LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2335 19.03.2013 Datum des Originals: 18.03.2013/Ausgegeben: 22.03.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 900 vom 14. Februar 2013 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/2083 Könnte eine enge Kooperation zwischen Schwangerschafts(konflikt)beratungsstellen und Krankenhäusern in NRW Schwangerschaftsabbrüche reduzieren? Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Kleine Anfrage 900 mit Schreiben vom 18. März 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der kleinen Anfrage Verzweifelte Schwangere melden sich inzwischen oft rechtzeitig während der letzten Wochen der Schwangerschaft bei Krankenhausträgern und viele Krankenhäuser bieten den Frauen ihre Hilfe an. Diese Krankenhäuser haben überwiegend in der Zwischenzeit ein engmaschiges Hilfenetzwerk unter Einbindung ihrer Sozialstationen, der Standes- und Jugendämter geknüpft. Zahlreichen dieser Krankenhäuser gelingt es durch einen hohen persönlichen Einsatz ihrer Mitarbeiter, dass Frauen, die ursprünglich anonym entbinden wollten, sich nach einer Karenzzeit doch noch für ein gemeinsames Leben mit ihrem Kind entschieden haben. Aus der Studie des Deutschen Jugendinstitutes, München, zu „Anonymen Geburten und Babyklappen in Deutschland – Fallzahlen, Angebote und Kontexte“ (2011) geht hervor, dass die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen derzeit vor allem zwei Gruppen von Schwangeren ansprechen: Diejenigen, die eine Beratungsbescheinigung oder diejenigen, die finanzielle /materielle Unterstützung be-nötigen. Eine Öffnung dieser Beratungsstellen für alle Schwangeren mit unterschiedlichen Beratungsbedarfen wäre wünschenswert, zumal sie in der öffentlichen Wahrnehmung nicht negativ besetzt sind, bei den Schwangeren kein Gefühl der Stigmatisierung hervorrufen und das Angebot der anonymen Beratung inkludieren (Seite 21). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2335 2 Vorbemerkung der Landesregierung Nach dem Gesetz des Bundes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG) fördert das Land Nordrhein-Westfalen in 217 Schwangerschaftsberatungsstellen in Trägerschaft der Wohlfahrtsverbände, der evangelischen Kirchen und von Kommunen 368 Fachkraftstellen. Diese Beratungsstellen stehen nach dem SchKG schon jetzt für alle Beratungsbedarfe im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt zur Verfügung. Die Problematik von Frauen, die sich mit ihrer Schwangerschaft erst in den letzten Wochen oder Tagen vor der Entbindung auseinander setzen und dann evtl. anonym entbinden möchten , will das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit einem Ende 2012 vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt aufgreifen. Damit will das BMFSFJ ein medizinisch und rechtlich gesichertes Angebot einer „vertraulichen Geburt“ etablieren. Den Schwangerschaftsberatungsstellen soll nach den bisher bekannt gewordenen Vorstellungen des BMFSFJ eine maßgebliche Rolle zukommen, um die betroffenen Frauen zu beraten und sie auch nach der Entbindung bei der existenziellen Entscheidung für ein Leben mit dem Kind oder für die Freigabe zur Adoption zu begleiten. 1. Wie viele Kinder wurden in den letzten fünf Jahren bei den Jugendämtern in NRW anonym gemeldet? Angaben zu anonymen Geburten liegen der Landesregierung nicht vor. Die erforderlichen Erhebungen bei Jugendämtern, Adoptionsvermittlungsstellen und Krankenhäusern in Nordrhein -Westfalen können im Beantwortungszeitraum der Kleinen Anfrage 900 nicht durchgeführt werden. Hinzu kommt, dass bei anonymen Geburten die Vermittlung der Kinder an Pflegefamilien bundesweit erfolgen kann. Dies kommt häufig vor, damit die Anonymität gewährleistet werden kann. 2. Wie ist das Verfahren im Falle einer Rücknahme eines zuerst anonym gemelde- ten Kindes durch die leibliche Mutter bzw. die leiblichen Eltern in NRW? Wie in jedem Adoptionsverfahren besteht für die leibliche Mutter bzw. für die leiblichen Eltern die Möglichkeit, das Kind in einem Zeitraum von acht Wochen zurück zu nehmen. 3. Im Einzelplan 07 stehen im Kapitel 07 030, Titelgruppe 67 (Kostenerstattung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz zur Hilfe bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen), Zuweisungen an Sozialleistungsträger zur Verfügung. Bei wie vielen Schwangerschaftsabbrüchen hat das Land NRW in den letzten fünf Jahren Kostenersatz geleistet (aufgeteilt nach Jahren)? Kostenerstattungen bei Schwangerschaftsabbrüchen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz wurden in NRW in folgender Höhe geleistet: 2008: 24.347 2009: 22.938 2010: 22.650 2011: 21.261 2012: 22.161 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2335 3 Der Anstieg von 900 Kostenerstattungen in den Jahren 2011 zu 2012 ist vermutlich nicht durch einen Anstieg von Schwangerschaftsabbrüchen bedingt1. Vielmehr ist davon auszugehen , dass Rechnungen aus Vorjahren erst in 2012 der Erstattungsbehörde vorgelegt wurden . 4. Könnte eine enge Kooperation zwischen Schwangerschafts(konflikt)- beratungsstellen und Krankenhäusern aus Sicht der Landesregierung zu einer Verringerung der Schwangerschaftsabbrüche beitragen? 5. Wäre es aus Sicht der Landesregierung darstellbar, eine nicht näher spezifizierte Kooperation zwischen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Krankenhäusern in das Ausführungsgesetz zum Schwangerschaftskonfliktgesetz NRW (Schwangerschaftskonfliktausführungsgesetz NRW – AG SchKG) aufzunehmen? Der überwiegende Teil der in den landesgeförderten Schwangerschaftsberatungsstellen (vgl. Vorbemerkung) ratsuchenden Frauen wird nach § 2 SchKG beraten und somit im Verlauf einer bestehenden Schwangerschaft unterstützt. Nach dem Förderprogrammcontrolling gab es im Jahr 2011 90.525 Beratungsfälle nach § 2 und 33.958 Beratungsfälle nach §§ 5/6 SchKG, die zur Ausstellung einer Beratungsbescheinigung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch geführt haben. Die Unterstützung Schwangerer nach § 2 SchKG schließt eine umfassende Sozialberatung und die Nachbetreuung nach der Geburt eines Kindes ein. Sie hat somit eine präventive Wirkung und dient auch der Vermeidung von Schwangerschaftsabbrüchen . Neben der Beratung nach § 2 SchKG führen die landesgeförderten Beratungsstellen – vor allem in Schulen - Veranstaltungen zur Sexualaufklärung durch, die ebenfalls zur Verhinderung ungewollter Schwangerschaften beitragen. Laut Förderprogrammcontrolling wurden im Jahr 2011 8.436 sexualpädagogische Veranstaltungen mit rund 136.700 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt. Eine enge Kooperation zwischen Schwangerschafts(konflikt)beratungsstellen und Krankenhäusern dürfte aus Sicht der Landesregierung nicht spürbar zur Verringerung von Schwangerschaftskonflikten beitragen. Es besteht deshalb keine Absicht, eine gesetzliche Vorschrift zur Kooperation in das AG SchKG aufzunehmen. 1 Die Zahlen des Deutschen Statistischen Bundesamtes über Schwangerschaftsabbrüche in 2012 lagen bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage noch nicht vor.