LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2267 08.03.2013 Datum des Originals: 07.03.2013/Ausgegeben: 13.03.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 887 vom 4. Februar 2013 des Abgeordneten Kai Abruszat FDP Drucksache 16/2050 Welche Bedeutung hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Kreisumlage für den kommunalen Finanzausgleich in NRW? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 887 mit Schreiben vom 7. März 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In einem Klageverfahren der rheinland-pfälzischen Ortsgemeinde Malbergweich gegen den Eifelkreis Bitburg-Prüm entschied das Bundesverwaltungsgericht Leipzig am 31. Januar 2013 die Unzulässigkeit der Erhebung von Kreisumlagen, durch deren Abschöpfungswirkung kreisangehörigen Kommunen keine finanzielle Mindestausstattung für die Wahrnehmung ihrer Pflichtaufgaben und freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben mehr verbleibt . Diese Maßgabe sah das Gericht im Fall Malbergweich nicht mehr erfüllt, weil die Kreisumlage in Verbindung mit anderen Umlagen zu einer Abschöpfungswirkung führte, die mehr als 108 Prozent des lokalen IST-Steueraufkommens (Steuern und Zuweisungen) betrug. Aus eigener Kraft und ohne die Aufnahme von Kassenkrediten war es der Kommune somit nicht möglich, die geforderten Zahlungen zu leisten. Obwohl nach maßgeblichem Landesrecht keine explizite Höhenbegrenzung für die Umlagenerhebung existiere, müsse bei kreisangehörigen Gemeinden unter Berücksichtigung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts gem. Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes im „Kern“ eine unantastbare finanzielle Mindestausstattung sichergestellt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2267 2 Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht das Recht der Gemeinde Malbergweich auf kommunale Selbstverwaltung verletzt. Allerdings nur dann, wenn sichergestellt ist, dass es sich hierbei nicht um eine temporäre Ausnahme handelt, sondern eine dauerhafte strukturelle Unterfinanzierung zufolge hat. Dies wurde dem zuständigen Oberverwaltungsgericht zur Prüfung aufgegeben. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts könnte weitreichende Folgen auch für den kommunalen Finanzausgleich in Nordrhein-Westfalen haben. 1. Wie viel der jeweiligen einzelgemeindlichen IST-Einnahmen (Schlüsselzuweisun- gen und tatsächliches Aufkommen bei den Steuerarten Einkommenssteuer (Gemeindeanteil ), Umsatzsteuer (Gemeindeanteil), Grundsteuer A und Grundsteuer B sowie Gewerbesteuer) der Referenzzeiträume der Gemeindefinanzierungsgesetze (GFG) 2010, 2011 und 2012 wurden in Nordrhein-Westfalen durch die Kreisumlagen des jeweiligen Belegenheitskreises der Jahre 2010, 2011 und 2012 abgeschöpft (bitte nach Jahren getrennte, gemeindescharfe Aufstellung mit absolutem und prozentualem Ausweis)? Siehe Anlage 1 2. Wie viel der jeweiligen einzelgemeindlichen Einnahmekraft nach dem GFG (Steuerkraftmesszahlen der kreisangehörigen Gemeinden und zu veranschlagende Schlüsselzuweisungen der kreisangehörigen Gemeinden) der Referenzzeiträume der Gemeindefinanzierungsgesetze (GFG) 2010, 2011 und 2012 wurde in Nordrhein -Westfalen durch die Kreisumlagen des jeweiligen Belegenheitskreises der Jahre 2010, 2011 und 2012 abgeschöpft (nach Jahren getrennte, gemeindescharfe Aufstellung mit absolutem und prozentualem Ausweis)? Siehe Anlage 2 3. Wie sieht die Landesregierung die Situation, dass die Kommunalaufsicht Ge- meinden nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei strukturell unausgeglichenem Haushalt nicht zur Erhöhung ihrer Realsteuerhebesätze zwingen kann (BVerwG, Urt. v. 27.10.2010 - 8 C 43.09), Gemeinden aber nach dem neuen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2013 (8 C 1.12) die Zahlung der Kreisumlage unter Verweis auf ihr Selbstverwaltungsrecht verweigern können, wenn die tatsächlich zu erhebende Kreisumlage das absolute Aufkommen ihrer Einnahmen übersteigt? 4. Wie sieht die Landesregierung die Situation, dass nach bundesgesetzlichen Leistungsverpflichtungen in Nordrhein-Westfalen Sozialleistungsansprüche im kreisangehörigen Raum zu über 80 Prozent durch Umlageverbände (Kreise und Landschaftsverbände) erfüllt werden müssen, die in deren Haushalten über 70 bis teilweise bis zu 90 Prozent der Gesamtausgaben ausmachen, diese über keine eigenen originären Deckungsmittel verfügen (kein Steuerhebungsrecht) und die Umlagezahler nach der Entscheidung des BVerwG vom 31.01.2013 (8 C 1.12) die Zahlung des zur Erfüllung der Sozialleistungsansprüche durch den jeweiligen Umlageverband erforderlichen Umlageaufkommens verweigern können, angesichts der Tatsache, dass die relative jährliche Finanzausstattung der Umlageverbände im Finanzausgleich des Landes seit 1980 um 2,5 Prozent abgesenkt LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2267 3 wurde (Kreise: -0,8 Prozent; Landschaftsverbände: - 1,7 Prozent), obwohl die Pro-Kopf-Zuschussbedarfe schon allein in den Kreishaushalten bereits zwischen 1980 und 2006 um 221,6 Prozent gestiegen sind? Die Urteilsgründe für das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2013 liegen mir zum Zeitpunkt der Beantwortung noch nicht vor. Eine Beurteilung der Fragestellungen 3 und 4 ist daher nicht möglich. Sobald mir die Urteilsgründe vorliegen, werde ich diese sorgfältig auswerten und den Kommunalpolitischen Ausschuss über das Ergebnis informieren. 5. Wie gedenkt die Landesregierung der Gefahr zu begegnen, dass in NordrheinWestfalen Sozialleistungsansprüche wegen Illiquidität der für deren Erfüllung zuständigen Behörden im kreisangehörigen Raum nicht mehr erfüllt werden können? Für eine mögliche Illiquidität gibt es keine Anhaltspunkte. Die Haushaltssituation der Gemeinden hat sich im Jahr 2012 deutlich verbessert. Von den von 175 Gemeinden aufzustellenden Haushaltssanierungsplänen nach dem Stärkungspaktgesetz (61) oder Haushaltssicherungskonzepten nach der Gemeindeordnung konnten 146 genehmigt werden. Im Jahr 2011 hingegen konnten von 177 Haushaltssicherungskonzepten nur 33 genehmigt werden.