LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3071 29.05.2013 Datum des Originals: 29.05.2013/Ausgegeben: 03.06.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1107 vom 23. April 2013 der Abgeordneten Robert Stein und Simone Brand PIRATEN Drucksache 16/2712 Transparenter Verbraucherschutz sichergestellt? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1107 mit Schreiben vom 29. Mai 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Datenbank www.lebensmitteltransparenz-nrw.de werden Daten gemäß § 40 Absatz 1 a des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB) gesammelt. Die Datenbank dient somit dem Verbraucherschutz und der Transparenz. Für eine ordentliche Pflege der Datenbank ist man auf die Unterstützung der Kommunen angewiesen. Zeitungsberichte (beispielsweise http://www.wa.de/lokales/hamm/stadt-hamm/hygienedatenbank-drei-betriebe-vorgemerkt- 2491474.html) lassen aber auch kritische Stimmen zu Wort kommen. So sollen u.a. erst Verstöße eingetragen werden, die mit einem Mindestbußgeld von 350€ behaftet sind, wobei die Kommunen ähnliche bzw. vergleichbare Vergehen mit unterschiedlicher Bußgeldhöhe versehen können und somit nicht sichergestellt wird, dass alle Vergehen in der Datenbank gelistet sind. Für die Stadt Hamm sind zwei Fälle erst am 03.04.2013 gelistet worden, obwohl die Gutachten zu den betroffenen Fällen auf den 23.01.2013 datiert sind. Dies lässt erhebliche Zweifel an der zeitnahen Erfassung der Daten aufkommen. Vorbemerkung der Landesregierung Aus gegebenem, aktuellem Anlass ist der Beantwortung der Kleinen Anfrage 1107 folgender Hinweis voranzustellen: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3071 2 Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG NRW) hat jüngst in drei Beschlüssen vom 24. April 2013 (Az. 13 B 192/12, 13 B 215/13 und 13 B 238/13) den zuständigen Behörden der Lebensmittelüberwachung wegen verfassungsrechtlicher Mängel des zugrunde liegenden Bundesgesetzes untersagt, die bei Betriebskontrollen festgestellten lebensmittel- und hygienerechtlichen Mängel sowie Grenzwertüberschreitungen im Internet auf der dafür vorgesehenen Plattform www.lebensmitteltransparenz-nrw.de zu veröffentlichen. Das Land hat daraufhin die Plattform vorläufig bis zu einer verbindlichen Klärung der Rechtslage geschlossen . In den drei aufgeführten, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlüssen hat das OVG NRW die Auffassung vertreten, dass die bundesgesetzliche Rechtsgrundlage des § 40 Absatz 1a Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) verfassungswidrig sei, da sie die Dauer der Veröffentlichungen zeitlich nicht begrenze. Die Information der Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmers stelle angesichts ihrer weitreichenden Verbreitung über das Internet und ihrer potentiell gewichtigen wirtschaftlichen Auswirkungen eine besonders weitgehende Form eines Eingriffs in die Rechte der betroffenen Unternehmen dar. Deshalb müsse der Gesetzgeber die zeitliche Wirkung dieser Veröffentlichung durch Aufnahme einer Löschungsfrist einschränken. Das nordrhein-westfälische Verbraucherschutzministerium hatte zwar auf dem Erlasswege eine automatische Löschung der Daten nach Ablauf eines Jahres vorgesehen. Eine derartige Regelung unterhalb des Gesetzesrangs hält das OVG jedoch nicht für ausreichend. Infolgedessen hat das Verbraucherschutzministerium die vorläufige Schließung der Internetplattform per Erlass vom 25.04.2013 veranlasst und folgt damit anderen Ländern wie Bayern oder Baden-Württemberg, die bereits im Februar und im März 2013 nach entsprechenden Entscheidungen ihrer Verwaltungsgerichtshöfe Veröffentlichungen gemäß § 40 Absatz 1a LFGB einstweilen gestoppt hatten. Abgesehen davon, dass neue Veröffentlichungen auf der Internetplattform einstweilen unterbleiben, sind auch die bisher eingestellten Datensätze über Verstöße oder Überschreitungen nicht mehr abrufbar. Eine Fortsetzung der Veröffentlichungspraxis erscheint, insbesondere auch im Hinblick auf künftige, absehbar ablehnende Gerichtsentscheidungen, derzeit nicht vertretbar. Ungeachtet dessen beabsichtigt das Verbraucherschutzministerium jedoch, an der Internetplattform www.lebensmitteltransparenz-nrw.de grundsätzlich festzuhalten und nach einer verbindlichen Klärung der Rechtslage die Veröffentlichungen wiederaufzunehmen. Die laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren werden bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung weitergeführt, sofern die jeweiligen Antragsteller ein Hauptsacheverfahren einleiten. Der Bundesrat hat die Problematik der Rechtsgrundlage des § 40 Absatz 1a LFGB bereits in seinen Stellungnahmen in den BR-Drs. 789/12 (B) und 151/13 (B) aufgegriffen. Die Länder halten eine Überarbeitung der Vorschrift durch den Bundesgesetzgeber zur Schaffung von mehr Rechtsklarheit und besseren Vollziehbarkeit in dem vom Bundesrat angemahnten Umfang für dringend geboten. Eine Arbeitsgruppe der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz hat inzwischen einen Erfahrungsbericht zu Umsetzung und Vollzug des § 40 Absatz 1a LFGB erstellt, der dem Bundesgesetzgeber als Erkenntnisquelle für notwendige Änderungen des § 40 Absatz 1a LFGB dienen kann. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3071 3 1. Welche Stellen sind an der Pflege der Datenbank beteiligt bzw. sind dafür verantwortlich ? Die technische Pflege der Datenbank erfolgt durch den Fachbereich 83 des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV). Die Eingabe und Pflege der Datensätze erfolgt in eigener Zuständigkeit im Bereich der Lebensmittelüberwachung ausschließlich durch die Kreisordnungsbehörden und im Bereich der Futtermittelüberwachung durch das LANUV. Die jeweils zuständige Behörde ist für den Inhalt der von ihr vorgenommenen Eintragungen (Vollständigkeit, Richtigkeit, Aktualität sowie Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Information) verantwortlich. 2. Wie viele Fälle gab es landesweit in den letzten 5 Jahren (gestaffelt nach Jahren und Kommunen), in denen ein Bußgeld von mehr als 350€ ausgesprochen wurde ? Über verhängte Bußgelder existiert keine landesweite Statistik und unabhängig davon keine allgemeine Berichtspflicht der zuständigen Überwachungsbehörden der Kommunen und des Landes. Im Rahmen einer Einzelabfrage für das Jahr 2011 ergab sich eine Gesamtzahl von landesweit 2.479 eingeleiteten Bußgeldverfahren vom 1.1. bis 31.12.2011. Aus den in diesem Zusammenhang übermittelten Daten ist jedoch die Zahl der verhängten Bußgelder von mehr als 350 Euro nicht ableitbar. Eine Abfrage der entsprechenden Daten bei den zuständigen Behörden ist innerhalb des zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraumes nicht möglich. 3. Wodurch kommt es zu den beschriebenen Verzögerungen zwischen Hygienever- gehen und dem Veröffentlichen in der Hygienedatenbank? Die beschriebenen Verzögerungen sind rechtsstaatlichen Anhörungs- und Fristerfordernissen geschuldet. Vor jeder Veröffentlichung ist nach § 40 Absatz 3 LFGB eine Anhörung der oder des Betroffenen durchzuführen. Erst nach Abschluss des Anhörungsverfahrens und dem Verstreichen einer der oder dem Betroffenen einzuräumenden Monatsfrist zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Veröffentlichung, also in der Regel nach Ablauf eines Zeitraumes von mindestens sechs Wochen, können festgestellte Untersuchungs- und/oder Überwachungs-ergebnisse in dem Portal veröffentlicht werden. Falls Rechtsmittel eingelegt werden, führt dies zu einer weiteren Verzögerung der Veröffentlichung, da in diesem Fall erst das Ergebnis der gerichtlichen Klärung abgewartet werden muss. Im Einzelfall kann die oder der Betroffene auf die Anhörung und Einlegung von Rechtsmitteln verzichten, was eine deutliche Verkürzung des Verfahrens bis zur Veröffentlichung zur Folge hat. 4 Welche Maßnahmen gedenkt die Landesregierung zu ergreifen um zukünftig sol- che Verzögerungen zu reduzieren? Da die beschriebenen Verzögerungen wie in der Beantwortung zu Frage 3 geschildert rechtsstaatlichen Anhörungs- und Fristerfordernissen geschuldet sind, sind hiergegen keine Maßnahmen der Landesregierung möglich. Im Übrigen hat die Landesregierung – namentlich das Verbraucherschutzministerium – seit In-Kraft-Treten des § 40 Absatz 1a LFGB kontinuierlich durch Erlasse den Vollzug gesteuert und koordiniert sowie bei gerichtlichen Streitverfahren den zuständigen Behörden Unterstützung geleistet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3071 4 5. Welche Kosten verursacht das Betreiben der Datenbank jährlich (inkl. potentieller Personal-, Raum-, Serverkosten etc.)? Die dem zuständigen Fachbereich 83 des LANUV entstehenden jährlichen Sachkosten (Raum-, Serverkosten etc.) liegen bei 5.683,44 Euro inkl. MwSt. Die jährlichen Personalkosten betragen 990,00 Euro.