LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2610 16.04.2013 Datum des Originals: 15.04.2013/Ausgegeben: 19.04.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 965 vom 11. März 2013 des Abgeordneten Dirk Schatz PIRATEN Drucksache 16/2304 Zielvereinbarungen bei Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 965 mit Schreiben vom 15. April 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit ihrer Antwort (Drucksache 16/2171) auf meine Kleine Anfrage (Drucksache 16/2017) teilte die Landesregierung mit, dass keine landesweiten Vorgaben o. Richtwerte über zu treffende Maßnahmen für die Kreispolizeibehörden bestehen. Diese Antwort ist vermutlich auch auf eine zu allgemein gehaltene Fragestellung meinerseits zurück zu führen. Dennoch habe ich weiterhin reges Interesse an diesem Thema, weshalb ich dahingehend weitere und konkretere Nachfragen habe. Wie festgestellt, gibt es keine landesweiten Vorgaben. Die Landesregierung deutete in ihrer Antwort jedoch an, dass ein wesentliches Element ihrer Fachstrategie die Stärkung der dezentralen Verantwortung in den Kreispolizeibehörden sei. Vorbemerkungen der Landesregierung Wie bereits in der Antwort der Landesregierung zur Kleinen Anfrage 867 ausgeführt, gibt es keine landesweiten Vorgaben bzw. unverbindliche Richtwerte über zu treffende Maßnahmen zur Verkehrsunfallbekämpfung. Daher gibt es auch keine lokalen Zielvorgaben oder Zielvereinbarungen - wie der Fragesteller in Frage 1 darstellt - mit den Kreispolizeibehörden (KPB). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2610 2 Die KPB erstellen für ihren Zuständigkeitsbereich eigenständig ein auf mehrere Jahre angelegtes Sicherheitsprogramm, das - auf Grundlage einer umfassenden Analyse der Sicherheitslage - eine behördenstrategische Schwerpunktbildung beinhaltet. So analysieren die KPB auch den Bereich der Verkehrssicherheitsarbeit fortlaufend auf der Grundlage der örtlichen Verkehrsunfalllage; sie entscheiden, welche gezielten präventiven und repressiven Maßnahmen erforderlich sind, um insbesondere die Anzahl der Verkehrsunfälle mit schweren Folgen nachhaltig zu verringern. Die vorgesehenen Maßnahmen werden in den Sicherheitsprogrammen dargestellt und bilden die strategische Grundlage für den direktionsübergreifenden , zielgerichteten Ressourceneinsatz in den KPB. Die Ergebnisse werden durch die KPB fortlaufend überprüft und die vorgesehenen Maßnahmen ggf. angepasst (Steuerungszyklus ). In jährlichen Sicherheitsbilanzen werden die strategische Ausrichtung durch die KPB bewertet und ggf. Konsequenzen für das Folgejahr gezogen. Diese können sich auf geänderte Schwerpunktsetzungen, auf einzelne Maßnahmen oder den Ressourceneinsatz beziehen . Darüber hinaus basieren die Maßnahmenkonzepte der KPB auf der Fachstrategie Verkehrsunfallbekämpfung . Zu deren Inhalt, Grundlagen und bisherigen Ergebnissen wurde der Innenausschuss des Landtages im Nachgang zu der Sitzung am 06.09.2012, TOP 14, und zu der Sitzung am 31.01.2013, TOP 8, schriftlich informiert. Hauptziel der Verkehrssicherheitsarbeit der KPB ist die Bekämpfung der sogenannten 3 Killer im Straßenverkehr. Europaweit sterben die meisten Menschen im Straßenverkehr durch die Unfallursachen Geschwindigkeit, Alkohol/Drogen und das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes im Straßenverkehr. Bei der Geschwindigkeit kommt noch hinzu, dass sie maßgeblich auch die Schwere der Unfallfolge – unabhängig von der Frage der Verursachung – bestimmt. Die im November 2011 fortgeschriebene Fachstrategie der Polizei hat daher insbesondere zum Ziel, das Geschwindigkeitsniveau insgesamt zu senken – als wirksamsten Schutz gerade der schwächsten Verkehrsteilnehmer. Sie stellt dazu insbesondere auf die Stärkung der Eigenverantwortung der KPB ab. Maßgeblich für die Beachtung von (Verkehrs-)Regeln sind im Wesentlichen:  Bekanntheit der Regel  Höhe der zu erwartenden Sanktion  Objektives und subjektives Entdeckungsrisiko Die im Rahmen der Kampagne „Brems Dich – rette Leben“ durch die Polizei getroffenen Maßnahmen zielen dabei auf den letztgenannten Aspekt ab. Durch mehr Kontrollen, mehr Flexibilität, mehr Offenheit und Transparenz sowie eine verbesserte Zusammenarbeit mit den Kommunen soll die Zahl der Toten und Schwerverletzten nachhaltig gesenkt werden. Dazu gehört auch eine deutlich intensivierte örtliche und zentrale Presse- und Öffentlichkeitsarbeit , um die Verkehrsteilnehmer in Nordrhein-Westfalen für die Gefahren zu schnellen Fahrens zu sensibilisieren. Die zielgerichtete Arbeit der KPB zeigt deutliche Wirkung, wie die nachfolgenden Diagramme ausweisen: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2610 3 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2610 4 1. Gibt es lokale Zielvereinbarungen mit den einzelnen Kreispolizeibehörden oder sonstige lokale Vorgaben/Richtwerte, was die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten angeht? Dabei interessiert mich insbesondere, welche Ziele in den Jahren 2007 - 2012 in welchem Bereich (beispielsweise Geschwindigkeit, Gurt, Alkohol, etc.) mit den Behörden vereinbart oder von diesen angesetzt wurden. Siehe Vorbemerkungen. Im Übrigen legten die KPB in den Jahren 2007 bis 2012 im Rahmen ihrer Sicherheitsprogramme eigenverantwortlich für ihre Zuständigkeitsbereiche in unterschiedlicher Ausgestaltung Quantitäts-, Qualitäts- und Wirkungsziele fest. Auf der Grundlage der Berichterstattung der KPB zur Beantwortung dieser Kleinen Anfrage ergibt sich nachfolgende exemplarische Übersicht: Geschwindigkeit Alkohol/Drogen Gurt Q u a li tä ts z ie le  nicht festgelegt  Integrative Perso- nen- und Fahr- zeugüberprüfungen  Offene und trans- parente Verkehrs- überwachung  Optimierte direkti- onsübergreifende Zusammenarbeit  Fortbildung zur Verbesserung der Handlungssicher- heit  Integrative Perso- nen- und Fahr- zeugüberprüfungen bei Verkehrskon- trollen  Optimierte direkti- onsübergreifende Zusammenarbeit  Verzahnung von Repression, Prä- vention und Öffent- lichkeitsarbeit LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2610 5 Q u a n ti tä ts z ie le  Gezielte Kontrollen unter Berücksichti- gung der Entwick- lung der VHZ 1  Verbesserung des Vorjahresergebnis- ses um 10%  Konzentration auf Geschwindigkeits- kontrollen zur Er- höhung der Entde- ckungswahrschein- lichkeit  Halten des Ergeb- nisses des Vorjah- res  Konsequentes Ein- schreiten beim Verdacht des Fah- rens unter Alkohol/- Drogeneinfluss  Reduzierung der Anzahl der Alkohol- und Drogenkontrol- len  Umfassende Kon- trolle unter Berück- sichtigung der An- schnallpflicht  Gurtkontrollen wer- den flächende- ckend auf einem hohen Niveau durchgeführt  Verstärkte Kontrol- len auch durch Be- zirksdienst und Verkehrsdienst in Verbindung mit Aufklärungsgesprä- chen W ir k u n g s z ie le  Reduzierung von Verkehrsunfällen mit der Hauptun- fallursache Ge- schwindigkeit  Reduzierung von Verkehrsunfällen mit Personenscha- den mit Schwer- punkt „Junge Fah- rer“  Reduzierung von schweren Ver- kehrsunfallfolgen  Reduzierung von Verkehrsunfällen mit Alkohol-/ Drogeneinfluss  Erhöhung der Ent- deckungswahr- scheinlichkeit  Reduzierung von schweren Ver- kehrsunfallfolgen  Intensivierung der Verfolgung von Gurtverstößen  Bekämpfung von Verkehrsunfällen mit Personenscha- den durch Überwa- chung der An- schnallpflicht mit Schwerpunkt „Kin- der“ 1 Verunglücktenhäufigkeitszahl = Verunglückte auf 100.000 Einwohner LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2610 6 2. In welchem Maß wurden diese Ziele im oben genannten Zeitraum jeweils erreicht ? In diesem Zusammenhang interessiert es mich, ob die Ziele auch dann als erreicht gelten, selbst wenn ein evtl. folgendes Widerspruchs-/ Gerichtsverfahren letztlich zur Einstellung des Verfahrens führt. Abhängig von der Definition des Zielmaßstabs wurde durch die KPB folgender durchschnittlicher Zielerreichungsgrad im Zeitraum 2007 - 2012 in den benannten Handlungsfeldern berichtet : Geschwindigkeit Alkohol/Drogen Gurt 2007 91,2 % 78,7 % 86,9 % 2008 98,8 % 82,4 % 84,3 % 2009 84,8 % 68,1 % 75,1 % 2010 84,6 % 75,4 % 77,1 % 2011 89,9 % 81,3 % 74,6 % 2012 82,3 % 87,9 % 72,2 % Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen verfügt über hochmoderne Technik und umfassend fortgebildete Polizeibeamtinnen und -beamte zur Verkehrsüberwachung. Die angewandten Verfahren sind höchstrichterlich anerkannt. Ziel polizeilicher Maßnahmen ist regelkonformes Verhalten beim Verkehrsteilnehmer auch durch einen generalpräventiven Ansatz. Bei der Frage der Wirkung polizeilicher Maßnahmen zur Reduzierung schwerster Verkehrsunfälle ist die ggf. in Einzelfällen ausbleibende Sanktion, z. B. durch Verfahrenseinstellungen , gemessen am Maßnahmenvolumen, nicht erfolgskritisch. 3. Auf welchen polizeilichen bzw. wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen die vereinbarten Zielzahlen? Bei der Festlegung von Maßnahmen werden sowohl polizeiliche Erfahrungen, wissenschaftliche Erkenntnisse, wie u. a. zur Wirksamkeit polizeilicher Verkehrsüberwachungsmaßnahmen (z. B. die „Psychologisch optimierte Kontrollstrategie" [PopKo] der Universität zu Köln) und Erkenntnisse aus der Physik zugrunde gelegt. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2610 7 4. Wann fand die letzte Evaluation dieser Vereinbarungen statt? Dabei interessiert mich natürlich auch das Ergebnis. Die KPB bewerten jährlich anhand ihrer jeweiligen Sicherheitsbilanzen ihre strategische Ausrichtung . Im Übrigen siehe Vorbemerkungen und Antwort zu Frage 2.