LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2808 30.04.2013 Datum des Originals: 30.04.2013/Ausgegeben: 03.05.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1011 vom 25. März 2013 der Abgeordneten Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/2484 Kulturelle Bildung – wie wird die Qualität des Kunst- und Musikunterrichts in der Grundschule gesichert? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1011 mit Schreiben vom 30. April 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Kultur und Kunst befördern die geistigen Interessen. Eine frühzeitige Heranführung von Kindern an Kunst und Musik ist wichtig, um ein solches Interesse zu wecken und um mögliche Talente zu erkennen und zu fördern. Insbesondere in jungen Jahren sind die Neugier und Lernbereitschaft der Kinder sehr ausgeprägt. Es bestehen daher vielfältige Programme, die das Interesse an Kunst und Kultur von Kindern und Jugendlichen fördern sollen. Die Ansätze sind unterschiedlich, die Förderung ist verschiedenartig ausgestaltet. Diese Programme eröffnen Möglichkeiten, um Kinder vertiefend für musisches und künstlerisches Wirken zu begeistern . Neben diesen Programmen stellt jedoch der reguläre Musik- und Kunstunterricht in der Primarstufe ein unverzichtbares Instrument dar, um alle Kinder frühzeitig und umfassend an musisch-künstlerische Aktivitäten heranzuführen. In diesem werden die Kinder, für viele von ihnen zum ersten Mal, an diese geistigen Herausforderungen herangeführt. Die Verordnung über den Bildungsgang in der Grundschule (Ausbildungsordnung Grundschule – AO-GS) sieht in der Schuleingangsphase, also den Klassen 1 und 2 in Kunst und Musik insgesamt 3-4, in den Klassen 3 und 4 jeweils 4 Wochenstunden vor. Nach vorliegenden Informationen soll es jedoch Fälle geben, wonach dieser Unterricht in den Nachmittag LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2808 2 verlagert und kein tatsächlicher Fachunterricht mehr erteilt wird, sondern der Musik- und Kunstunterricht den Charakter einer reinen Betreuungsveranstaltung erhält. Musische und künstlerische Angebote im Offenen Ganztag sind zu begrüßen, sind jedoch additiv und können den verbindlichen Fachunterricht nicht ersetzen. Insofern stellt sich die Frage, ob dieser verbindliche Stundenrahmen – bei einer Flexibilität der Stundentafelgestaltung – auch tatsächlich flächendeckend erteilt wird. Darüber hinaus zeigen Rückmeldungen, dass die genannten Fächer zunehmend fachfremd unterrichtet werden. Musische und künstlerische Fächer sind für eine universelle Bildung unabdingbar. Insofern stellt sich die Frage, wie der Lehrkräftebedarf für diese Fächer gedeckt wird. Vorbemerkung der Landesregierung Das Ministerium für Schule und Weiterbildung weist in den Richtlinien und Lehrplänen für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen ausdrücklich auf den wichtigen Beitrag der Fächer Kunst und Musik zum Bildungs- und Erziehungsauftrag in der Grundschule hin. Die Lehrpläne für die Fächer Kunst und Musik bilden den verbindlichen Rahmen dafür, die Freude und das Interesse der Schülerinnen und Schüler an ästhetischen Ausdrucksformen und Musik zu wecken und zu intensivieren, ihre ästhetischen und musikalischen Wahrnehmungs-, Erlebnis - und Ausdrucksfähigkeiten zu entfalten und ihre musischen Kompetenzen zu entwickeln. Die Lehrpläne für die Grundschule weisen für die Fächer Kunst und Musik verbindliche Kompetenzbereiche und Schwerpunkte für das Ende der Schuleingangsphase und das Ende der Klasse 4 aus. Die Verantwortung für die Durchführung des Unterrichts obliegt der unterrichtenden Lehrkraft , die sich dabei an den schulinternen Arbeitsplänen und an den Beschlüssen der Lehrerbzw . Fachkonferenzen der jeweiligen Schule orientiert. Grundschulen können Fachkonferenzen für die einzelnen Fächer einrichten, denen sowohl Lehrkräfte, die die Lehrbefähigung für das Fach Kunst bzw. Musik besitzen, wie auch weitere das Fach Kunst bzw. Musik unterrichtende Lehrkräfte angehören. Durch den regelmäßigen Austausch in Fach-, Jahrgangsstufenoder Lehrerkonferenzen ist gewährleistet, dass der Fachunterricht kompetent auf der Grundlage der Vorgaben und der schulinternen Arbeitspläne erteilt wird. Die Verpflichtung der Lehrkräfte zur Fortbildung und die Verpflichtung des Schulleiters auf die Fortbildung der Lehrkräfte hinzuwirken dienen ebenfalls zur Qualitätssicherung des Unterrichts in den erteilten Fächern. Die Verantwortung für den Einsatz der Lehrkräfte und die Unterrichtsverteilung liegt bei der Schulleiterin oder dem Schulleiter, die bzw. der dabei die für den Unterricht in der Grundschule geltende Stundentafel sowie die Unterrichtsvorgaben des Ministeriums als verbindliche Vorgaben zu Grunde legt. Für die Fächer Musik und Kunst sind in der Stundentafel für die Grundschule in der Schuleingangsphase 3 bis 4 Wochenstunden, in den Klassen 3 und 4 jeweils 4 Wochenstunden vorgesehen. Die Stundentafel gibt hiermit eine für das ganze Schuljahr geltende Leitlinie zur Aufteilung der Gesamtstundenzahl an und lässt den einzelnen Schulen Gestaltungsfreiheit. Der Fachunterricht wird nicht durch Betreuungsangebote im Bereich des Offenen Ganztages ersetzt. Die zuständige Schulaufsicht vor Ort hat bei eventuell auftretenden Meldungen über Missstände dafür zu sorgen, dass diese beseitigt werden. Dem Ministerium für Schule und Weiterbildung liegen keine Kenntnisse über systematische Verstöße gegen die verbindlichen Vorgaben vor, vielmehr ist davon auszugehen, dass die Grundschulen verantwortungsvoll LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2808 3 mit der Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsauftrages umgehen und ihren Verpflichtungen in der Erteilung des Fachunterrichtes Kunst bzw. Musik kompetent nachkommen. 1. Wie hat sich die Zahl der Studentinnen und -studenten für das Grundschullehr- amt der Fächer Kunst/Musik in den letzten fünf Jahren entwickelt? Die Zahl der Studierenden wird in der nachfolgenden Tabelle ausgewiesen. Dargestellt werden alle Studierende, die in einem Grundschullehramt abschließen könnten. Studierende im WS Hochschulfach 2007 2008 2009 2010 2011 Kunst 159 202 196 188 331 Musik 236 227 222 218 291 Gesamtergebnis 395 429 418 406 622 2. Wie hat sich in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der Absolventinnen und Absolventen in künstlerisch-musischen Bereich für das Lehramt an Grundschulen entwickelt? Die Zahl der Absolventen ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Absolventen im Prüfungsjahr Hochschulfach 2007 2008 2009 2010 2011 Kunst 76 70 59 47 44 Musik 46 51 33 35 38 Gesamtergebnis 122 121 92 82 82 3. Welcher Lehrereinstellungsbedarf besteht in den kommenden fünf Jahren in den künstlerisch-musischen Fächern an Grundschulen? Das Ministerium für Schule und Weiterbildung hat eine Lehrkräftebedarfsprognose im Bildungsportal veröffentlicht. Diese kann abgerufen werden unter: http://www.schulministerium.nrw.de/ZBL/Chancen/index.html bzw. in dem dort verfügbaren pdf-Dokument: http://www.schulministerium.nrw.de/ZBL/Chancen/Prognosen.pdf Die fächerspezifische Analyse wurde jedoch nur für die Lehrämter der Sekundarstufen I und II sowie für den Bereich der Sonderpädagogik durchgeführt. An Grundschulen decken die Klassenlehrerinnen und -lehrer den größten Teil des Unterrichts in ihren Klassen selbst ab (Klassenlehrerprinzip). Dies ist möglich, da für alle Studierenden im Lehramtsstudium für das Lehramt an Grundschulen neben der sprachlichen und mathematischen Grundbildung die Fachwissenschaft und Fachdidaktik eines weiteren Unterrichtsfaches verbindlich ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2808 4 4. Wie hoch ist der Anteil des fachfremd unterrichteten Kunst- und Musikunterrichts an Grundschulen? Laut Amtlichen Schuldaten werden im Schuljahr 2012/13 77,9 % der Kunstunterrichtsstunden und 70,4 % der Musikunterrichtsstunden durch Lehrkräfte ohne eine grundständige Lehrbefähigung erteilt. Der relativ hohe Anteil an Kunst- und Musikunterricht, der von Lehrkräften ohne eine entsprechende Lehrbefähigung erteilt wird, erklärt sich im Wesentlichen dadurch, dass in der Grundschule das Klassenlehrer- vor dem Fachlehrerprinzip angewendet wird. Das Klassenlehrerprinzip kann dazu führen, dass ausgebildete Musiklehr- und Kunstlehrkräfte auch als Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer und demzufolge nicht mit voller Stundenzahl als Fachlehrerinnen und Fachlehrer eingesetzt werden. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass Teile sowohl des Musik- als auch des Kunstunterrichts an den Grundschulen (z. B. Lieder singen, sich zur Musik bewegen, Musik malen, Texte und Geschichten illustrieren oder szenisch gestalten) traditionell auch in andere Fächer eingebunden werden und im Rahmen des gesamten Schullebens zum Tragen kommen. 5. Wie reagiert die Landesregierung, wenn ein an Grundschulen entfallender ver- bindlicher Fachunterricht von Seiten der Schulen durch ein reines Betreuungsangebot im Rahmen des Offenen Ganztags ersetzt wird? Der Ersatz von Fachunterricht durch ein Angebot im Rahmen des offenen Ganztags ist unzulässig . Die Angebote haben im Rahmen des jeweiligen schulischen Gesamtkonzepts ihren eigenen Stellenwert. Die inhaltliche Verknüpfung von Fachunterricht und den Inhalten des Fachunterrichts affinen Angeboten des offenen Ganztags, beispielsweise Angeboten von Musikschulen im Rahmen des offenen Ganztags, ist davon unbenommen und wird begrüßt.