LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2870 06.05.2013 Datum des Originals: 06.05.2013/Ausgegeben: 08.05.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1023 des Abgeordneten Nicolaus Kern PIRATEN Drucksache 16/2504 EU-Fördermittelstopp für NRW. Wer trägt die Verantwortung und was sind die Folgen für NRW? Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 1023 mit Schreiben vom 6. Mai 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister , dem Minister für Inneres und Kommunales, der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien, dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bereits im Januar 2013 berichteten Medien über Betrug bei der Verwendung von EUFördermitteln in den einzelnen Mitgliedsstaaten, unter anderem in Nordrhein-Westfalen. Nun sind die nordrhein-westfälischen EU-Fördermittel wieder Gegenstand der Berichterstattung: Am 23. März 2013 wurde bekannt, dass die Europäische Union gegenüber dem Land Nordrhein -Westfalen einen sofortigen Zahlungstopp für sämtliche Fördermittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) verhängt hat. Grund ist mehreren Medienberichten zufolge die fehlerhafte Abrechnung von bezuschussten Arbeits-, Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen. Die EU lastet dem Land NRW und den fünf für die Prüfung der Förderunterlagen zuständigen Regierungspräsidien an, dass bei der Abwicklung der Förderanträge zwischen den Jahren 2008 und 2011 über 15 Prozent fehlerhaft waren. Die Europäische Union will nun rund 16 Millionen Euro für Projekte aus diesen Jahren nicht mehr erstatten und hat 62 Millionen Euro für Projekte aus dem Jahr 2012 erst einmal einbehalten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2870 2 Im Mai 2013 will sich eine Delegation aus Brüssel bei einer zweiwöchigen Inspektionsreise von den ordnungsgemäßen Abläufen im Öffentlichen Dienst von NRW überzeugen. Für eine Aufhebung des Zahlungsstopps müsse NRW eine Fehlerquote von unter 2 Prozent aufweisen , sagte Sozialminister Guntram Schneider der Presse. Aktuell weise NRW eine Fehlerquote von 4,6 Prozent auf, so Minister Schneider. Nordrhein-Westfalen ist das erste deutsche Bundesland, das mit einer solchen Sanktion belegt wird. 1. Wie setzen sich die jeweiligen Fehlerquoten bei der Abwicklung der EU- Fördermittel von 15 bzw. 4,6 Prozent in NRW genau zusammen? (Bitte nach Regierungsbezirken und Jahr aufschlüsseln). Die von Nordrhein-Westfalen vorfinanzierten Projektausgaben werden nach der Prüfung durch die Bezirksregierungen gegenüber der Europäischen Kommission abgerechnet. Auf Basis dieser Abrechnung erfolgt im Auftrag der Europäischen Kommission die stichprobenartige Prüfung von Projekten durch die Prüfbehörde für den ESF. Die Ergebnisse der Prüfungen werden mit Hilfe statistischer Verfahren auf das gesamte operationelle Programm ESF Nordrhein-Westfalen hochgerechnet. Es ist daher nicht möglich, die hochgerechnete Fehlerquote pro Regierungsbezirk auszuweisen . Auch werden von den Zuwendungsempfängern Projekte regierungsbezirksübergreifend durchgeführt, so dass diese einem Regierungsbezirk nicht direkt zugeordnet werden können. 2. Was hat die Landesregierung konkret zur Abwendung der Sanktionsmaßnahmen durch die Europäische Union seit Bekanntwerden möglicher Fehlabrechnungen in 2012 unternommen? (Bitte getroffene Maßnahmen tabellarisch auflisten und datieren). Die Landesregierung hat permanent auf Hinweise zu Defiziten und Fehlern in den Verwaltungs - und Kontrollsystemen reagiert und Verbesserungen vorgenommen. Konkret auf Basis des Jahreskontrollberichts 2011 der Prüfbehörde für den ESF, dessen wesentliche Feststellungen im Oktober 2011 vorlagen, wurden folgende Maßnahmen eingeleitet und / oder umgesetzt : Zeitraum Maßnahmen des MAIS November 2011 Konkretisierung der Prüfanforderungen durch die ESFVerwaltungsbehörde gegenüber den Bezirksregierungen Februar 2012 Information der Regierungspräsidentinnen und Regierungspräsidenten zum hohen Fehleraufkommen inkl. Ankündigung von Anpassungsmaßnahmen März 2012 Das IT-System BISAM wird angepasst, um die Qualität der Zahlungsanträge zu verbessern. März/April 2012 Gespräche mit allen Bezirksregierungen zur Verbesserung der Qualität und Prüftiefe April 2012 Gespräch mit Vertretern der Europäischen Kommission im MAIS. Daneben findet ein regelmäßiger telefonischer Austausch statt. Juni/Juli 2012 Verbesserung der Prüfqualität bei der Antragsprüfung und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2870 3 Zeitraum Maßnahmen des MAIS bei der Abwicklung von Projekten Oktober/ November 2012 Durchführung von Schulungen bei jeder Bezirksregierung . November 2012 Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Vereinfachung der ESF-Förderrichtlinie und der Verfahren. Darüber hinaus finden regelmäßige Monatssitzungen und bedarfsgerechte Besprechungen mit allen Bezirksregierungen statt. 3. Kann die Landesregierung in jedem Fall ausschließen, dass es im Zuge der Be- antragung, Verwendung und Abrechnung der EU-Fördermittel aus dem ESF zu keinerlei krimineller Machenschaften gekommen ist? Gegenstand der hohen Fehlerquote ist in keinem Fall Betrug oder Veruntreuung. Die Europäische Kommission hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie mit dem Zahlungsstopp ein geregeltes Verwaltungsverfahren durchführt, dessen Anlass Defizite bei der Umsetzung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme sind, nicht kriminelle Handlungen oder der Verdacht krimineller Handlungen. Darüber hinaus verweise ich auf die Antwort zur Kleinen Anfrage 864, Frage 2 (Drucksache 16/2501). 4. Wieso hat die Landesregierung nicht frühzeitig die von ihr als Hauptursache der Fehlabrechnungen identifizierte „Reform der Versorgungsämter“ von 2008 in Gänze oder teilweise angepasst, um den offensichtlich bereits 2012 bekannten Vorwürfen der Fehlabrechnung zu begegnen? Mit der „Reform der Versorgungsämter“ wurde die entsprechende Behördeninfrastruktur komplett aufgelöst, so dass im Jahr 2012 eine Rückkehr zu den Strukturen des Jahres 2007 nicht möglich war und auch nicht ist. Der Antwort zu Frage 2 ist zu entnehmen, dass die Landesregierung 2012 in vielfältiger Weise aktiv geworden ist, um die entdeckten Defizite abzubauen. In der aktuellen Situation wird die vorhandene Infrastruktur verbessert, da jeder radikale Organisationswechsel wiederum entsprechende Defizite produzieren würde. 5. Stehen durch den verhängten Zahlungsstopp einzelner über den ESF mitfinan- zierter Projekte in NRW vor finanziellen Schwierigkeiten bzw. vor dem finanziellen Aus? Nein, die Landesregierung führt die bewilligten Projekte im unveränderten Umfang fort.