LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/245 18.07.2012 Datum des Originals: 16.06.2012/Ausgegeben: 23.07.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 30 vom 12. Juni 2012 des Abgeordneten Peter Biesenbach CDU Drucksache 16/68 Stellenausschreibungen der Polizei Nordrhein-Westfalen in Zukunft auch auf Arabisch , Chinesisch oder Russisch? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 30 mit Schreiben vom 16. Juli 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Dortmunder Polizei hat am 14. Mai 2012 unter der Überschrift „Seni bekliyoruz! - Polis Meslegi icin danisma toplantisi“ mit einer ausschließlich in türkischer Sprache verfassten Pressemitteilung für den Polizeiberuf geworben. Ein Polizeisprecher begründete diese Maßnahme in der Rheinischen Post vom 22.05.2012 mit dem Worten: „Wir wollten mit der Aktion junge türkischstämmige Bürger auf den Dienst bei uns aufmerksam machen“. Das Ministerium für Inneres und Kommunales soll die Kampagne des Polizeipräsidiums Dortmund gebilligt haben, weil die Personalwerbung den einzelnen Polizeidienststellen obliege. Der Zeitungsartikel endet mit der Bemerkung, dass das Dortmunder Polizeipräsidium nun sogar erwäge, die Ausschreibung für den Polizeiberuf künftig noch in weiteren Sprachen zu verfassen . In diesem Zusammenhang stellt sich die grundlegende Frage, welcher Bewerberkreis mit entsprechenden Ausschreibungen angesprochen werden soll. Es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass Personen, die nicht in der Lage sind, eine in deutscher Sprache verfasste Stellenanzeige zu verstehen, ein dreijähriges Bachelor-Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV) im Fachbereich Polizeivollzugsdienst meistern würden. Die Absolvierung dieses Studienganges ist jedoch Zugangsvoraussetzung für den Polizeidienst in Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen im Februar 2012 mit Zustimmung der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP das Gesetz zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration in Nordrhein-Westfalen – Teilhabe- und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/245 2 Integrationsgesetz (GV.NRW.S.97) beschlossen. In § 2 Abs. 2 des Teilhabe- und Integrationsgesetzes wird die zentrale Bedeutung der deutschen Sprache für das Gelingen von Integration als Integrationsgrundsatz hervorgehoben. Gemäß § 3 Abs. 1 des Teilhabe- und Integrationsgesetzes haben die Behörden des Landes im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Verwirklichung der Integrationsziele und die Anwendung der Integrationsgrundsätze zu unterstützen . Vorbemerkungen der Landesregierung Die Landesregierung will den Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst weiter erhöhen sowie die interkulturelle Kompetenz aller Beschäftigten stärken. Damit soll der kompetente Umgang mit Vielfalt und die Identifikation der Menschen mit Migrationshintergrund mit staatlichen Stellen mittelbar erhöht werden. Vor dem Hintergrund von rd. 4,3 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in NordrheinWestfalen ist die interkulturelle Kompetenz aller Beschäftigten der Landesverwaltung wichtiger Bestandteil der sozialen und fachlichen Kompetenz, um mit den Herausforderungen einer Gesellschaft konstruktiv umgehen zu können, die kulturelle Vielfalt aufweist. Im Dezember 2010 ist die Landesinitiative „Mehr Migrantinnen und Migranten in den Öffentlichen Dienst - Interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung“ unter Federführung des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) gestartet. Im Mai 2011 hat das Landeskabinett hierzu das entsprechende Gesamtkonzept gebilligt. Migrantinnen und Migranten sind eine wesentliche Zielgruppe polizeilicher Werbeaktivitäten. In diesem Rahmen wurden mehrfach die guten Erfolge des Modelles der sog. "direkten Ansprache " von Bewerber/innen mit Migrationshintergrund im Bereich der Polizei NRW hervorgehoben . Sekundäre Zielgruppe sind dabei die Eltern und Angehörige der potentiellen Bewerberinnen und Bewerber. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die o.g. Pressemitteilung des Polizeipräsidi- ums Dortmund im Hinblick auf § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 des Teilhabe- und Integrationsgesetzes ? Aus Sicht der Landesregierung widersprechen die Inhalte der Pressemeldung des PP Dortmund nicht der Zielrichtung des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 (wohl in der Fragestellung gemeinter Absatz der Vorschrift) Teilhabe- und Integrationsgesetz NRW. Um auch Eltern und Angehörige zu erreichen, kann es sinnvoll sein, Werbemaßnahmen in anderen als der deutschen Sprache durchzuführen. Eltern und Angehörige haben bekanntlich gerade bei Bewerber /innen mit Migrationshintergrund einen erheblichen Einfluss auf die Berufswahlentscheidung . Mit der Werbung in der Herkunftssprache wollen wir zudem unsere Wertschätzung für die Mehrsprachigkeit der potentiellen Bewerberinnen und Bewerber signalisieren (§ 2 Abs. 3 TIntG). 2. Inwieweit stellt der Umstand, dass in türkischer Sprache für den Polizeiberuf geworben wird, eine Diskriminierung nicht-türkischstämmiger Migranten i.S.d. § 1 Nr. 2 Teilhabe- und Integrationsgesetzes dar? Der Schwerpunkt fremdsprachlicher Personalwerbung gegenüber der sekundären Zielgruppe liegt – allein auf Grund des höchsten Bevölkerungsanteils – folgerichtig bei den Migran- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/245 3 tinnen und Migranten mit türkischer Herkunft. Die Bevölkerungsanteile anderer Nationalitäten sind zum Teil erheblich geringer. Eine Diskriminierung anderer Bevölkerungsgruppen wird hierin nicht gesehen, da sich eine zielgruppenorientierte Personalwerbung immer nur an einen Teil der Bevölkerung richten kann. 3. Würde die Landesregierung es begrüßen, wenn das Polizeipräsidium Dortmund Ausschreibungen für den Polizeiberuf in Zukunft noch in weiteren ausländischen Sprachen (z.B. Arabisch, Chinesisch oder Russisch) verfassen würde? Durch Nachfrage beim PP Dortmund hat sich bestätigt, dass es sich um eine Einladung zu einer Informationsveranstaltung und nicht um eine „Stellenanzeige“ handelte. Es würde jedenfalls sicher nicht von der Landesregierung beanstandet, wenn es in Dortmund im Rahmen der örtlichen Personalwerbung z.B. aufgrund einer großen Gruppe arabischstämmiger Mitbürger der Stadt für sinnvoll gehalten würde, auch dort gezielt in deren Landessprache die sekundäre Zielgruppe der Eltern und Angehörigen anzusprechen. 4. Für wie wahrscheinlich hält es die Landesregierung, dass Interessenten für den Polizeiberuf, die nicht in der Lage sind, eine in deutsche Sprache verfasste Stellenanzeige zu verstehen, ein dreijähriges Bachelor-studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV) im Fachbereich Polizeivollzugsdienst erfolgreich absolvieren werden? Es handelte sich wie bereits dargestellt um eine Einladung zu einer Informationsveranstaltung und nicht um eine „Stellenanzeige“. Ziel dieser örtlichen Werbeveranstaltung war die sekundäre Zielgruppe, d.h. die Eltern und Angehörigen der potentiellen Bewerberinnen und Bewerber, die großen Einfluss auf deren Berufswahlentscheidung haben. 5. Hält die Landesregierung es ganz allgemein für ein Zeichen gelungener Integra- tion, wenn in ausländischer Sprache für Stellen im öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen geworben wird? Die sekundäre Zielgruppe der Eltern und Angehörigen türkischstämmiger potentieller Bewerberinnen und Bewerber für den Polizeiberuf verfügt (bedauerlicherweise) nicht immer über ausreichende Deutschkenntnisse, um z.B. auch Druckmedien in deutscher Sprache zu verstehen . Dabei ist auch jeweils zu berücksichtigen, wie kurz oder lange sich diese Generation in Deutschland befindet. Da Eltern und Angehörige jedoch auf die Berufswahlentscheidung ihrer Kinder einen starken Einfluss haben, sind sie für polizeiliche Werbemaßnahmen relevant. Daher kann es angezeigt sein, diese Eltern und Angehörigen in ihrer Herkunftssprache anzusprechen; hierfür sind z.B. Berichte in türkischen Zeitungen oder diese Einladung in türkischer Sprache zu einer Informationsveranstaltung durchaus geeignete Mittel.