LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2678 22.04.2013 Datum des Originals: 19.04.2013/Ausgegeben: 25.04.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 974 vom 14. März 2013 des Abgeordneten Oskar Burkert CDU Drucksache 16/2338 Gefahren durch die Verwendung von Bioziden bei der Gebäudedämmung? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 974 mit Schreiben vom 19. April 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Den problematischen Folgen des Wachstums von Algen oder Schimmelpilzen durch den Einbau von Styropor-Dämmungen wird durch die vorbeugende Verwendung von Giftstoffen unmittelbar im Putz und in der Farbe entgegengewirkt. Allerdings muss der Eigentümer zu diesem Vorgehen seine Zustimmung geben. Verweigert er diese, verweigern die Hersteller im Gegenzug die Garantie. Die Gifte werden in der Regel durch Witterung und Regen ausgewaschen und gelangen im Laufe der Zeit in das Grundwasser. Das Umweltbundesamt hat hierzu bereits eigene Forschungsprojekte gestartet. Denn einige der Fassadengifte sind in der Landwirtschaft seit 15 Jahren verboten, weil sie die Umwelt schädigen. Im Fokus stehen aufgrund ihrer Gefährlichkeit insbesondere biozide Stoffe: Diese sind sehr langlebig, werden kaum abgebaut und reichern sich in der Nahrungskette an. Zusätzlich ergeben sich Schwierigkeiten bei der Entsorgung, da die verbauten Bestandteile – Dämmplatten , Klebstoffe, Putz – als Sondermüll aufwendig entsorgt werden müssen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2678 2 Daher ist von besonderem Interesse, welches Gefährdungspotenzial die Landesregierung im Hinblick auf biozide Stoffe sieht. Vorbemerkung der Landesregierung Biozide umfassen ein breites Spektrum von Stoffen, die in einer großen Zahl von Anwendungen in Privathaushalten, im Gesundheitswesen, in Industrie und Gewerbe sowie in anderen Bereichen (z.B. Landwirtschaft) im Gebrauch sind. Der in dieser Kleinen Anfrage angesprochene Verwendungsbereich Gebäudedämmung umfasst insofern nur einen Ausschnitt der Verwendungen. Derzeit sind nach Einschätzung der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheines (IKSR) ca. 18.000 Biozid-Produkte auf dem deutschen Markt. 1. Wie schätzt die Landesregierung das Gefährdungspotential von Bioziden gene- rell ein? Das Biozidprüfprogramm gem. Richtlinie 98/8/EG ist europaweit einheitlich festgelegt. Dabei wird das Risiko für Verbraucher, Umwelt und Arbeitnehmer geprüft. Die Biozid-Richtlinie regelt nicht nur die Zulassung von Produkten, sondern formuliert auch Leitsätze zur sachgerechten Produktverwendung. Biozide dürfen nur ordnungsgemäß verwendet werden. Zwischenzeitlich ist die Biozidverordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten verabschiedet. Diese Verordnung gilt ab 01.09.2013 für alle Biozidprodukte in Europa. Entscheidend für die Abschätzung des Gefährdungspotenzials sind die jeweiligen Stoffeigenschaften , die im Einzelfall betrachtet werden müssen. Eine pauschale Einschätzung des Gefährdungspotenzials von ca. 18.000 Produkten ist daher nicht möglich. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch zugelassener Biozide (Beipackzettel) ist nicht von einer Gesundheitsgefahr auszugehen. 2. Wie schätzt die Landesregierung das Gefährdungspotential von Bioziden für den Menschen ein? Bei einer ordnungsgemäßer Anwendung gemäß Biozid-Richtlinie ist nicht von einer Gefahr für die menschlichen Gesundheit auszugehen (siehe auch Antwort zu Frage 1). 3. Sind der Landesregierung Forschungsvorhaben des Umweltbundesamtes zu der Biozid-Problematik bekannt? Das UBA hat in den letzten Jahren mehrere Forschungsvorhaben zur Biozid-Problematik ausgeschrieben. Diese betreffen jedoch nicht nur den Einsatz in Dämmstoffen. Abgeschlossen wurde beispielsweise die Untersuchung zu „Charakterisierung der Auswaschung von bioziden Wirkstoffen der Hauptgruppe 2 „Schutzmittel“ aus unterschiedlichen Materialien unter Witterungsbedingungen“, UBA-Texte 92/2012. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2678 3 Im Umweltforschungsplan 2012 und 2013 sind folgende Projekte im angefragten Bereich ausgeschrieben: o 2012: Umweltbelastung durch Biozideinträge: Erarbeitung der Eckpfeiler eines Monitoring -Messprogrammes für Einträge von Bioziden in die Umwelt (FKZ 3712 67 403) o 2013: Notwendigkeit der Testung von Biozidprodukten und deren Eluaten im Rahmen der Zulassung mit dem Ziel einer adäquaten Umweltbewertung von Stoffgemischen – Erweiterung der Datenbasis für Holzschutzmittel (FKZ 371364417) Erarbeitet wurden im Auftrag des UBA unter anderem folgende Berichte: o UBA Texte 09/09: Biozide in Gewässern: Eintragspfade und Informationen zur Belastungssituation und deren Auswirkungen http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3811.pdf) o Rüdel, H. und Knopf, B. (2012): Vorbereitung eines Monitoring-Konzepts für Biozide in der Umwelt. Bericht zu FKZ 360 04 036 4. Sind der Landesregierung Forschungsvorhaben anderer Forschungseinrichtun- gen zur Biozid-Problematik bekannt? Folgende Forschungsvorhaben sind bekannt: - Fraunhoferinstitut für Bauphysik (2012), Wirkstoffauswaschung aus hydrophoben Fassadenbeschichtungen: verkapselte versus unverkapselte Biozidsysteme - Staufer P., Ort, C. (2012): Diffuse Einträge aus Siedlungen, Aqua & Gas Nr. 11 - Projekt BIOMIK (BAFU, 2007): Biozide als Mikroverunreinigungen in Abwasser und Gewässern - Teilprojekt 1: Priorisierung von bioziden Wirkstoffen - Teilprojekt 2: Stoffflussanalyse für die Schweiz: Quartäre Ammoniumverbindungen - Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung BAM (2004), Untersuchungen zur Biozidauswirkung auf Bodenbakterien mit Hilfe von mikrobiologischen und molekularbiologischen Methoden - BAM (2010), Mikrobieller Abbau eines im Holzschutz verwendeten metallorganischen Biozids im Boden - BAM (2002), Biozidemissionen aus Materialien - Deutsches Institut für Bautechnik Berlin: der zuständige Sachverständigenausschuss hat eine Projektgruppe eingerichtet, die ein Bewertungskonzept für beregnete Bauteile (z.B. Dächer, Fassaden, etc.) bzl. möglicher Boden- und Grundwassergefährdung durch Biozidauswaschung entwickeln soll 5. Welche wissenschaftlichen Untersuchungen unternimmt die Landesregierung? Die Landesregierung hat sich dem Thema „Biozide aus Fassaden“ bereits frühzeitig gewidmet . Zu der Auswaschung von Bioziden aus Dach- und Fassadenfarben gibt es eine Studie des Landesumweltamtes NRW von 2005 und des Umweltbundesamtes von 2009 (siehe auch Antwort zu Frage 3). Demnach ist die Auswaschung von Bioziden aus Dach- und Fas- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2678 4 sadenfarben durch Regenwasser unmittelbar nach dem Auftragen der Farbe am höchsten und nimmt danach sehr rasch exponentiell ab. Biozide aus frisch aufgetragener Farbe können im Ablaufwasser kurzfristig hohe Konzentrationen erreichen, die - sofern sie in ein kleines Gewässer gelangen - durchaus lokal toxische Wirkungen hervorrufen könnten. In der Regel werden sie über das Regenwasser der Kanalisation zugeführt. Durch die Verdünnung in der Kanalisation, der Kläranlage und/ oder der Gewässer werden die Toxizitätsgrenzen und die Umweltqualitätsnormen dann zumeist unterschritten. Nach den aktuell vom LANUV durchgeführten Auswertungen ist grundsätzlich festzustellen, dass die Biozid-Belastung der Gewässer nicht flächendeckend auf einen Austrag aus Baumaterialien zurückzuführen ist. Soweit es Belastungen in kleineren Gewässern gibt, ist jedoch eine nähere Ursachenforschung noch erforderlich. Des Weiteren war NRW an der Erarbeitung des IKSR Auswertungsbericht „Biozide und Korrosionsschutzmittel “ (Bericht Nr 183, IKSR, 2010) beteiligt (www.iksr.org/uploads/media/Bericht_Nr._183d.pdf).