LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3020 22.05.2013 Datum des Originals: 21.05.2013/Ausgegeben: 27.05.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1055 vom 8. April 2013 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/2568 Keine Entwarnung bei kommunalen Kassenkrediten? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1055 mit Schreiben vom 21. Mai 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 2. April 2013 veröffentlichte das statistische Bundesamt die aktuellen Zahlen der vierteljährlichen Schuldenstatistik für das 4. Quartal 2012. Zum 31.12.2012 hatten die Kommunen bundesweit Kassenkredite und Kreditmarktschulden von rund 133 Milliarden Euro. Weiterhin ein großes Problem sind die sog. Kassenkredite. Die Liquiditätssicherungskredite haben einen Stand von rund 48 Milliarden Euro erreicht. Mit fast 24 Milliarden Euro haben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen weiterhin die Hälfte aller bundesweit aufgelaufenen Kassenkredite aufgenommen. In keinem anderen Bundesland bestimmen Kassenkredite die Schulden der kommunalen Haushalte so wie in Nordrhein-Westfalen. Von den Schulden der Kommunen in Nordrhein-Westfalen insgesamt (Kassenkredite und Kreditmarktschulden) in Höhe von 49,88 Mrd. Euro, entfallen fast die Hälfte allein auf sog. Kassenkredite. Trotz Rekordsteuereinnahmen bei der Gewerbesteuer und einer Rekordhöhe der Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich aufgrund der Rekordsteuereinnahmen ist keine wirkliche Linderung des Problems der Kassenkredite zu erkennen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3020 2 1. Wie stellt sich der aktuelle Stand der Kassenkredite und Kreditmarktschulden in den Kernhaushalten usw. der Kommunen in Nordrhein-Westfalen aktuell dar? Nach Angaben des IT.NRW betrug der Stand der Kredite zur Liquiditätssicherung in den Kernhaushalten der nordrhein-westfälischen Kommunen am 31.12.2012 rund 23,71 Milliarden Euro. Die kommunalen Verbindlichkeiten aus Krediten für Investitionen beliefen sich an demselben Stichtag auf 22,69 Milliarden Euro. 2. Wie beurteilt die Landesregierung das Problem der kommunalen Kassenkredite? Die kommunalen Liquiditätskredite stellen einen wichtigen Indikator der kommunalen Haushaltsentwicklung dar. Mittelfristig strebt die Landesregierung eine Rückführung der Kredite zur Liquiditätssicherung auf ein Maß an, das ihrer finanzwirtschaftlichen Funktion zur kurzfristigen Liquiditätssicherung entspricht. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen:  Bereits im Jahr 2010 wurde die Befrachtung des Gemeindefinanzierungsgesetzes zur Konsolidierung des Landeshaushaltes wieder rückgängig gemacht. Die hieraus resultierende Aufstockung der kommunalen Finanzausgleichsmasse summiert sich zusammen mit der Beteiligung der Kommunen an den Einnahmen des Landes aus der Grunderwerbsteuer auf 1,289 Milliarden Euro in den Jahren 2010 bis 2013.  Im Rahmen des Stärkungspaktgesetzes unterstützt das Land Gemeinden, die von einer Überschuldungsproblematik betroffen sind, mit direkten Konsolidierungshilfen. Zwischen 2011 und 2020 werden für diesen Zweck 5,85 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, davon 3,5 Milliarden Euro an Landesmitteln.  Mit der Änderung von § 76 GO NRW im Mai 2011 wurde Kommunen in der Haushaltssicherung zudem eine realistische zeitliche Perspektive für die Konsolidierung ihrer Haushalte gegeben. Hierdurch wurden verstärkte Konsolidierungsprozesse in den Kommunen nicht nur ermöglicht, sondern auch tatsächlich ausgelöst. Zudem setzt sich die Landesregierung seit ihrer Regierungsübernahme dafür ein, dass der Bund seiner finanziellen Verantwortung für die Gemeinden und Gemeindeverbände gerecht wird und eine auskömmliche Gegenfinanzierung für die durch Bundesgesetze auferlegten Pflichten - insbesondere - im Sozialbereich bereitstellt. Die schrittweise Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung stellt in diesem Zusammenhang einen wichtigen ersten Schritt dar. Doch sie muss zukünftig ergänzt werden durch eine maßgebliche Beteiligung des Bundes an der Eingliederungshilfe. 3. Sieht die Landesregierung weitere Handlungsnotwendigkeiten neben dem Stär- kungspakt, um das Problem der kommunalen Kassenkredite zu lösen? Die unter der Antwort zu Frage 2 genannten Maßnahmen leisten wichtige Beiträge auf dem Weg zu einer flächendeckenden und dauerhaften Stabilisierung der kommunalen Finanzen. Bereits jetzt lässt sich ein positiver Entwicklungstrend erkennen: Während sich Ende 2011 noch 144 Kommunen in der vorläufigen Haushaltsführung befanden, ist die Zahl im Jahr 2012 stark zurückgegangen. Nicht zuletzt infolge der Aufstockung der kommunalen Finanzausgleichsmasse , der Umsetzung des Stärkungspaktes und der Änderung von § 76 Absatz 2 GO NRW befanden sich Ende 2012 nur noch 29 Kommunen im so genannten Nothaushaltsrecht . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3020 3 Vor diesem Hintergrund sieht die Landesregierung derzeit keine weiteren Handlungserfordernisse . 4. Welche Entwicklung der kommunalen Schuldensituation erwartet die Landesre- gierung zukünftig? Die Entwicklung der kommunalen Schulden hängt von zahlreichen, teils sehr unterschiedlichen Einflussfaktoren ab. Neben der konjunkturellen Situation ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf bundes- und landespolitische Entscheidungen sowie das finanzpolitische Handeln vor Ort zu verweisen. Gegenwärtig zeichnet sich eine positive Trendwende ab. So hat sich die Wachstumsdynamik der Kredite zur Liquiditätssicherung im Jahr 2012 stark verringert; nach Angaben des IT.NRW legten die dieser Kreditart zuzurechnenden Verbindlichkeiten gegenüber dem Vorjahreswert um 7,1 Prozent zu. Im Jahr 2011 betrug die Steigerung noch 9,6 Prozent und im Zeitraum 2005 bis 2010 sogar durchschnittlich 15,6 Prozent pro Jahr. Angesichts der konjunkturellen Unwägbarkeiten im Zuge der Euro-Krise bleibt die künftige Entwicklung allerdings abzuwarten. 5. Wie beurteilt die Landesregierung das Erfordernis von haushaltsrechtlichen Ein- schränkungen der Aufnahme von Kassenkrediten? Kredite zur Liquiditätssicherung dürfen von den Gemeinden nach § 89 Abs. 2 GO NRW zur rechtzeitigen Leistung ihrer Auszahlungen bis zu dem in der Haushaltssatzung festgesetzten Höchstbetrag aufgenommen werden, sofern keine anderen Mittel zur Verfügung stehen. Die Aufnahme der Kredite zur Liquiditätssicherung erfolgt im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung . Der insbesondere seit der Jahrtausendwende sprunghafte Anstieg der kommunalen Liquiditätskredite stellt eine Folge und nicht die Ursache der schwierigen Finanzlage der Städte und Gemeinden des Landes dar. Nachhaltig wirkende Gegenmaßnahmen müssen deshalb bei der Haushaltslage der Kommunen insgesamt ansetzen. Wie in der Antwort auf die Frage Nr. 2 dargestellt wurde, hat die Landesregierung hierzu verschiedene Maßnahmen ergriffen. Eine zusätzliche haushaltsrechtliche Einschränkung der Aufnahme von Kassenkrediten erscheint vor diesem Hintergrund weder zweckdienlich noch erforderlich.