LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2512 27.03.2013 Datum des Originals: 27.03.2013/Ausgegeben: 02.04.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 906 vom 19. Februar 2013 der Abgeordneten Henning Höne, Karlheinz Busen und Dietmar Brockes FDP Drucksache 16/2149 Verbandsklagerechte als zusätzliche Einnahmequellen für den NABU? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 906 mit Schreiben vom 27. März 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In Hessen herrscht Unmut über den Naturschutzbund (NABU). Der dortige Landesverband des NABU hatte Klage gegen einen Bürgerwindpark eingereicht und fünf der sieben Windkraftanlagen wurden – trotz vorliegender Genehmigungen – im laufenden Betrieb kurzerhand stillgelegt. Nach Medienberichten wurden dadurch Verluste von rund einer Million Euro verursacht . Erst nach einer Zahlung von 500.000 Euro in eine Stiftung, die durch den NABU verwaltet wird, hat dieser seine Klage zurückgezogen. Danach erst konnten die Windanlagen den Betrieb wieder aufnehmen. Betreiber und potenzielle Investoren von Windenergieanlagen sind deshalb verunsichert und fürchten bundesweite Nachahmungen. „Es kann nicht sein, dass der NABU systematisch mit Klagedrohungen Zahlungen erwirkt“, sagt Horst Meixner, Geschäftsführer der HessenEnergie in der Berliner Zeitung (BZ) vom 16. Februar 2013. Während der Landesverband des NABU in Hessen den Vorfall als „sinnvolle Einzelfalllösung“ (BZ, 16. Februar 2013) beschreibt äußert sich der Kreisvorsitzende des NABU in Werra-Meißner: „Wir wollen erreichen , dass etwa eine halbe Million Euro pro kleinem Windpark in eine Umweltstiftung fließen. Dafür werden wir dann auf Klagen verzichten“ (BZ, 16. Februar 2013). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2512 2 Nach Medienberichten sei der skizzierte Fall kein Einzelfall und der ehemalige Chef des Bundesverbandes Erneuerbarer Energien, Johannes Lackmann, spricht von erpresserischem Verhalten und erwägt Strafanzeige gegen den NABU. Die Energiewende kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten an der Sache orientiert arbeiten. Der NABU ist einer der finanziell am besten ausgestatteten Umweltverbände und darf durch derartige Klagedrohungen keine Möglichkeit erhalten zusätzliche Einnahmen für sich zu generieren . Durch das Klagerecht des NABU können wichtige Projekte, die zum Gelingen der Energiewende schnell umgesetzt werden müssen, über Jahre hinweg verzögert werden. Deshalb ist sicherzustellen, dass die Umweltverbände sorgsam und verantwortungsvoll mit dem ihnen gewährten Klagerecht umgehen und nicht monetäre Interessen des Verbandes ursächlich für Klagedrohungen sind. Ein solches Vorgehen wäre verantwortungslos, kontraproduktiv und schädlich für die Energiewende. Vorbemerkung der Landesregierung Der Landesregierung sind Fälle, die den in der Kleinen Anfrage geschilderten vergleichbar sind, in Nordrhein-Westfalen nicht bekannt. 1. Hat die Landesregierung mit dem nordrhein-westfälischen Naturschutzbund das Gespräch gesucht und die hessischen Vorgänge mit Blick auf das Verhalten des Landesverbandes in NRW erörtert? Zu einem entsprechenden Gespräch bestand kein Anlass (siehe Vorbemerkung). 2. Welche Erkenntnisse zieht die Landesregierung aus den Vorgängen in Hessen und einem möglichen Gespräch mit dem NABU NRW für das Gelingen der Energiewende ? Entscheidend für die erfolgreiche Installation von Windenergieanlagen ist eine sorgfältige und rechtssichere Durchführung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die fehlerfreie Durchführung der Verfahren nimmt Klagen und entsprechenden Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz die Erfolgsaussicht. Mit dem Windenergieerlass hat Nordrhein-Westfalen den für die Verfahren zuständigen Stellen eine Handreichung für die korrekte Verfahrensabwicklung gegeben. Nordrhein-Westfalen beabsichtigt zudem, anders als Hessen, keine Raumordnung mit Vorranggebieten mit Ausschlusswirkung. 3. Sind in der Landesregierung ähnliche Fälle in Nordrhein-Westfalen bekannt? siehe Vorbemerkung 4. Wie bewertet die Landesregierung die geschilderten Geschehnisse in Hessen vor dem Hintergrund der politisch und gesellschaftlich gewollten Energiewende? Die Landesregierung enthält sich der Bewertung von Vorgängen in anderen Bundesländern. Der Erfolg der Energiewende wird nicht in Abhängigkeit von Verfahrensrechten von Verbänden gesehen, sondern vielmehr in Abhängigkeit vom Inhalt von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie den übrigen gesetzlichen Rahmenbedingungen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2512 3 5. Welche möglichen Gefahren sieht die Landesregierung durch zusätzliche Verbandsklagerechte (Tierschutzverbände) und deren möglichen Missbrauch in Nordrhein-Westfalen? Im Landtag NRW wird derzeit der Entwurf der Landesregierung für ein Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine beraten (LT-Drs.16/177). Der Gesetzentwurf sieht auch die Einführung eines Verbandsklagerechts für anerkannte Tierschutzvereine in NRW vor. Befürchtungen, ein Verbandsklagerecht im Bereich des Tierschutzes berge ein Missbrauchspotential oder würde zu einer Klageflut führen, teilt die Landesregierung nicht. In einer Sachverständigenanhörung im Landtag NRW zu diesem Vorhaben am 20.02.2013 haben Vertreter der Tierschutzorganisationen explizit darauf verwiesen, dass angesichts des Prozessrisikos und der damit verbundenen Kosten eine Klageerhebung für einen anerkannten Verein nur als „ultima ratio“ in Betracht komme. Auch ein finanziell gut ausgestatteter Tierschutzverein wird daher den Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf die Mitwirkungsrechte im Vorfeld behördlicher Entscheidungen richten. Hinzuweisen ist im Übrigen auf die seit einigen Jahren rückläufige Zahl der umwelt- und naturschutzrechtlichen Verbandsklagen. Verbandsklagen haben mit 42,5 % zudem eine vierfach höhere Erfolgsquote als andere verwaltungsgerichtliche Klagen. Dies zeigt, dass die Verbände aufgrund beschränkter personeller und finanzieller Ressourcen sorgfältig abwägen , in welchen Fällen eine Klage erfolgversprechend ist.