LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2492 26.03.2013 Datum des Originals: 26.03.2013/Ausgegeben: 28.03.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 917 vom 20. Februar 2013 des Abgeordneten Kai Abruszat FDP Drucksache 16/2167 Rekommunalisierung der Energieversorgung in OWL – wie beurteilt die Landesregierung die aktuellen Entwicklungen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 917 mit Schreiben vom 26. März 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft , Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt , Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Regierungsbezirk Detmold plant der Energiekonzern E.ON seinen Ausstieg aus dem Stromnetzbetrieb. Diskutiert wird derzeit eine sogenannte (Re-)Kommunalisierungslösung. Subsidiarität und Dezentralität und die durch einen regionalen Ansatz einzubindenden Akteure vor Ort bilden wesentliche Eckpfeiler bei der Umsetzung der Energiewende. Versorgungssicherheit, Arbeitsplatzerhalt und Einflussnahme der kommunalen Familie auf die Energieversorgung der Bürgerinnen und Bürger sind dabei wesentliche Antriebsfedern der bisherigen kommunalen Aktionäre. Demgegenüber stehen die Erwartungen der staatlich getragenen Bundesnetzagentur, mittelfristig Investitionsvolumina in zweistelliger Milliardenhöhe für die deutschen Stromnetze aufzuwenden , um die Ziele der Energiewende umzusetzen. Zugleich wird im Hinblick auf die staatlich regulierten Netzentgelte von garantierten, aber eben auch geringen Renditen ausgegangen . Ausweislich diverser Medienberichte, unter anderem der NRW-Ausgabe der Welt am Sonntag vom 17. Februar 2013, ist vorgesehen, dass der künftige Netzbetreiber und die auf diesen fallenden Investitionen mit öffentlichem Geld finanziert werden soll. Während der über- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2492 2 wiegende Teil (90%) sich aus der zu erwartenden Rendite finanzieren soll, steht in Rede, dass ein kleinerer Teil (10%) von der kommunalen Familie als Eigenkapital zu erbringen ist. Angesichts der Situation der kommunalen Finanzen ist vor diesem Hintergrund Sorgfalt geboten . Zugleich stellt sich die Frage, ob und inwieweit vor dem Hintergrund auslaufender Konzessionsverträge bei der beabsichtigten Rekommunalisierung der lokalen Versorgungsinfrastruktur kartell- und energierechtliche Vorgaben zu beachten sind. 1. Wie beurteilt die Landesregierung unter kommunalaufsichtsrechtlichen Aspek- ten den Sachverhalt, wenn sich Kommunen in schwieriger Finanzlage (zum Beispiel Kommunen mit Haushaltssicherungskonzepten, Nothaushaltssituationen oder Stärkungspakt-kommunen) bei dem in der Vorbemerkung dargestellten Rekommunalisierungsprojekt engagieren wollen und einen 10-prozentigen Eigenanteil aus Eigenkapital einbringen müssen? Es ist davon auszugehen, dass der angesprochene Sachverhalt ein Anzeigeverfahren nach § 115 GO NRW (anzeigepflichtig sind u.a. die Gründung einer und die Beteiligung an einer Gesellschaft) erfordert. Bei dem thematisierten Sachverhalt handelt es sich um eine energiewirtschaftliche Betätigung nach § 107 a GO NRW. Allgemeine rechtliche Voraussetzung für eine solche energiewirtschaftliche Betätigung ist die Leistungsfähigkeit der Gemeinde. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist in einem gemeindewirtschaftsrechtlichen Anzeigeverfahren von der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde zu prüfen. Von Bedeutung ist auch, ob es sich um eine unmittelbare oder eine mittelbare Beteiligung der jeweiligen Gemeinde handelt. Eine abschließende Bewertung kann erst in dem entsprechenden gemeindewirtschaftsrechtlichen Anzeigeverfahren erfolgen. Bisher sind keine förmlichen gemeindewirtschaftsrechtlichen Anzeigeverfahren eingeleitet worden. 2. Hält die Landesregierung allgemein die prognostizierten prozentualen Renditen, die aus den staatlich regulierten Netzentgelten entstehen, für ausreichend, um die Rekommunalisierung als solche vor dem Hintergrund der von der staatlichen Bundesnetzagentur deutschlandweit prognostizierten Investitionen zur Gestaltung der Energiewende kommunalaufsichtsrechtlich als genehmigungsfähig einzustufen ? Soweit in der Fragestellung auf eine "Genehmigungsfähigkeit" abgestellt wird, ist darauf hinzuweisen , dass hier lediglich Anzeige- und nicht Genehmigungsverfahren im Raume stehen. Im Rahmen eines Anzeigeverfahrens ist lediglich das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen zu prüfen. Wesentliches Prüfkriterium ist hierbei die Leistungsfähigkeit der Gemeinde . Wie bereits in der Beantwortung der Kleinen Anfrage 716 (LT-Drs. 16/1772 zu Frage 5) dargelegt wird, ist es nicht Aufgabe der Kommunalaufsicht, die nachhaltige Wirtschaftlichkeit bzw. die wirtschaftliche Erfolgsträchtigkeit einer energiewirtschaftlichen Betätigung zu beurteilen . Dies obliegt im Rahmen der verfassungsrechtlich verbürgten kommunalen Selbstverwaltung , die auch eine kommunale Selbstverantwortung beinhaltet, der Bewertung durch die betroffene kommunale Gebietskörperschaft. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2492 3 3. Gibt es in der Landesregierung im Hinblick auf die kommunalaufsichtsrechtliche Behandlung dieses Themenkomplexes vor dem Hintergrund der Tatsache, dass neben Kommunen aus dem Regierungsbezirk Detmold auch zahlreiche Kommunen aus dem niedersächsischen Umfeld gleichgelagert betroffen sind, eine bundeslandübergreifende und abgestimmte Beratungs- und Genehmigungspraxis? Eine einheitliche kommunalaufsichtliche Vorgehensweise kann es nicht geben, da die rechtlichen Regelungen in den Ländern unterschiedlich sind. Gleichwohl beabsichtigt die in NRW zuständige Kommunalaufsichtsbehörde, sich im Rahmen des rechtlich Möglichen mit den betroffenen niedersächsischen Kommunalaufsichtsbehörden abzustimmen. 4. Ist es zutreffend, dass der Bezirksregierung Detmold – wie die Welt am Sonntag in ihrem Bericht am 17. Februar 2013 behauptet – „alle relevanten Unterlagen“ zur Beurteilung dieses Rechtsgeschäfts bereits vollumfänglich vorliegen? Es sind noch keine gemeindewirtschaftsrechtlichen Anzeigeverfahren eingeleitet worden. Im Rahmen eines Anzeigeverfahrens nach § 115 GO NRW obliegt es der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde , zu entscheiden, ob die vorgelegten Unterlagen vollständig sind. 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Bestrebungen in OWL zur Rekommunali- sierung im Hinblick auf kartell- und energierechtliche Fragestellungen, zum Beispiel vor dem Hintergrund aktueller Entscheidungen aus Ende 2012 des Bundeskartellamtes zur Kreisstadt Mettmann und des OLG Schleswig-Holstein zur Stadt Heiligenhafen? Die Übernahme des Stromnetzbetriebes der E.ON Energie AG und der E.ON Westfalen Weser AG durch kommunale Aktionäre ist grundsätzlich aus kartell- und energierechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Aufgrund der Rechtslage und vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung zu der Konzessionsvergabe z.B. an kommunale Netzgesellschaften oder Stadtwerke ist sowohl die Neugründung von kommunalen Unternehmen zur Netzübernahme als auch die Vergabe von Wegerecht an bereits bestehende kommunale Unternehmen, wie z.B. Stadtwerke, möglich. Bei der Konzessionsvergabe zur Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die der unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern mit Elektrizität im Gemeindegebiet dienen, haben die Kommunen europäisches Primärrecht zur Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens und die Vorgaben des § 46 EnWG zu beachten. Im Fall eines bereits bestehenden Stadtwerks kann dieses sich wie alle anderen Interessenten um die Wegerechte bewerben. Auch die Neugründung einer Netzgesellschaft oder eines Stadtwerks, das sich dann um die Konzession bewirbt (sog. 2-stufige Verfahren), ist zulässig . Allerdings ist eine Vorfestlegung auf oder Bevorzugung des kommunalen Unternehmens oder eines Unternehmens, an dem die Kommune beteiligt ist, ist auf jeden Fall zu vermeiden . Die Kommunen können bei der Vergabe der Wegerechte gemäß dem aus Art. 28 GG folgenden Recht auf kommunale Selbstverwaltung kommunal(wirtschaftlich)e Interessen gemäß der aktuellen Rechtsprechung in zweiter Linie - nach den Zielen des § 1 EnWG - berücksichtigen . Die kommunale Selbstverwaltung verschafft ihnen aber keine rechtliche Sonderstellung . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2492 4 Soweit sich die Kommunen in dem Verfahren zur Einräumung der Wegerechte an die rechtlichen Vorgaben und die Rahmenbedingungen halten, die die Rechtsprechung aufgezeigt hat, d.h. ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren, primär orientiert an den Zielen des § 1 EnWG ohne unzulässige Vorfestlegungen oder Bevorzugungen, durchführen, bestehen grundsätzlich aus kartell- und wettbewerbsrechtlichen Gründen keine Bedenken gegen die Konzessionsvergabe an kommunale Unternehmen oder Unternehmen, an denen Kommunen beteiligt sind.