LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2540 05.04.2013 Datum des Originals: 04.04.2013/Ausgegeben: 10.04.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 902 vom 14. Februar 2013 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/2085 Welche Fristen gelten bei Entschädigungsansprüchen aus Bergschäden an privaten Abwasserkanälen? Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 902 mit Schreiben vom 4. April 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt , Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Während zum jetzigen Zeitpunkt eine Neuregelung des Landeswassergesetzes in Bezug auf die Verpflichtung zur Durchführung von Dichtheitsprüfungen bei privaten Abwasseranlagen noch aussteht, sind zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in aktuellen bzw. ehemaligen Kohleabbaugebieten in Nordrhein-Westfalen über das mögliche Bestehen von Entschädigungsansprüchen bei Bergschäden an ihren privaten Abwasserkanälen verunsichert. In „Der Westen“ vom 29. November 2011 wird unter dem Titel „Kanäle auf Bergschäden prüfen “ berichtet, dass „grundsätzlich [..] für Bergschäden Verjährungsfristen von 30 Jahren [gelten].“ In dem Artikel heißt es weiter: „Die Beweislast liegt zunächst einmal beim Betroffenen . Die Grundstückseigentümer, deren Kanäle betroffen sein könnten, müssten also selbst die Schäden dokumentieren. […]“ Die Eigentümer müssten – ausweislich dieses Berichtes – dringend handeln. Zahlreiche Städte und Gemeinden haben in Hinblick auf die unklare Rechtslage im Zusammenhang mit dem Landeswassergesetz allerdings ihre Informationsbemühungen in Hinblick auf die Dichtheitsprüfung deutlich reduziert und warten die neuerliche Gesetzgebung ab. Da den Kommunen in Nordrhein-Westfalen aber schon nach heutiger Rechtlage eine Beratungspflicht gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern obliegt, ist es für die Betroffenen von Bedeutung zu erfahren, welchen Städten und Gemeinden eine besondere Beratungspflicht im Zusammenhang mit möglichen Bergschäden an privaten Abwasseranlagen zukommt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2540 2 Vorbemerkung der Landesregierung Bei der Beantwortung wird davon ausgegangen, dass sich die Kleine Anfrage auf den ehemaligen und heutigen Steinkohleabbau bezieht. Denn in der Kleinen Anfrage wird Bezug genommen auf den Presseartikel in „Der Westen“ vom 29.11.2011, der den Steinkohlebergbau betrifft. 1. Welche Städte und Gemeinden in NRW sind potentiell von Bergschäden durch aktuelle oder ehemalige Kohleabbaugebiete betroffen? In Nordrhein-Westfalen gibt es drei Reviere, in denen Steinkohlenbergbau teilweise bereits seit dem vorletzten Jahrhundert betrieben wurde und zum Teil heute noch betrieben wird (Ruhr, Aachen und Ibbenbüren). Die von möglichen Einwirkungen des stillgelegten oder noch aktiven Steinkohlenbergbaus seinerzeit bzw. heute noch betroffenen Städte und Gemeinden sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Ein Teil der aufgeführten Städte und Gemeinden ist nur äußerst randlich von bergbaulichen Einwirkungen betroffen (z.B. Hünxe). In anderen Bereichen (südliches und mittleres Ruhrrevier und Teile des Aachener Reviers) ist der Abbau seit vielen Jahrzehnten beendet. Ruhrrevier Ibbenbürener Revier Aachener Revier Ahlen Hünxe Ibbenbüren Alsdorf Alpen Issum Mettingen Baesweiler Ascheberg Kamen Westerkappeln Erkelenz Beckum Kamp-Lintfort Herzogenrath Bergkamen Kempen Hückelhoven Bochum Krefeld Wassenberg Bönen Lünen Würselen Bottrop Marl Castrop-Rauxel Moers Datteln Mülheim a. d. Ruhr Dinslaken Neukirchen-Vluyn Dorsten Oberhausen Dortmund Oer-Erkenschwick Duisburg Recke Essen Recklinghausen Fröndenberg Rheinberg Gelsenkirchen Rheurdt Gladbeck Selm Hagen Sprockhövel Haltern am See Unna Hamm Velbert Hattingen Voerde Herdecke Waltrop Herne Werne Herten Wetter Holzwickede Witten LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2540 3 2. Welche Verjährungsfristen gelten für Ansprüche aus Bergschäden an privaten Abwasseranlagen? Nach § 117 Absatz 2 Bundesberggesetz (BBergG) finden auf die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz eines Bergschadens die Vorschriften des Abschnitts 5 des Buches 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 194 ff. BGB) entsprechende Anwendung. Diese gelten auch für Ansprüche aus Bergschäden an privaten Abwasseranlagen. Danach beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre ab Ende des Jahres, in dem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und Verursacher erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis verjähren Schadensersatzansprüche an privaten Abwasseranlagen zehn Jahre nach Eintritt des Schadens bzw. 30 Jahre nach dem den Schaden auslösenden Ereignis. Daneben sind § 170a BBergG, der die Anwendbarkeit der Überleitungsvorschrift zum Verjährungsrecht nach dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 regelt, und § 170 BBergG, der die Anwendung der vor Inkrafttreten des BBergG geltenden Vorschriften auf ausschließlich vor Inkrafttreten des BBergG verursachte Schäden regelt, zu beachten. 3. Müssen Grundstückseigentümer in Kohleabbaugebieten zeitnah eine Dichtheits- prüfung ihrer privaten Abwasseranlagen durchführen, um Entschädigungsansprüche gegenüber den Bergbauunternehmen zu wahren? Nach den Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes ist derjenige, der eine Abwasseranlage betreibt, für die Dichtheit dieser Abwasseranlage verantwortlich. Etwaige Fristen für die Durchführung einer Zustands- und Funktionsprüfung privater Abwasserleitungen werden zukünftig auf der Grundlage des § 61 Landeswassergesetz in einer Rechtsverordnung geregelt werden. Sie können sich jedoch auch aus Satzungsregelungen der Gemeinden ergeben. Will der Eigentümer das Vorhandensein eines Schadens sicher ausschließen, ist eine Untersuchung sinnvoll. Die Durchführung der Untersuchung innerhalb einer bestimmten Frist ist jedoch nicht Voraussetzung für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs gegenüber einem Bergbauunternehmen. Ob die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen, um etwaige Entschädigungsansprüche von Grundstückseigentümern gegenüber dem Bergbauunternehmen bei privaten Abwasseranlagen zu wahren und ob eine Verjährung eingetreten ist, sind vielmehr Fragen, die grundsätzlich für jeden Einzelfall individuell zu beantworten sind. Eine zeitnahe Prüfung der Zustands- und Funktionsprüfung ist in diesem Zusammenhang sinnvoll. 4. Ist es aus Sicht der Landesregierung sinnvoll, dass Kommunen in aktuellen oder ehemaligen Kohleabbaugebieten in ihren kommunalen Satzungen gesonderte Prüffristen für die Dichtheitsprüfung vorsehen? Der Landesgesetzgeber hat den Kommunen die rechtlichen Möglichkeiten gegeben, durch Satzungen den jeweils spätesten Zeitpunkt der Überprüfung privater Kanäle festzulegen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2540 4 Grundsätzlich ist es ratsam, Kanäle und Abwasserleitungen auf verdeckte Schäden zu untersuchen . Nur wenn Schäden erkannt werden, können sie auch geltend gemacht werden. Es steht mithin im Ermessen der Kommunen, aus solchen Gründen frühere Prüffristen festzulegen . Wenn es im Bereich aktueller oder ehemaliger Kohleabbaugebiete zu Schäden sowohl an öffentlichen Kanälen als auch an privaten Abwasserleitungen kommt, hilft den Betroffenen auch die Regelung zur Bergschadensvermutung weiter. Wenn die Voraussetzungen des § 120 BBergG vorliegen, wird vermutet, dass es sich bei einem Schaden um einen Bergschaden handelt. 5. Die RAG AG hat sich verpflichtet, die Bergschadensvermutung gem. § 120 BBergG für das Bergwerk „Prosper-Haniel“ auf einen größeren Betrachtungsraum um den sogenannten Einwirkungsbereich auszudehnen. Für welche anderen Bergwerke laufen derzeit vergleichbare Untersuchungen? Der Vorstand der RAG AG hat verbindlich zugesichert, die Grundstückseigentümer im erweiterten Betrachtungsraum für das Bergwerk Prosper Haniel rechtlich so zu stellen, als läge ihr Grundstück innerhalb des prognostizierten Einwirkungsbereichs. Auch Eigentümer im erweiterten Betrachtungsraum können sich auf die Bergschadensvermutung gemäß § 120 BBergG berufen. Nach Aussage des für das Bergwerk Prosper-Haniel vorliegenden Gutachtens zur Analyse dort festgestellter Senkungserscheinungen außerhalb des auf der Grundlage der Bergverordnung über Einwirkungsbereiche (Einwirkungsbereichs-Bergverordnung - EinwirkungsBergV ) festgelegten und im 2001 zugelassenen Rahmenbetriebsplan dargestellten Einwirkungsbereichs wäre eine Übertragung der Erkenntnisse auf andere Bergwerke spekulativ. Daher hat die Bezirksregierung Arnsberg die RAG AG aufgefordert, auch für die anderen in Betrieb befindlichen und für die in der jüngeren Zeit stillgelegten Steinkohlenbergwerke durch die Vorlage aussagekräftiger Unterlagen darzulegen, ob und ggf. in welchem Umfang außerhalb des im jeweiligen Rahmenbetriebsplan dargestellten prognostizierten Einwirkungsbereichs bergbaubedingte Senkungen eingetreten sind bzw. ob dieses mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Die Untersuchungsergebnisse zu den in Betrieb befindlichen Steinkohlenbergwerken einschließlich des inzwischen geschlossenen Bergwerks West hat die RAG AG anlässlich der Sitzung des Unterausschusses Bergbausicherheit im Landtag am 23.11.2012 vorgestellt und anschließend der Bezirksregierung Arnsberg übergeben. Für die stillgelegten Steinkohlenbergwerke Lippe, Lohberg, Ost und Walsum laufen derzeit entsprechende Untersuchungen. Im Bereich anderer untertägiger Bergwerke in Nordrhein-Westfalen sind der Bezirksregierung Arnsberg keine Ergebnisse von Höhenmessungen bekannt, die auf eine von den prognostizierten Einwirkungsbereichen abweichende Senkungsentwicklung hindeuten.