LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2736 25.04.2013 Datum des Originals: 22.04.2013/Ausgegeben: 30.04.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1016 vom 25. März 2013 der Abgeordneten Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/2489 Wie bewertet die Landesregierung die Kritik des Vorsitzenden des nordrheinwestfälischen Philologenverbandes an der Entwicklung des Schulkompromisses von CDU, SPD und Grünen? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1016 mit Schreiben vom 22. April 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Schulkompromiss von CDU, SPD und Grünen wurde ursprünglich durchaus von einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Verbänden begrüßt. Insbesondere in ländlichen Regionen schienen sich neue Gestaltungsmöglichkeiten zur Sicherung eines weiterführenden Schulangebots zu eröffnen. Absehbar war jedoch, dass die problematische pädagogische Ausgestaltung der Sekundarschule und die deutliche strukturelle und personelle Bevorzugung integriert arbeitender Schulformen zulasten auch gut arbeitender Schulen gehen und Konflikte in die Kommunen tragen würden. Dies belegt nicht nur die Vielzahl von Bürgerbegehren, sondern dies verdeutlichen auch die Rückmeldungen vieler Bürgerinnen und Bürger, die sich für qualitativ ausgestaltete Schulangebote vor Ort einsetzen. So ist inzwischen auch bei vielen der damaligen Unterstützer des Schulkompromisses eine Desillusionierung eingetreten, wie unterschiedliche öffentliche Äußerungen belegen. Unlängst veröffentlichte z.B. der Landesvorsitzende des Philologenverbands in NordrheinWestfalen einen umfangreichen Artikel in der Fachzeitschrift „Bildung aktuell – Wir machen Schule“. Der einstige Befürworter des Kompromisses von CDU, SPD und Grünen bemängelte , dass sich niemand in der Pflicht zum Einschreiten sähe, wenn Kommunen „ohne jede Not funktionsfähige, gut arbeitende, von den Eltern akzeptierte Einzelschulen im Schnellverfahren schließen.“ Demnach sähe sich keiner in der Pflicht, auf Sachzusammenhänge zu verweisen . Laut des Vorsitzenden sei es nicht auszuschließen, dass „die klammen Haushalte in LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2736 2 nicht geringem Maße zu den Hauruck-Prozessen“ beitrügen. Der Kompromiss rufe demnach laut des Vorsitzenden des Philologenverbandes statt einer Struktur-Befriedung einen „Schulunfrieden“, gar einen „Schulkrieg“ hervor. Demzufolge würde der „Schulkonsens“ inzwischen landauf, landab von vielen Eltern, Lehrkräften und auch Kommunalpolitikern negativ eingeschätzt werden. Statt einer Alternative werde die Sekundarschule demnach generell als attraktives Gegenangebot dargestellt und Kommunen würden im Wettlauf gegeneinander dazu veranlasst, neue Sekundarschulen zu etablieren. Folglich fände eine über Grenzen hinausgehende Schulentwicklung noch seltener als früher statt, so der Vorsitzende des Philologenverbandes. Auch auf die Bedenken der Eltern werde nur bedingt Rücksicht genommen. Elternbefragungen zeigten, dass viele Eltern den bestehenden Schulformen mehr vertrauten und den noch in der Erprobung befindlichen neuen Schulformen skeptisch gegenüber stünden. Die Fälle häuften sich, in denen Familien vor Ort Elterninitiativen für den Erhalt ihrer Schulen gründen müssten, um ihrem Wunsch zum Erhalt der Schulangebote Nachdruck zu verleihen, resümiert der Vorsitzende. Sekundarschulen und Gesamtschulen werden durch den Schulkompromiss von CDU, SPD und Grünen strukturell gegenüber anderen Schulformen bevorzugt. Dennoch zeigen die von der Schulministerin verkündeten 39 neuen Sekundarschulen und 28 neuen Gesamtschulen, die im kommenden Schuljahr den Unterrichtsbetrieb aufnehmen sollen, dass eine nicht unbeträchtliche Zahl beantragter Schulen am Elternwillen gescheitert ist. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage des Vorsitzenden des nordrhein- westfälischen Philologenverbandes, wonach inzwischen ohne jede Not funktionsfähige , gut arbeitende und von Eltern akzeptierte Einzelschulen im Schnellverfahren geschlossen würden? 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Aussage, wonach offenbar klamme Haus- halte in den Kommunen zu „Hauruck-Prozessen“ bei der Schließung gut arbeitender Schulen beitragen? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Bei den zitierten Aussagen handelt es sich um Meinungsäußerungen und persönliche Einschätzungen des Autors. Die Landesregierung bewertet diese nicht. Insbesondere stellt die Landesregierung keine Vermutungen über mögliche Beweggründe von kommunalen Schulträgern bei der Entscheidung über schulorganisatorische Maßnahmen an. Die Schulentwicklungsplanung und die Entscheidung über schulorganisatorische Maßnahmen obliegt gemäß den §§ 80, 81 Schulgesetz NRW als Ausprägung des Grundsatzes der kommunalen Selbstverwaltung dem kommunalen Schulträger. Diese Rechtslage bestand bereits vor der Vereinbarung gemeinsamer Leitlinien von CDU, SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN für die Gestaltung des Schulsystems in Nordrhein-Westfalen. Es wird darauf hingewiesen, dass der Autor des Aufsatzes im Übrigen nicht die Aussage getroffen hat, dass „offenbar“ klamme Haushalte in den Kommunen zu „Hauruck-Prozessen“ bei der Schließung gut arbeitender Schulen beitrügen, sondern dass dies „nicht auszuschließen“ sei. 3. In welcher Pflicht sieht die Landesregierung die Schulverwaltung, auf die ge- nannten Sachzusammenhänge zu verweisen, wenn gut funktionierende Schulen – auch gegen den Elternwillen – geschlossen werden? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2736 3 Die oberen Schulaufsichtsbehörden beraten die Schulträger im Vorfeld der Entscheidung über schulorganisatorische Maßnahmen umfassend. Sie weisen diese auf möglicherweise bestehende Schwierigkeiten und Konfliktfelder hin, zeigen Alternativen auf und raten konsensuale Lösungen vor Ort an. Hierzu gehört auch die Beratung über die Verpflichtung zur Beachtung eines eventuell bestehenden Fortführungsbedürfnisses für Schulformen des gegliederten Systems. Die Willensbildung und eigentliche Gestaltung des Umsetzungsprozesses obliegt jedoch dem kommunalen Schulträger selbst. Die Beachtung von erkennbar bestehenden Fortführungsbedürfnissen wird im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für eine Schulerrichtung durch die Aufnahme geeigneter Nebenbestimmungen sichergestellt. Über die Errichtung neuer Schulen und die damit verbundene Auflösung bestehender Schulen entscheiden die Eltern letztlich durch ihr Anmeldeverhalten. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage des Vorsitzenden des Philo- logenverbandes, wonach inzwischen „landauf, landab“ viele Eltern, Lehrkräfte und auch Kommunalpolitiker den „Schulkonsens“ negativ einschätzten? Die Landesregierung bewertet diese Aussage nicht, weist jedoch darauf hin, dass viele Eltern , Lehrkräfte und auch Kommunalpolitiker den Schulkonsens positiv einschätzen. Dies bringt die erfolgreiche Errichtung von 129 neuen Schulen des längeren gemeinsamen Lernens seit der Vereinbarung gemeinsamer Leitlinien von CDU, SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN für die Gestaltung des Schulsystems in Nordrhein-Westfalen deutlich zum Ausdruck . 5. Wie viele Bürgerentscheide zu schulspezifischen Fragen hat es seit dem Schul- kompromiss von CDU, SPD und Grünen in nordrhein-westfälischen Kommunen gegeben (bitte nach Datum, Kommune und inhaltlichem Diskussionspunkt des Bürgerbegehrens aufschlüsseln)? Nach dem Kenntnisstand der Landesregierung haben Bürgerbegehren zu bisher sechs Bürgerentscheiden mit Schulbezug seit dem 19. Juli 2011 geführt. 13.11.2011 Für Erhalt der Lise-Meitner-Realschule Monheim, Rheinl Unecht gescheitert 22.04.2012 Für Erhalt der Hauptschule Bruchstraße Mülheim a d Ruhr Entscheid im Sinne des Begehrens 16.09.2012 Für Pavillons an der Josef-Annegarn-Schule Ostbevern Entscheid im Sinne des Begehrens 28.10.2012 Für Erhalt der Fridtjof-Nansen-Realschule Castrop-Rauxel Entscheid im Sinne des Begehrens 12.01.2013 Für Erhalt der Barbara-Gerretz- (Grund)Schule II ("Rettet Barbara") Meerbusch Entscheid nicht im Sinne des Begehrens 17.03.2013 Gegen Umzug von Grundschulen ohne Modellschule Herdecke, Ruhr Unecht gescheitert Dabei bedeutet „unecht gescheitert“, dass das Zustimmungsquorum nicht erreicht wurde.