LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2491 26.03.2013 Datum des Originals: 26.03.2013/Ausgegeben: 28.03.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 929 vom25. Februar 2013 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/2191 Welche Lücke reißen die fehlenden Rechtsreferendarinnen und -referendare? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 929 mit Schreiben vom 26. März 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Amtsanwältinnen und Amtsanwälte weisen mit einer stellenbasierten Belastungsquote von 136,28% (Stand: III. Quartal 2012) und einer personalverwendungsbasierten Belastungsquote von 156,64% (Stand: III. Quartal 2012) im Vergleich der Laufbahnen an den Gerichten und Staatsanwaltschaften die höchste Belastung auf. Insoweit war eine erfolgte personelle Verstärkung des Amtsanwaltsdienstes erforderlich. Gemäß § 142 Absatz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes kann Referendaren unter anderem die Wahrnehmung der Aufgaben eines Amtsanwalts übertragen werden. In der Praxis gehört die Übernahme der Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft vor dem Straf- und dem Jugendrichter an den Amtsgerichten zu den Hauptaufgaben der Rechtsreferendarinnen und - referendare in der Strafstation. Die Zahl der Rechtsreferendarinnen und -referendare ist indes seit 2009 stark rückläufig (01.01.2009: 5.137, 01.01.2010: 4.689, 01.01.2011: 4.366, 01.01.2012: 3.790). Vorbemerkung der Landesregierung Rechtsreferendarinnen und -referendare werden nicht in den Vorbereitungsdienst eingestellt, um die Arbeitsbelastung im staatsanwaltschaftlichen und amtsanwaltschaftlichen Dienst zu reduzieren. Vielmehr dient der juristische Vorbereitungsdienst allein Ausbildungszwecken. Der Landesgesetzgeber hat dies in § 39 Abs. 5 JAG NRW wie folgt formuliert: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2491 2 "Das Ziel der Ausbildung, nicht die Nutzbarmachung der Arbeitskraft, bestimmt Maß und Art der den Referendarinnen und Referendaren zu übertragenden Aufgaben ". Von einem Rückgang der Referendarzahlen kann nicht auf eine höhere Belastung der Justiz geschlossen werden. Zwar nehmen Referendarinnen und Referendare in gewissem Umfang eigenverantwortlich Sitzungsvertretungen wahr. Zugleich binden die Referendarinnen und Referendare aber auch erhebliche Ausbildungskapazitäten. § 41 Abs. 2 JAG NRW sieht vor, dass zur Ausbildung in der Praxis nur herangezogen werden darf, wer die Gewähr dafür bietet , dass er die Referendarin oder den Referendar in der Praxis gründlich anleiten kann. Dazu gehört in der Ausbildungsstation bei der Staatsanwaltschaft, dass die zu bearbeitenden Sachen mit den Ausbilderinnen und Ausbildern vorbesprochen werden. Ferner sind gem. § 42 Abs. 1 JAG NRW alle bearbeiteten Sachen mit den Referendarinnen und Referendaren alsbald zu erörtern. Dabei ist auf Vorzüge und Mängel in Form, Inhalt und verfahrensmäßiger Durchführung hinzuweisen. Im Ergebnis zieht daher ein Rückgang der Referendarzahlen nicht nur Belastungs-, sondern auch Entlastungseffekte nach sich. 1. Wie viele Rechtsreferendarinnen und -referendare sind seit 2010 bis heute in NRW jeden Monat jeweils in den Referendardienst eingetreten ? Aus der folgenden Auflistung ergibt sich die Zahl der eingestellten Rechtsreferendarinnen und -referendare ab dem 1.1.2010: Einstellungsdatum Zahl der Einstellungen 01.01.2010 148 01.02.2010 137 01.03.2010 116 01.04.2010 165 01.05.2010 136 01.06.2010 137 01.07.2010 159 01.08.2010 109 01.09.2010 148 01.10.2010 188 01.11.2010 175 01.12.2010 124 1742 01.01.2011 165 01.02.2011 111 01.03.2011 117 01.04.2011 165 01.05.2011 117 01.06.2011 106 01.07.2011 115 01.08.2011 131 01.09.2011 129 01.10.2011 183 01.11.2011 129 01.12.2011 136 1604 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2491 3 01.01.2012 142 01.02.2012 119 01.03.2012 125 01.04.2012 164 01.05.2012 125 01.06.2012 101 01.07.2012 118 01.08.2012 127 01.09.2012 122 01.10.2012 184 01.11.2012 138 01.12.2012 143 1608 01.01.2013 129 01.02.2013 98 2. Wie viele Sitzungsvertretungen der Staatsanwaltschaft vor dem Straf- oder dem Jugendrichter an den Amtsgerichten in NRW nehmen Rechtsreferendarinnen und -referendare durchschnittlich bzw. in der Regel während ihrer dreimonatigen Strafstation wahr? Die Antworten der beteiligten Generalstaatsanwaltschaften ergeben ein uneinheitliches Bild. Die Spanne reicht von etwa 4 bis etwa 10 Sitzungsvertretungen während der dreimonatigen Ausbildungsstation bei der Staatsanwaltschaft. Der Landesdurchschnitt dürfte bei rund 7 Sitzungsvertretungen liegen. 3. Wie vielen amtsanwaltlichen Pensen entspricht die aus den Fragen 1) und 2) zu errechnende Größenordnung der in den Jahren 2010 bis 2012 jeweils durch Rechtsreferendarinnen und -referendare übernommenen Sitzungsvertretungen der Staatsanwaltschaft vor dem Straf- und dem Jugendrichter an den Amtsgerichten in NRW? In folgendem Umfang erfolgte in amtsanwaltlichen Verfahren in den Jahren 2010 bis 2012 die eigenverantwortliche Wahrnehmung von Sitzungsdienst durch Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare: Jahr 2010: 17,86 Pensen Jahr 2011: 16,65 Pensen Jahr 2012: 17,36 Pensen. 4. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung zur Kompensation des starken Rückgangs der Zahl der Rechtsreferendarinnen und -referendare in Bezug auf die Sitzungsvertretungen der Staatsanwaltschaft vor dem Straf- und dem Jugendrichter an den Amtsgerichten in NRW? Zur Verbesserung der Belastungssituation soll der Amtsanwaltsdienst um 50 Bedienstete verstärkt werden. Zu diesem Zweck sind in den Jahren 2011 und 2012 insgesamt 50 zusätz- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2491 4 liche Einstellungsermächtigungen für Rechtspflegeranwärterinnen und Rechtspflegeranwärter etatisiert worden. Zur Übernahme der geprüften Anwärterinnen und Anwärter sollen in den Jahren 2014 bzw. 2015 in entsprechendem Umfang Planstellen des Amtsanwaltsdienstes eingerichtet werden. 5. Inwieweit besteht in anderen Bundesländern oder in NRW die Möglichkeit oder Überlegung, dass sich in der Strafrechtsstation als Sitzungsvertreter bewährte Rechtsreferendarinnen und -referendare auch danach bis zum Abschluss des Referendariats nebenamtliche Sitzungsvertretungen gegen gesonderte Vergütung durchführen? Die Frage, ob Rechtsreferendarinnen und -referendaren im Rahmen einer nebenamtlichen Sitzungsvertretung nach Abschluss der Strafstation eingesetzt werden sollen, ist in Nordrhein -Westfalen gründlich geprüft worden. Im Ergebnis hat sich das Justizministerium gegen ein solches Modell entschieden, um den im Vordergrund stehenden Ausbildungszweck des Vorbereitungsdienstes nicht zu gefährden. Nach den Erfahrungen aus anderen Bundesländern drängt sich ein solches Modell auch nicht auf. Nach den vorliegenden Erkenntnissen wird lediglich in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und dem Saarland entsprechend verfahren. In Rheinland-Pfalz haben in den letzten Jahren nur zwischen 6 und 11 Referendarinnen und Referendare von der Regelung Gebrauch gemacht. Hessen und Sachsen -Anhalt ermöglichen den Referendaren zwar ebenfalls Sitzungsvertretungen nach Abschluss der Strafstation, gewähren aber hierfür keine Vergütung. In der Folge wird von dieser Möglichkeit nur äußerst selten Gebrauch gemacht.