LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2315 13.03.2013 Datum des Originals: 13.03.2013/Ausgegeben: 18.03.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 875 vom 31. Januar 2013 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/2026 Vergabe rettungsdienstlicher Leistungen in NRW – Müssen Kommunen rekommunalisieren oder neu ausschreiben? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 875 mit Schreiben vom 13. März 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zum jetzigen Zeitpunkt haben einige Kommunen in Nordrhein-Westfalen angesichts von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes sowie des Bundesgerichtshofes sowie unter Berücksichtigung der Auslegung dieser Entscheidungen durch das Landesgesundheitsministerium die Durchführung des Rettungsdienstes rekommunalisiert oder unter Beachtung des Vergaberechtes neu ausgeschrieben. Im Erlass vom 6. August 2010 führt das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen aus: „[…] Als Konsequenz aus den zitierten Entscheidungen ist aus Sicht des Landes bei der Beauftragung Dritter mit der Durchführung des Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen der Vierte Teil (Vergabe öffentlicher Aufträge) des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) anzuwenden, soweit die mit der Aufgabe betrauten Unternehmen/Dienstleister als Verwaltungshelfer in die Aufgabenerfüllung einbezogen werden […]. […] Unberührt bleibt die Aufgabenerledigung durch eigene Kräfte (z.B. Berufsfeuerwehr) und nach dem Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (GkG NRW) sowie die Übertragung der Aufgabendurchführung an eine vom Aufgabenträger (mit-)eingerichtete Gesellschaft (In-HouseGeschäft ) […]. […] LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2315 2 Für die bereits bestehenden Verträge im Oberschwellenbereich, bei denen kein Vergabefahren durchgeführt worden ist, ergeben sich aus den gerichtlichen Entscheidungen folgende Konsequenzen: […] Obwohl Art. 280 AEUV keine besondere Frist für die Beseitigung vorsieht , gebietet es das Interesse an einer sofortigen und einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts , dass die erforderlichen Maßnahmen nach Erlass des Urteils unverzüglich in Angriff genommen und innerhalb kürzestmöglicher Zeit abgeschlossen werden. Für Vergabesachen bedeutet dies, dass grundsätzlich Aufträge, bei denen eine gemeinschaftsrechtswidrige Vergabe in einem Urteil nach Art. 280 AEUV festgestellt wurde, innerhalb kürzestmöglicher Zeit beendet werden müssen. […] Daher wird empfohlen spätestens mit der Neuaufstellung des Bedarfsplanes gem. § 12 Abs. 6 RettG NRW eine Vertragsbeendigung herbeizuführen. Vor diesem Hintergrund ist eine Auslauffrist von ca. 2 bis 3 Jahren, d.h. bis längstens Ende 2013 für die bestehenden Verträge nach hiesiger Auffassung noch vertretbar. Voraussetzung hierfür ist, dass die gemeinschaftrechtswidrig erfolgte Vergabe […] im Amtsblatt der EU bekannt gemacht wird und zwar unabhängig davon, wann der gemeinschaftsrechtswidrige Vertragsschluss erfolgt ist. […]“ Vorbemerkung der Landesregierung Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage wurden die Bezirksregierungen um Bericht gebeten. Auf der Grundlage dieser Berichte können die Fragen wie folgt beantwortet werden. 1. Welche Aufgabenträger haben gem. der Vergabekoordinierungsrichtlinie die ge- meinschaftsrechtswidrige Vergabe in Bezug auf die Durchführung des Rettungsdienstes im Amtsblatt der EU bekannt gemacht (Aufstellung der Bekanntmachungen )? Der Kreis Ennepe-Ruhr hat die Vergabe eines Auftrages zur Durchführung des Rettungsdienstes in sechs Losen im EU-Amtsblatt veröffentlicht (Bekanntmachung am 30.11.2012). Ansonsten wurde "Fehlanzeige" gemeldet. 2. Welche Städte und Gemeinden bzw. Kreise haben nach dem 6. August 2010 den Rettungsdienst rekommunalisiert bzw. neu ausgeschrieben?  Regierungsbezirk Düsseldorf o Die Stadt Düsseldorf bereitet eine Leistungsausschreibung für das Jahr 2014 vor. o Die Stadt Duisburg bereitet eine Leistungsausschreibung für das Jahr 2016 vor. o Die Stadt Krefeld hat 2010 und 2012 Teile des Rettungsdienstes neu ausgeschrieben. o Die Stadt Mönchengladbach hat 2010 neu ausgeschrieben. Nach Aufhebung des Verfahrens wurde am 16.12.2010 erneut ausgeschrieben. Eine Teilkommunalisierung ist in der Umsetzung. o Die Stadt Remscheid plant eine Ausschreibung im laufenden Jahr 2013. o In Solingen wurde die Besetzung von bisher mit Springern aus dem Brandschutzper- sonal besetzten Rettungstransportwagen 2010 ausgeschrieben. o Der Kreis Mettmann hat 2011 die Gestellung von Notärzten und Notärztinnen öffent- lich ausgeschrieben. In den Kommunen des Kreises gab es keine Rekommunalisierung oder Neuausschreibung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2315 3  Regierungsbezirk Köln o Im Rhein-Erft-Kreis haben die Städte Brühl und Frechen im Jahr 2012 bzw. 2005 die Erbringung der rettungsdienstlichen Leistungen rekommunalisiert. o Im Oberbergischen Kreis wurde der Rettungsdienst zum 01.10.2012 kommunalisiert. o Im Kreis Euskirchen wurde eine Teilrekommunalisierung mit einer Rettungswache vorgenommen. o Der Kreis Heinsberg hat den Rettungsdienst zum 01.01.2012 kommunalisiert durch die Gründung einer kreiseigenen Betriebsgesellschaft (Inhouse-Vergabe). o Die Stadt Bonn hat die rettungsdienstlichen Leistungen zum 01.01.2013 erneut verge- ben, da der bisherige Ausschreibungszeitraum zum 31.12.2012 endete. o Die Stadt Köln schreibt seit 2003 die rettungsdienstlichen Leistungen, die sie nicht selbst erbringt, regelmäßig aus. Die letzten Ausschreibungen, die im Amtsblatt der EU bekannt gemacht worden sind, waren:  Übertragung der rettungsdienstlichen Leistungen in Form der Einbindung in den öf- fentlichen Bodenrettungsdienst (Bekanntmachung am 18.09.2010)  Übertragung rettungsdienstlicher Leistungen in Form der Besetzung des RTH und des ITH mit Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten mit HEMS-CrewMember -Ausbildung zwecks Einbindung als Verwaltungshelfer gem. § 13 RettG NRW bei der Kernträgerin für den Luftrettungsdienst Stadt Köln (Bekanntmachung am 09.08.2006)  Intensivtransporthubschrauber (ITH) Betreiber inkl. der Besetzung mit geeigneten Piloten und Betrieb einer Hubschrauberbetriebsstation gem. § 9 Abs.1 RettG NRW (Bekanntmachung am 20.12.2012) o Die Stadt Aachen hat die letzte Vergabe zur Beteiligung am öffentlichen Rettungsdienst in 2009 für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 EU-weit ausgeschrieben (Bekanntmachung am 27.07.2009). o Die Städteregion Aachen bereitet derzeit eine europaweite Ausschreibung ihrer rettungsdienstlichen Leistungen zum 01.01.2014 vor.  Regierungsbezirk Arnsberg o In der Stadt Bochum wurden Sonderleistungen des Rettungsdienstes, wie z.B. Son- derleistungen Rettungsdienst bei Veranstaltungen sowie Intensivtransporte, nach dem 06.08.2010 neu ausgeschrieben. Im laufenden Jahr sind Ausschreibungen der Notarztgestellung sowie der Notarztfahrerin / des Notarztfahrers geplant. Gleichzeitig wurde eine Notarztfahrerfunktion rekommunalisiert. o Die Stadt Herne hat den Krankentransport seit dem 01.12.2011 vorübergehend rekommunalisiert . Leistungen im Bereich Krankentransport sollten zukünftig ausgeschrieben werden. Die Notfallrettung soll wie bisher ausschließlich von der Berufsfeuerwehr Herne durchgeführt werden. o Der Kreis Ennepe-Ruhr hat nach dem 06.08.2010 rettungsdienstliche Leistungen ausgeschrieben. o Im Kreis Unna hat die Stadt Unna im Jahr 2012 rettungsdienstliche Leistungen den Vorgaben entsprechend europaweit ausgeschrieben und vergeben.  Regierungsbezirk Münster o Im Kreis Borken wurde 2012 der Betrieb der Rettungswachen Heek und Vreden öf- fentlich ausgeschrieben. o In Gelsenkirchen sind die zusätzlichen Rettungsdienstleistungen neu ausgeschrieben worden. o Im Kreis Recklinghausen hat die Stadt Herten 2010 für den qualifizierten Kranken- transport eine Ausschreibung durchgeführt und nach Kündigung des Vertrages durch den Auftragnehmer wurde 2012 eine erneute Ausschreibung vorgenommen. Die Stadt Marl hat 2012 eine Ausschreibung für den qualifizierten Krankentransport durchgeführt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2315 4 o Der Kreis Warendorf hat zum 01.08.2012 an der Rettungswache Ostbevern das frühere Personal des Ortsvereins des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Rahmen eines Betriebsüberganges nach § 613 a BGB übernommen. Die Wache wurde bereits vorher durch den Kreis betrieben, nur das Personal wurde zuvor vom DRK gestellt.  Regierungsbezirk Detmold o In der Stadt Bad Oeynhausen wurde zum 01.01.2013 rekommunalisiert. 3. In wie vielen Fällen einer kommunalen Ausschreibung von Rettungsdienstleis- tungen ist es in den letzten drei Jahren zu einem Verfahren vor der Vergabekammer gekommen (aufgeteilt nach Jahren, Anzahl der Ausschreibung und Vergabekammer-Verfahren)?  Regierungsbezirk Düsseldorf o Stadt Mönchengladbach: Die Ausschreibung von 2010 wurde 2011 Gegenstand ei- nes Verfahrens vor der Vergabekammer sowie anschließend vor dem OLG Düsseldorf. Die Stadt Mönchengladbach unterlag dabei. o Stadt Solingen: Zur Ausschreibung von Notarztleistungen im Juni 2010 gab es 2011 ein Nachprüfungsverfahren.  Regierungsbezirk Köln o Bei der Vergabekammer Köln war 2010 ein rettungsdienstliches Verfahren der Stadt Stolberg anhängig.  Regierungsbezirk Arnsberg o Im Ennepe-Ruhr-Kreis gab es 2012/2013 ein Verfahren vor der Vergabekammer. 4. In vielen Fällen einer kommunalen Nicht-Ausschreibung von Rettungsdienstleis- tungen ist es in den letzten Jahren zu einem Verfahren vor der Vergabekammer gekommen (aufgeteilt nach Jahren und Vergabekammer-Verfahren?)  Regierungsbezirk Düsseldorf o Laut Vergabekammer waren 2011 und 2010 jeweils ein Verfahren wegen unterbliebe- ner Ausschreibung anhängig.  Regierungsbezirk Arnsberg o Im Ennepe-Ruhr-Kreis gab es 2012 ein Verfahren vor der Vergabekammer.  Regierungsbezirk Münster o Im Kreis Coesfeld gab es 2010 ein Verfahren wegen Nichtausschreibung. 5. Wie erklärt sich die Landesregierung den Umstand, dass sich Kommunen auf- grund des geltenden Erlasses vom 6. August 2010 durch das Land NRW gezwungen sehen, ihre rettungsdienstlichen Leistungen zu rekommunalisieren bzw. neu auszuschreiben? Der Erlass vom 6. August 2010 stellt eindeutig keine Empfehlung der Landesregierung dar und ist keineswegs ein Aufruf an die Kommunen, den Rettungsdienst durch eigene Kräfte LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2315 5 auszuüben, sondern vielmehr die Darstellung der geltenden Rechtslage sowie die Darstellung der Fälle, in denen die Ausschreibungspflicht nicht greift. Der oben genannte Erlass wurde aufgrund der zuvor gefällten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesgerichtshofes zur Vergabe rettungsdienstlicher Leistungen erstellt. Darin enthalten sind die aus Sicht des Landes Nordrhein-Westfalen aus den Gerichtsentscheidungen resultierenden Konsequenzen für künftiges Verwaltungshandeln. Diese besagen, dass bei der Beauftragung Dritter mit der Durchführung des Rettungsdienstes in NRW der Vierte Teil (Vergabe öffentlicher Aufträge) des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) anzuwenden ist, soweit die mit der Aufgabe betrauten Dritte als Verwaltungshelfer in die Aufgabenerfüllung einbezogen werden. Unberührt von der Ausschreibungspflicht bleiben die Aufgabenerledigung durch eigene Kräfte (Kommunalisierung), die Aufgabenerledigung durch kommunale Gemeinschaftsarbeit sowie die Übertragung durch Aufgabendurchführung an eine von dem Aufgabenträger (mit- )eingerichtete Gesellschaft (In-House-Geschäft). Die Durchführung des Rettungsdienstes liegt im Übrigen in der Organisationshoheit der Kommunen. Ein Zwang zur Rekommunalisierung / bzw. zur Ausschreibung - hervorgerufen durch den Erlass vom 6. August 2010 - besteht daher keineswegs.