LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3013 21.05.2013 Datum des Originals: 21.05.2013/Ausgegeben: 24.05.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1070 vom 12. April 2013 des Abgeordneten Peter Biesenbach CDU Drucksache 16/2595 Hat Innenminister Ralf Jäger die Festnahmen von 64 per Haftbefehl gesuchten Personen am 28. Februar 2013 im Münsterland und in Ostwestfalen hollywoodreif inszeniert? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1070 mit Schreiben vom 21. Mai 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wie das Westfalenblatt am 05.03.2013 berichtete, soll die Polizei Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse wochenlang liegengelassen haben, um sie im Rahmen des Aktionstages „Riegel vor“ des NRW-Innenministeriums am 28.02.2013 zu vollstrecken. In dem Bericht wird ein Polizeibeamter aus Bielefeld mit folgenden Worten zitiert: "Wochen vor dem Aktionstag fand im Präsidium ein Vorbereitungstreffen statt. Dort wurde uns gesagt, wir sollten Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse bis zum 28. Februar liegenlassen." Laut Pressemitteilung des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 01.03.2013 nahm die Polizei im Rahmen der „Razzia gegen Einbrecherbanden“ insgesamt 128 Personen fest, davon 64 mit Haftbefehl gesuchte. Diese Meldung steht im Widerspruch zu dem o.g. Bericht des Westfalenblattes, wonach es sich bei den Festgenommenen nicht nur um Einbrecher, sondern zu einem großen Teil um „notorische Schwarzfahrer oder Verkehrssünder, die ihre Strafe nicht bezahlt haben“ gehandelt haben soll. Wie die WAZ am 07.03.2013 auf ihrer Internetseite mitteilte, sollen unter den 17 in Bielefeld festgenommenen Personen tatsächlich sogar nur zwei Einbrecher gewesen sein. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3013 2 Insgesamt drängt sich damit der Verdacht auf, dass es sich bei dem betreffenden Polizeieinsatz lediglich um eine medienwirksame Inszenierung gehandelt hat, mit der nicht die Sicherheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen vor Einbrechern, sondern die Popularitätswerte von Innenminister Ralf Jäger erhöht werden sollten. Vorbemerkung der Landesregierung Die Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls ist − neben der Bekämpfung Organisierter Kriminalität, der Politisch motivierten Kriminalität und der Cybercrime − ein Schwerpunkt der Kriminalstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen. Um Aktionsräume reisender Täter einzuschränken und diesen Fluchtmöglichkeiten zu nehmen, sind Schwerpunktmaßnahmen mit großflächigen Einsatzräumen sowie hohem Ressourcenaufwand unter Einbeziehung von Autobahnpolizeien, Bundespolizei, Zoll und den Polizeien benachbarter Länder und Staaten erforderlich. Operative Erfolge, Fahndungsdruck und überörtliche Reaktionen auf die Botschaften der Kampagne "Riegel vor!" können nur mit einem behördenübergreifenden und konzentrierten Einsatz erreicht werden. Diese Einsätze begleitende und offensive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wird mit dem polizeilichen Ziel durchgeführt, die Kernbotschaften des Konzepts "Riegel vor!" zu transportieren, die Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich der Botschaften der Kampagne zu sensibilisieren und das Hinweisaufkommen sowie die Nachfrage nach Beratung zum Einbruchschutz zu steigern. Ebenso sollen durch die Großeinsätze und die Presseveröffentlichungen potenzielle Straftäter gewarnt und von Einbrüchen abgehalten werden. 1. Ist es zutreffend, dass im Vorfeld des Aktionstages im Polizeipräsidium Bielefeld ein Vorbereitungstreffen stattfand, bei dem Polizeibeamte "gebeten" wurden, vollstreckungsfähige Haftbefehle/ Durchsuchungsbeschlüsse erst am 28.02.2013 zu vollstrecken? Planung und Durchführung des Einsatzes am 28.02.2013 wurden durch das Polizeipräsidium Bielefeld koordiniert. Die an dem Aktionstag beteiligten Behörden führten jedoch die Maßnahmen im eigenen Bezirk eigenverantwortlich durch. Im Rahmen der Vorbereitung dieses Aktionstages wurde aufgrund einsatz- und kriminaltaktischer Erwägungen auch geprüft, ob aktuelle Haftbefehle oder auch Durchsuchungsbeschlüsse gebündelt werden können, um durch eine möglichst zeitgleiche Vollstreckung Überraschungsmomente zu nutzen und eine ansonsten zu befürchtende Flucht von gesuchten Personen und Verdunklungshandlungen zu verhindern. Dies war insoweit Gegenstand einer Besprechung des Polizeipräsidiums Bielefeld mit allen beteiligten Kreispolizeibehörden am 23.01.2013. 2. Auf wessen Veranlassung ist die von dem Polizeibeamten im Westfalenblatt vom 05.03.2013 zitierte "Bitte" ergangen? Das Polizeipräsidium Bielefeld präsentierte im Rahmen der koordinierenden Besprechung am 23.01.2013 alternative taktische sowie organisatorische Einsatz- und Ermittlungsmaßnahmen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3013 3 Eine dieser Maßnahmen beinhaltete insbesondere aus den zur Frage Nr. 1 genannten Gründen die Option, schon vor dem Einsatztag eingehende Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse im Rahmen rechtlicher Gegebenheiten sowie unter polizeitaktischen Gesichtspunkten am Einsatztag zu vollstrecken. Bitten oder Weisungen so zu verfahren, gab es nicht. 3. Welcher Straftaten waren die 64 per Haftbefehl gesuchten Personen jeweils dringend tatverdächtig (bitte einzeln auflisten)? Abweichend von den Presseveröffentlichungen zum Aktionstag am 28.02.2013 wurden nach polizeilichen Recherchen insgesamt 61 Haftbefehle vollstreckt, welche im Folgenden nach Delikten gegliedert dargestellt sind. Die Differenz zu den zunächst veröffentlichten 64 Haftbefehlen ergibt sich aus einem Übermittlungsfehler im Rahmen der polizeilichen Berichterstattung zum Aktionstag. Delikt Anzahl Diebstahl gem. § 244 StGB 1 Diebstahl gem. §§ 242, 243 StGB 3 Diebstahl gem. § 242 StGB 5 Betrug 13 Räuberische Erpressung 1 Gefährliche Körperverletzung 1 Körperverletzung 2 Bedrohung 1 Urkundenfälschung 1 Illegaler Aufenthalt 1 Entwichener Strafgefangener 1 Steuerhinterziehung 1 Vorenthalten von Arbeitsendgeld 1 Verkehrsdelikte 2 Trunkenheit im Verkehr 1 Fahren ohne Fahrerlaubnis 5 Erschleichen von Leistungen 6 Ordnungswidrigkeiten 11 Bei vier Haftbefehlen wurden die zugrundeliegenden Delikte nicht erfasst. Insgesamt handelte es sich um 15 Vollstreckungshaftbefehle, 33 Haftbefehle zu Ersatzfreiheitsstrafen bzw. Erzwingungshaft sowie einen Untersuchungshaftbefehl, einen Vorführbefehl und einen Jugendarrest-Haftbefehl. 4. Welche Haftgründe lagen gegenüber den 64 per Haftbefehl gesuchten Personen jeweils vor (bitte einzeln auflisten)? Die den Haftbefehlen zugrundeliegenden Haftgründe sind, sofern die Haftbefehle durch nordrhein-westfälische Gerichte erlassen wurden, nur mittels einer aufwändigen Einzelauswertung zu erheben. Diese konnte in der für die Kleine Anfrage vorgesehenen Zeit nicht geleistet werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3013 4 5. Seit wann lagen die 64 o.g. Haftbefehle jeweils zur Vollstreckung vor (bitte einzeln nach Datum auflisten)? Die nachgefragten Daten ergeben sich aus der nachstehenden Tabelle. Datum Anzahl 28.02.2013 9 27.02.2013 2 26.02.2013 2 25.02.2013 6 22.02.2013 3 21.02.2013 3 20.02.2013 3 19.02.2013 4 18.02.2013 1 15.02.2013 1 14.02.2013 4 13.02.2013 3 11.02.2013 1 07.02.2013 1 05.02.2013 1 04.02.2013 2 29.01.2013 1 28.01.2013 1 16.01.2013 1 11.01.2013 1 10.01.2013 1 23.11.2012 1 21.09.2012 1 27.03.2012 1 Unbekannt 7 47 Haftbefehle konnten planmäßig, 14 Haftbefehle als Ergebnis an Kontrollstellen vollstreckt werden und kein Haftbefehl ist aufgrund des Aktionstages "liegen geblieben".