LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2912 08.05.2013 Datum des Originals: 08.05.2013/Ausgegeben: 13.05.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1052 vom 9. April 2013 der Abgeordneten Yvonne Gebauer und Susanne Schneider FDP Drucksache 16/2565 Werden ungewollte Folgen der Programme Schulmilch und Schulobst im Vorfeld ausreichend berücksichtigt? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1052 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter und der Ministerin für Schule und Weiterbildung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Essgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen sind besonders wichtig, da sich der Körper noch in der Entwicklung befindet und sich die Gewohnheiten in dieser Zeit festigen. Aufgrund des bedeutenden Einflusses einer ausgewogenen Ernährung wurden das EUSchulobstprogramm und das EU-Schulmilchprogramm in NRW eingeführt. Jedoch kann eine gute Intention auch negative Folgen haben. Gerade bei Kindern gehören Lebensmittelallergien zu den häufigsten allergischen Erkrankungen. Das noch „unreife“ Immunsystem kann Fehler bei der Zuordnung körpereigener Eiweiße und solcher, die es abzuwehren gilt, machen . Bei einer Fehleinschätzung können eventuell Antikörper gebildet werden und Lebensmittelunverträglichkeiten entstehen. Eine bekannte und in dem Zusammenhang wichtige Lebensmittelunverträglichkeit ist die Laktoseintoleranz. Nach dem Verzehr von laktosehaltigen Lebensmitteln treten Verdauungsprobleme z.B. in Form von Bauchkrämpfen, Diarrhöe oder Übelkeit auf. In Deutschland wird die Zahl der Betroffenen laut eines Gastroenterologen am Universitätsklinikum Erlangen auf 15-20 Prozent geschätzt. Die Zahl der Lebensmittelunverträglichkeiten ist demnach stets höher als diejenige der Allergiker. Während die Unverträglichkeit auf den Milchzucker zurückgeht , reagieren Allergiker auf das Milcheiweiß. Eine solche Allergie kommt laut vorliegenden Informationen bei 1,6-2,8 Prozent aller Kinder unter zwei Jahren vor. In mehr als der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2912 2 Hälfte der Fälle verschwindet die Allergie im Laufe der Zeit wieder. Symptome einer solchen Allergie reichen von Problemen im Verdauungstrakt über den Atemtrakt und können auch das Herzkreislaufsystem betreffen. Ein weiteres mögliches Problem ist die Fruktoseintoleranz, bei der die Betroffenen z.B. mit Magenproblemen, Diarrhöe oder psychischen Problemen auf Fruchtzucker reagieren. Die Zahl der Betroffenen variiert je nach Studie zwischen 10 bis 50 Prozent. Ein Fokus-Artikel etwa beziffert die Anzahl auf 30 Prozent der Deutschen. Kinder im Grundschulalter sind besonders häufig von der Intoleranz betroffen, auch wenn der Unverträglichkeit im Erwachsenenalter oftmals keine wichtige Rolle mehr zukommt. Die jeweilige Menge, die Betroffene einer Laktose- oder Fruktoseunverträglichkeit ohne Beschwerden zu sich nehmen können, ist individuell unterschiedlich. Bei Allergikern ist es hingegen wichtig, dass die unverträglichen Lebensmittel vermieden werden. Auch wenn die Programme daher grundsätzlich zu begrüßen sind, gilt es auch zu beachten, dass sie jungen Menschen unter Umständen eher schaden als nutzen können. Laut Informationen des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, die in Form eines FAQ auf der Internetseite des Ministeriums bereitgestellt werden, soll im Vorfeld eine Kontaktierung der Eltern vorgenommen werden. Diese seien demnach meistens über das Vorliegen von Allergien oder Unverträglichkeiten informiert und könnten somit die zu meidenden Lebensmittel benennen. Um die Partizipation der Kinder zu gewährleisten, sollte bei Allergien auf andere Obst- und Gemüsesorten ausgewichen werden. Sei dies nicht möglich, sollten individuell Vereinbarungen mit dem Lebensmittellieferanten erfolgen, damit zumindest das betreffende Kind Lebensmittel erhält, die es problemlos verzehren könne. 1. In welcher Form werden Eltern im Vorfeld über die Inhalte und die Ausgestaltung der Programme Schulmilch und Schulobst informiert? Schulmilchprogramm: Zur Information der Eltern über das Schulmilchprogramm steht die gemeinsame Schulmilch-Broschüre des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft , Natur- und Verbraucherschutz und des Ministeriums für Schule und Weiterbildung „Das EU-Schulmilchprogramm NRW Informationen für Schulen und Eltern“ zur Verfügung. Im Januar dieses Jahres wurde das Informationsangebot um die Website www.schulmilch.nrw.de erweitert und gebündelt. Darüber hinaus werden Eltern verstärkt in Aktionen der Schulmilchförderung wie z.B. die Landfraueneinsätze einbezogen. Schulobstprogramm: Das EU-Schulobstprogramm NRW wird vom Ministerium für Klimaschutz , Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz insbesondere hinsichtlich der Information der Schulen sowie des pädagogischen Begleitprogramms in enger Kooperation mit dem Ministerium für Schule und Weiterbildung organisiert. Alle Schulen, die neu in das EU-Schulobstprogramm NRW einsteigen, werden direkt zu Beginn des Programms mit Informationsflyern ausgestattet, die zur Information der Eltern über das Programm eingesetzt werden sollen. Das Faltblatt informiert über die Zielsetzung sowie die Durchführung des Programms . Zudem richtet sich der Flyer aktiv an die Eltern, um bei ihnen für Unterstützung des Programms zu werben. Unter dem Stichwort „Eltern sind gefragt – machen Sie mit!“ wird die besondere Rolle der Eltern hinsichtlich des Ernährungsverhaltens des Kindes betont und Tipps und Hinweise zur Umsetzung einer gesunden Ernährung mit frischem Obst und Gemüse auch für zu Hause gegeben. Darüber hinaus bietet die sehr gut besuchte Projektwebsite www.schulobst.nrw.de Informationen und Fakten rund um das EUSchulobstprogramm NRW an. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2912 3 Auf der Website wird das Thema Allergien angesprochen und den Schulen diesbezüglich folgende Empfehlung gegeben: „Es gilt das gleiche Prinzip wie bei der normalen Mittagsverpflegung auch: Sprechen Sie mit den Eltern! In den meisten Fällen wissen die Eltern bzw. das Kind, ob eine Allergie vorliegt und welche Lebensmittel gemieden werden müssen. Es empfiehlt sich, bei den Eltern abzufragen , ob Allergien bekannt sind. Gleichzeitig können Sie für die Kinder mit einer Allergie die jeweilige Notfallnummer erfragen. Besprechen Sie mit den Eltern, welches Obst nicht gegessen werden darf und welche Regeln eingehalten werden müssen. Eine gute Kommunikation mit den Eltern ist hier besonders wichtig. Sollten Sie mehrere Obst- und Gemüsesorten pro Tag geliefert bekommen, kann das Kind auf die anderen Sorten ausweichen. Wird nur eine Sorte pro Tag geliefert, versuchen Sie mit dem Lieferanten eine Vereinbarung zu treffen, dass für das allergische Kind ein anderes Obst geliefert wird.“ 2. In welchem Umfang findet tatsächlich eine Erhebung möglicher Nahrungsmittel- allergien bzw. –unverträglichkeiten im Vorfeld der Programme statt? Seitens der Landesregierung findet keine Erhebung möglicher Nahrungsmittelallergien im Vorfeld zur Durchführung der beiden Programme statt. Die Landesregierung gibt den Rahmen für die Organisation und Durchführung vor. Die Ausgestaltung der Programme vor Ort sowie die notwendigen Vorbereitungen an der Schule liegen im Verantwortungsbereich der Schulen. Auf diese Weise ist eine Durchführung, die passgenau an den Voraussetzungen der Schule orientiert ist, möglich. Dementsprechend liegt es, wie bei der Schulverpflegung insgesamt, ebenfalls in der Verantwortung der teilnehmenden Schulen, sich über mögliche Lebensmittelallergien oder Unverträglichkeiten vorab zu informieren. 3. Welche Rolle kommt nach Informationen der Landesregierung den sogenannten „Ersatzsorten“ für betroffene Kinder zu? Schulmilch: Bei einer nachgewiesenen Milcheiweißallergie sind Milch und Milchprodukte konsequent zu meiden. Die Allergie tritt meist im Kleinkindalter auf und verschwindet bei dem überwiegenden Anteil der betroffenen Kinder in der Regel noch vor dem Schuleintritt wieder. Ältere Kinder und Jugendliche leider eher selten unter einer Kuhmilchallergie. Besteht dagegen eine Laktoseintoleranz, die tendenziell eher im fortgeschrittenen Alter auftritt, muss je nach Schweregrad nicht vollständig auf Milchprodukte verzichtet werden. Abhängig von dem Ausmaß des Enzymmangels reicht es oft aus, die aufgenommene Milchmenge zu reduzieren oder auf laktosearme Milchprodukte (z.B. Joghurt, Käse) umzusteigen. Zudem bietet der Handel eine Vielzahl laktosefreier Milchprodukte, bei denen der Milchzucker bereits in aufgespalteter Form vorliegt und die damit besser für lactoseintolerante Personen verträglich sind. Im Rahmen des Schulmilchprogramms werden derzeit keine lactosefreien Produkte verteilt. Schulobstprogramm: Bei einer Nahrungsmittelallergie auf eine oder mehrere Obstsorten wird empfohlen, auf nicht allergieauslösende Sorten umzusteigen (siehe auch Antwort zu Frage 1). Da beim EU-Schulobstprogramm NRW in der Regel mehrere Sorten Obst oder Gemüse für einen Verzehrstag geliefert werden, dürfte ein Ausweichen auf eine andere Sorte problemlos möglich sein. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2912 4 4. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen die Gesundheit von Kindern aufgrund mangelnder Informationen gefährdet war? Fälle, in denen die Gesundheit der Kinder aufgrund mangelnder Informationen gefährdet war, sind der Landesregierung weder im Rahmen des Schulmilchprogramms noch im Rahmen des Schulobstprogramms bekannt. 5. Plant die Landesregierung über die bestehenden Maßnahmen hinaus, verstärkt auf Nahrungsmittelallergien bzw. -unverträglichkeiten zu reagieren? Über die bestehenden Maßnahmen hinaus, wie die Information der Eltern über die Programme sowie die Empfehlung für Schulen, im Vorfeld Nahrungsmittelallergien abzufragen, plant die Landesregierung keine weiteren Maßnahmen hinsichtlich Nahrungsmittelallergien und Unverträglichkeiten im Rahmen der zwei Programme Schulobst und Schulmilch. Seitens der teilnehmenden Schulen wurde bislang auch kein Bedarf diesbezüglich angemeldet.