schadensereignisse erfolgt grundsätzlich durch die von den Gemeinden für den Einsatz ihrer Feuerwehren im Gemeindegebiet aufzustellenden Brandschutzbedarfspläne und durch die von den Kreisen und kreisfreien Städten zur Bewältigung von Großschadensereignissen in ihrem Kreisgebiet aufzustellenden Gefahrenabwehrpläne. Dabei enthalten insbesondere die von den Kreisen und kreisfreien Städten zur Gefahrenabwehr bei Großschadensereignissen aufzustellenden Gefahrenabwehrpläne eine Zusammenstellung der für Großschadensfälle vorgesehenen organisatorischen Maßnahmen sowie die personellen und materiellen Ressourcen. Grundlage der Planung sind dabei die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten. Dies gilt für die jeweiligen Gefährdungen sowie das vorhandene Gefahrenabwehrpotenzial. Auf dieser Grundlage obliegt es dem Aufgabenträger, planerische Vorkehrungen zur Gewährleistung eines höchstmöglichen Sicherheitsstandards zu treffen. Um die Leistungsfähigkeit der kommunalen Gefahrenabwehr auch bei außergewöhnlichen Schadensereignissen zu gewährleisten, hat die Landesregierung in den vergangenen Jahren verschiedene Landeskonzepte des Katastrophenschutzes entwickelt, mit denen auch größere Schadenslagen an Bahnstrecken bewältigt werden können. Die Landeskonzepte sind auf der Internetseite des Instituts der Feuerwehr NRW im Servicebereich eingestellt. Besonders zu beachten sind in diesem Zusammenhang das Konzept der Behandlungsplatz-Bereitschaft NRW (BHP-B 50 NRW) für einen Massenanfall von Verletzten sowie das Konzept der Betreuungsplatz -Bereitschaft 500 NRW (BTP-B 500 NRW) zur Betreuung einer Vielzahl von Betroffenen. Reichen die Kräfte der betroffenen Gebietskörperschaft nicht aus, können aus anderen Kreisen und kreisfreien Städten die entsprechenden Bereitschaften zur Unterstützung eingesetzt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2239 3 2. Die Festlegungen in der Richtlinie des Eisenbahn-Bundesamtes vom 7. Dezember 2012 weichen deutlich von den Anforderungen der Feuerwehren vor Ort ab. Wie beurteilt die Landesregierung die Differenz zwischen den Sicherheitsstandards der Deutschen Bahn AG und den Feuerwehren an der BetuweLinie ? Ebenso wie die Richtlinie des Eisenbahnbundesamtes (EBA) "Anforderungen des Brandund Katastrophenschutzes an den Bau und den Betrieb von Eisenbahntunneln" wurde die in Rede stehende Richtlinie "Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an Planung , Bau und Betrieb von Schienenwegen" in langjähriger konstruktiver Zusammenarbeit aller Länder unter intensiver Beteiligung der Feuerwehrspitzenverbände und Vertreter der Feuerwehren erarbeitet. Diese Richtlinien sind auch bei den Feuerwehren allgemein anerkannte Regeln der Technik. Zudem stehen die Sicherheitsstandards der Deutschen Bahn AG (DB AG) sowie die aller anderen Eisenbahninfrastrukturunternehmen unter der laufenden Überwachung des EBA. Durch die Richtlinien des EBA wurden damit erstmals allgemeingültige, verbindliche Vorgaben für Sicherheitsanforderungen an Eisenbahnstrecken und damit ein bundesweit einheitliches Sicherheitsniveau geschaffen, dem alle Länder zugestimmt haben. Die für die Gefahrenabwehrplanung zuständigen Kreise und kreisfreien Städte stimmen derzeit ihre konkreten Anforderungen untereinander ab, um sie u.a. in das Planfeststellungsverfahren einzubringen. 3. Welche Voraussetzungen will die Landesregierung zur Erfüllung der von den Feuerwehren aufgezeigten Sicherheitsstandards vor Ort schaffen, um die kommunale Leistungsfähigkeit in finanzieller Hinsicht im Hinblick auf die Gefahrenabwehr zu gewährleisten? Die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren bereits verschiedene Landeskonzepte des Katastrophenschutzes entwickelt, mit denen auch größere Schadenslagen an Bahnstrecken bewältigt werden können (s.a. Antwort zu Frage 1). Um diese Konzepte zu realisieren, wurden durch die Landesregierung umfangreiche Beschaffungen durchgeführt. Nachdem das Land für diese Aufgaben in den Jahren 2005 bis 2008 bereits Abrollbehälter zur Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten für 8,7 Millionen Euro beschafft hat, wurden in der Folge Abrollbehälter für die Verletztendekontamination und Gerätewagen für den Sanitätsdienst beschafft (in 2009 und 2010 für 10,7 Millionen Euro und in 2011 für € 8,4. Millionen Euro) und den Kreisen und kreisfreien Städten übereignet. Zudem haben sich die Feuerwehren in den Regierungsbezirken auf Anregung des Landes zu fünf Großverbänden zusammengeschlossen. Sofern in einem außergewöhnlichen Schadenfall die Kräfte vor Ort nicht ausreichen, sind diese Feuerwehrbereitschaften ebenfalls in der Lage zu unterstützen. Das Konzept für den Regierungsbezirk Düsseldorf ist auf der Internetseite der zuständigen Bezirksregierung im Bereich "Feuer- und Katastrophenschutz" einsehbar. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2239 4 4. Wer muss nach Auffassung der Landesregierung die Verantwortung für die Umsetzung der Sicherheitsstandards an den Planungsabschnitten Emmerich bis Oberhausen übernehmen? Die Gewährleistung der Sicherheit an Eisenbahnstrecken ist sowohl eine Aufgabe des Bahnbetreibers als auch der örtlichen Gefahrenabwehrbehörden. Während die Gefahrenabwehrbehörden die grundsätzliche Aufgabe haben, den Brandschutz, die technische Hilfeleistung sowie die Bewältigung von Großschadensereignissen sicherzustellen, obliegt dem Bahnbetreiber die anlagenbezogene Gefahrenabwehr. Die sich für ihn insoweit aus dem Allgemeinen Eisenbahngesetz sowie der Eisenbahn-, Bau- und Betriebsordnung ergebenden Vorgaben wurden für die freie Strecke durch die Richtlinie "Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an Planung, Bau und Betrieb von Schienenwegen" des Eisenbahnbundesamtes in Bezug auf die Anforderungen an den Brand- und Katastrophenschutz erstmals konkretisiert. (s. a. Antwort zu Frage 2) 5. Wer hat nach Auffassung der Landesregierung die Kosten für die von der o.a. Richtlinie des Eisenbahn-Bundesamtes abweichenden zusätzlichen Sicherheitsanforderungen zu tragen? Die Richtlinie des Eisenbahnbundesamtes (EBA) "Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an Planung, Bau und Betrieb von Bahnanlagen der freien Strecke" verpflichtet die Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die in der Richtlinie festgelegten baulichen und organisatorischen Anforderungen zu erfüllen. Unabhängig davon wurde zur Sicherstellung der Gefahrenabwehr auf dem Gelände der Deutschen Bahn AG (DB AG) zwischen den Innenministern/-senatoren der Länder und der DB AG eine Vereinbarung geschlossen, die schon 1998 in Kraft getreten ist. In dieser Vereinbarung verpflichtet sich die DB AG zur umfangreichen technischen und organisatorischen Unterstützung der Gefahrenabwehrbehörden im Falle eines Schienenunfalls. Danach stellt die DB AG den Feuerwehren aller vom Schienennetz der DB AG berührten Gemeinden Spezialausrüstungen für Schienenunfälle, Karten- und Unterrichtsmaterial zur Verfügung und hat sich zur Durchführung von Übungen verpflichtet. Über diese Festlegungen hinausgehende Forderungen gehen zu Lasten des Aufgabenträgers.