LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/2920 13.05.2013 Datum des Originals: 07.05.2013/Ausgegeben: 14.05.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1060 vom 9. April 2013 der Abgeordneten Astrid Birkhahn CDU Drucksache 16/2573 Analphabetismus in Nordrhein-Westfalen – Netzwerke und aktuelle Maßnahmen der Landesregierung Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1060 mit Schreiben vom 7. Mai 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit dem Papier der Nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener Personen sind Bund und Länder weitreichende Verpflichtungen gegenüber den Betroffenen eingegangen. Denn Lesen und Schreiben sind zentrale Fähigkeiten, sie sind der Schlüssel zum lebenslangen Lernen und zur gesellschaftlichen Teilhabe. Lesen und Schreiben bilden größtenteils die Grundlage bzw. erhöhen die Chance auf Beschäftigung. In dem Papier der Nationalen Strategie zur Bekämpfung des Analphabetismus in Deutschland haben sich Bund und Länder darauf verständigt zu prüfen, inwieweit vorhandene regionale Netzwerke genutzt werden können, um Schlüsselpersonen und Netzwerkpartner für Fragen der Grundbildung und Alphabetisierung zu sensibilisieren und eine langfristige Angebots - und Beteiligungsstruktur mit Blick auf Grundbildung und Alphabetisierung zu etablieren. Darüber hinaus haben die Bundesländer einer Prüfung zur Aufnahme der Themen Alphabetisierung und Grundbildung entsprechend der aktuellen wissenschaftlichen Standards in die jeweiligen Curricula der Lehramtsstudiengänge zugestimmt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2920 2 Vorbemerkung der Landesregierung Mit der „Leo-Level-One-Studie“ liegen erstmals belastbare Zahlen zum funktionalen Analphabetismus in Deutschland vor. Alphabetisierung und Grundbildung gehören zu den gemeinwohlorientierten Angeboten nach dem Weiterbildungsgesetz (WbG). Im Rahmen der Umsetzung der Nationalen Strategie haben Bund und Länder verabredet, die Weiterbildungsangebote zielgerichtet auszuweiten und um unterstützende Maßnahmen zu ergänzen. Die Länder bringen sich mit konkreten Maßnahmen in das von vielen Partnern gemeinsam getragene und verantwortete Nationale Bündnis für Alphabetisierung und Grundbildung ein. 1. Über welche bereits vorhandenen Netzwerke verfügt Nord-rhein-Westfalen, um Schlüsselpersonen für Fragen der Grundbildung und Alphabetisierung zu sensibilisieren ? Rund 90 Prozent aller Angebote in der Alphabetisierung und Grundbildung werden von den Volkshochschulen erbracht. Volkshochschulen und andere nach dem Weiterbildungsgesetz anerkannte Einrichtungen arbeiten umfassend vernetzt mit externen Partnern in Schulen („Weiterbildung geht zur Schule“), Wirtschaft, Vereinen, Arbeitsverwaltung oder beispielsweise lokalen Initiativen zusammen . Entsprechend der Empfehlungen der Weiterbildungskonferenz NRW 2012 übernimmt deshalb der Landesverband der Volkshochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen die Aufgabe einer landesweiten Koordinationsstelle für Alphabetisierung und Grundbildung. Der Landesverband erarbeitet derzeit in einem mit Mitteln des Landes geförderten Vorhaben ein Konzept, wie unter Berücksichtigung vorhandener Strukturen regionale Arbeitsstrukturen entwickelt bzw. genutzt werden können, um die Beteiligung deutschsprachiger Erwachsener an Kursen zur Alphabetisierung und Grundbildung zu verbessern. Das Konzept soll noch vor der Sommerpause 2013 vorliegen. 2. Wie lautet das Ergebnis der Prüfung zur Einführung regionaler Netzwerke, um Schlüsselpersonen und Netzwerkpartner für Fragen der Grundbildung und Alphabetisierung zu sensibilisieren? Siehe Antwort zur Frage 1. Die Landesregierung sondiert nach Vorliegen des Konzepts des Landesverbandes der Volkshochschulen NRW, wie Schlüsselpersonen und Netzwerkpartner für Fragen der Alphabetisierung und Grundbildung sensibilisiert werden können. 3. Welche Maßnahmen führen derzeit zur Reduzierung des funktionalen Analphabe- tismus in Nordrhein-Westfalen? Nordrhein-Westfalen beteiligt sich aktiv an der Umsetzung der im Rahmen der Nationalen Strategie von den Ländern vereinbarten Maßnahmen. Die Landesregierung hat bereits im Jahr 2011 die finanziellen Voraus-setzungen dafür geschaffen , dass die WbG-Einrichtungen ihre Angebote zur Alphabetisierung und Grundbildung ausweiten können. Die finanzielle Förderung der gemeinwohlorientierten Angebote nach dem WbG wurde um ca. 12 Mio. € auf rd. 105 Mio. € erhöht. Im Landeshaushalt 2013 sind erneut rd. 105 Mio. € im Weiterbildungsgesetz veranschlagt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/2920 3 Die Landesregierung hat entsprechend der „Ziele und Empfehlungen für die Entwicklung der gemeinwohlorientierten Weiterbildung in Nord-rhein-Westfalen“ der Weiterbildungskonferenz NRW 2012 mit dem Gesprächskreis für Landesorganisationen der Weiterbildung in Nordrhein -Westfalen eine Zielvereinbarung über 10 Mio. € zu bildungspolitischen Schwerpunkten geschlossen. Diese umfassen u.a. Sprachförderung und Benachteiligtenprogramme, die Grundbildung einschließen und sich an Erwachsene wenden, die sich bisher wenig oder nicht weiterbilden. Die Landesregierung fördert 2013 erneut mit rund 5 Mio. € aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds zusätzlich „Maßnahmen der lebens- und erwerbsweltbezogenen Weiterbildung“. Förderschwerpunkt ist der Bereich „Grundbildung mit Erwerbswelterfahrung“. Zu den quantitativen Maßnahmen kommen begleitend qualitative hinzu. Dazu gehört der Austausch über Beispiele guter Praxis in den Ländern im Hinblick auf lebensweltorientierte Ansätze von Grundbildung, Netzwerkarbeit, Ansprache von Betrieben, Betroffenen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Grundbildungszentren, Beratung oder Öffentlichkeitsarbeit, Zusammenarbeit mit Koordinierungsstellen. Außerdem fördert die Landesregierung entsprechend der Empfehlungen der Weiterbildungskonferenz NRW 2012 landesweit angelegte innovative Vorhaben beispielsweise zur ganzheitlichen Weiterbildungsberatung oder zur quantitativen und qualitativen Weiterentwicklung von Maßnahmen der Alphabetisierung und Grundbildung. 4. Mit welchen Maßnahmen will die rot-grüne Landesregierung die Reduzierung des funktionalen Analphabetismus zukünftig vorantreiben? Nach Auffassung der Landesregierung kann eine deutliche Reduzierung des funktionalen Analphabetismus nur über eine gemeinsame mittel- und langfristige Anstrengung aller Partner der Nationalen Strategie erreicht werden. Die Landesregierung wird sich deshalb im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten auch zukünftig aktiv an der Umsetzung der von den Ländern verabredeten Maßnahmen beteiligen. 5. Was sind die Ergebnisse der Überprüfung zur Aufnahme der Themen Alphabeti- sierung und Grundbildung in die jeweiligen Curricula der Lehramtsstudiengänge? Sprachdiagnostik und Sprachförderkompetenz haben in der Lehrerausbildung nach dem Lehrerausbildungsgesetz 2009 durchgängig eine hohe Priorität. So ist im Studium für das Lehramt an Grundschulen der Lernbereich „Sprachliche Grundbildung “ von allen Studierenden obligatorisch mit 55 Leistungspunkten zu belegen. Das Lehrerausbildungsgesetz 2009 hat zudem für alle Lehrämter obligatorisch den Bereich „Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte“ mit mindestens 6 Leistungspunkten eingeführt. An allen Lehrerinnen und Lehrer ausbildenden Hochschulen sind darüber hinaus Sprachförderprojekte (Mercator-Stiftung und Projekt „Chancen der Vielfalt nutzen lernen“ von MAIS und MSW) angesiedelt, die überwiegend Sprachförderung im Grundschulbereich in die Lehrerausbildung integrieren.