LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2609 15.04.2013 Datum des Originals: 15.04.2013/Ausgegeben: 18.04.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 970 vom 13. März 2013 der Abgeordneten Susanne Schneider und Dirk Wedel FDP Drucksache 16/2323 Anonyme Spurensicherung Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 970 mit Schreiben vom 15. April 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Dass sich Opfer von Sexualdelikten in einer physisch wie psychisch schwierigen Situation befinden, ist unbestritten. Oft ist die Entscheidung über eine Strafanzeige aufgrund der persönlichen Lage oder aufgrund von Ängsten und Schamgefühlen den Opfern nicht direkt möglich . Sie benötigen Zeit zur eigenen Besinnung. Zwar ist hinsichtlich der Verjährungsfristen der Zeitaspekt nicht ganz so entscheidend, aber die Beweisführung baut auf einer tatnahen Spurensicherung auf. Aus diesem Grunde wurde das Instrument der anonymen Spurensicherung entwickelt und wird in einigen Kommunen auch bereits durchgeführt. So werden beispielsweise in Köln Tatspuren von Krankenhäusern unter Chiffrenummern an das Rechtsmedizinische Institut der Universität zu Köln weitergeleitet, ohne dass die Polizei hiervon etwas erfährt. Dies ist insbesondere wichtig, da es sich beispielsweise bei Vergewaltigungen um sog. Offizialdelikte handelt, die von Amt wegen zu verfolgen sind und somit kein Strafantrag von Seiten des Opfers gestellt werden muss. Bisher ist das Verfahren der anonymen Spurensicherung nicht geregelt, was insbesondere Probleme bei der Kostentragung mit sich bringt. So können Kosten der Opferversorgung und Spurensicherung gerade in diesem Fall nicht von den Krankenkassen übernommen werden, ohne dass hierzu die Anonymität des Opfers aufgehoben werden müsste. Insoweit liegt die Kostentragung derzeit entweder beim Opfer selbst oder bei den einschlägigen Hilfsorganisationen . Auch eine flächendeckende Möglichkeit der anonymen Spurensicherung ist in Nordrhein -Westfalen aus diesem Grunde nicht gegeben. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2609 2 Wie der Bonner Rundschau vom 31. Januar 2013 (http://www.rundschauonline .de/bonn/arbeitskreis-opferschutz---land-soll-anonyme-spurensicherung-finanzieren- ,15185502,21609460.html) entnommen werden konnte, liegt der Landesregierung ein entsprechender Antrag des Arbeitskreises Opferschutz Bonn/Rhein-Sieg zum Thema „anonyme Spurensicherung“ vor, der sich mit der Problematik befasst. 1. Inwieweit befasst sich die Landesregierung, auch unter Bezugnahme auf den genannten Antrag des Arbeitskreises Opferschutz Bonn/Rhein-Sieg zur anonymen Spurensicherung, mit der Thematik? Nach den Erfahrungen der Frauenhilfeeinrichtungen sind von Gewalt betroffene Frauen häufig außerstande, nach der Tat über das Erlebte zu berichten und diese zur Anzeige zu bringen . Damit vorhandene Tatspuren bei einer späteren Strafanzeige noch zur Verfügung stehen , müssen diese umgehend nach der Tat gesichert werden. Deshalb strebt die Landesregierung auf der Basis des zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen geschlossenen Koalitionsvertrages 2012 - 2017 ein bedarfsgerechtes Angebot zur anonymen Spurensicherung bei sexualisierter und häuslicher Gewalt mit Einlagerung der Spuren in den rechtsmedizinischen Instituten des Landes an. Die einzelnen Rahmenbedingungen für ein Konzept der anonymen Spurensicherung werden auch bei der Entwicklung eines Aktionsplans beleuchtet, der wichtige Ansatzpunkte zum Schutz von Frauen und Mädchen vor sexualisierter und häuslicher Gewalt aufzeigen wird. Dieser wird derzeit in einem umfangreichen partizipativen Prozess unter Einschluss der Fraktionen des Landtags von der Landesregierung vorbereitet. Der angesprochene Förderantrag, bei dem es sich um einen Antrag der LAG autonomer Frauen-Notrufe in NRW in Kooperation mit dem Institut für Rechtsmedizin der Universitätsklinik Düsseldorf handelt, beinhaltet die "Aktualisierung einer Ist-Analyse unter besonderer Berücksichtigung bereits aktiver ASS-Modelle und deren Einbeziehung in ein NRW-weites Konzept", die "Durchführung von Interviews mit bereits aktiven und potenziellen Kooperationspartner /innen aus dem medizinischen Bereich im Hinblick auf praxisrelevante Eckdaten zur Implementierung von verbindlichen ASS-Standards", die "Ausarbeitung eines konkretisierten Konzeptes zur flächendeckenden und bedarfsgerechten Umsetzung der ASS in NRW" sowie die "Ausarbeitung einer Kostenschätzung und eines Finanzplanes" mit einer Laufzeit von 6 bis 12 Monaten und einem Kostenvolumen von rund 50.000 Euro. Dieser Antrag wurde sowohl aus fiskalischen Erwägungen als auch deshalb abschlägig beschieden, weil es zunächst weiterer Vorüberlegungen der Landesregierung bezüglich der Eckpunkte für ein landesweites Konzept bedarf. 2. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur Sicherstellung eines flächen- deckenden Ausbaus der anonymen Spurensicherung? Die Landesregierung prüft derzeit die konkreten praktischen und finanziellen Möglichkeiten eines flächendeckenden Ausbaus der anonymen Spurensicherung. Neben der Dokumentation und Lagerung von Tatspuren stehen hierbei unter anderem auch die Vereinheitlichung von Verfahrensabläufen, die Sensibilisierung der Ärzteschaft sowie die Erstellung und Verbreitung von Materialien - auch unter Nutzung neuer Medien - im Fokus. Die Erfahrungen aus den bereits gut funktionierenden Modellen in einigen Kreisen und kreisfreien Städten werden dabei einbezogen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2609 3 3. Welche verschiedenen Möglichkeiten zur Lösung der Kostenproblematik gibt es aus Sicht der Landesregierung generell? Auch zur Frage der Finanzierung der Anonymen Spurensicherung ist die Prüfung möglicher Optionen noch nicht abgeschlossen. Denkbar wäre die Finanzierung aus allgemeinen Steuermitteln wie auch aus Mitteln des Gesundheitssystems. 4. Wie will die Landesregierung zukünftig eine ordnungsgemäße Dokumentation und Lagerung anonymer Spuren sicherstellen? Die Fragen einer ordnungsgemäßen Dokumentation sowie der Lagerung anonymer Spuren werden bei dem Konzept zur Anonymen Spurensicherung eine wichtige Rolle spielen. In Anlehnung an den Koalitionsvertrag 2012 - 2017 strebt die Landesregierung die Lagerung der Spuren in den rechtsmedizinischen Instituten an.