LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3214 10.06.2013 Datum des Originals: 10.06.2013/Ausgegeben: 13.06.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1247 vom 3. Mai 2013 des Abgeordneten Volker Jung CDU Drucksache 16/2994 Erfüllt ein Nationalpark Senne die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1247 mit Schreiben vom 10. Juni 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Umweltminister Johannes Remmel hat nach dem Scheitern eines möglichen Nationalparks im Teutoburger Wald/Eggegebirge angekündigt, weiterhin einen Nationalpark in der Senne realisieren zu wollen (dpa-Meldung vom 20.12.2012). Es stellt sich die Frage, ob dieses Vorhaben mit den Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes vereinbar ist. Der Truppenübungsplatz Senne ist Teil des NATURA-2000-Gebiets DE-4118-301 „Senne mit Stapelager Senne“ und des Gebiets DE-4118-401 „Vogelschutzgebiet Senne mit Teutoburger Wald“. Für diese Gebiete sind Erhaltungsziele definiert worden. Für das FFH-Gebiet „Senne mit Stapelager Senne“ werden als Schutzziele und Maßnahmen definiert: Erhaltung und Optimierung der Buchenwald- und Eichenwald-Lebensräume u.a. durch naturnahe Waldbewirtschaftung (zusammen ca. 710 ha) sowie Erhaltung und Entwicklung bzw. Förderung verschiedener Offenlandlebensräume (Heiden, Borstgrasrasen, Pfeifengraswiesen etc.) durch Eingriffe des Menschen (zusammen ca. 2.620 ha). Keine Nutzung, wie sie für einen Nationalpark typisch ist, wird nur für Moorwälder, Moore, Erlen-Eschenwälder, Stillgewässer und Fließgewässer gefordert. Diese nehmen zusammen ca. 180 ha ein. Gemäß dem LANUV-Gutachten zur Nationalparkwürdigkeit der Senne aus dem Jahr 2011 ist die Gebietskulisse 11.619 ha groß. Die FFH-Lebensräume, für die als Erhaltungsziel der Prozessschutz gefordert wird, haben einen Anteil von 5,3 Prozent an allen FFH- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3214 2 Lebensräumen der Kulisse und einen Anteil von 1,6 Prozent an der gesamten Gebietskulisse . Nach § 32 Abs. 2 BNatSchG sind die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung „entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen“ zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Abs. 2 BNatSchG zu erklären. Gemäß § 32 Abs. 3 S. 1 BNatSchG bestimmt die Schutzerklärung den Schutzzweck „entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen“. Gemäß den Vorgaben der IUCN und des Dachverbandes der deutschen Großschutzgebiete, EUROPARC Deutschland, sollen in Nationalparks mindestens 75 Prozent der Fläche unter Prozessschutz stehen. Die Landesregierung verfolgt gemäß ihrem Koalitionsvertrag das Ziel, dass neue Nationalparks in NRW den IUCN-Kriterien entsprechen müssen. Es besteht also ein Widerspruch zwischen den aus dem Bundesnaturschutzrecht resultierenden Pflichten zur Erhaltung der NATURA-2000-Gebiete in der Senne und den Zielen der Landesregierung: Während nach den Meldedokumenten nur 1,6 Prozent des FFH-Gebietes dem Prozessschutz überlassen werden sollen, verlangt ein Nationalpark mindestens 75 Prozent . Ist ein Nationalpark also die falsche Schutzgebietskategorie für die Senne? Vorbemerkung der Landesregierung Gemäß § 24 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz haben Nationalparke zum Ziel, in einem überwiegenden Teil ihres Gebietes - also auf mehr als 50 Prozent der Fläche - den möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten. Das Gutachten zur Eignung der Senne als Nationalpark aus August 2011 des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) zeigt, dass die betrachtete Kulisse die Voraussetzungen des Bundesnaturschutzgesetzes zur Ausweisung eines Ziel-Nationalparks erfüllt. Demnach eignet sich ein Nationalpark Senne, zwei Ziele zu verfolgen: „1. die Entwicklung von Wäldern auf basenarmen Sanden, insbesondere trockenen, wechselfeuchten und feuchten Birken-Eichen-Wäldern, z. T. mit Kiefern, BuchenEichenwäldern und Waldmeister-Buchenwäldern auf kalkreichen Standorten sowie naturnahen Fließgewässern mit ihren Auenwäldern als natürliche Lebensräume auf ca. 55 % der Fläche, 2. die Umsetzung der FFH-Richtlinie durch den Schutz, die Pflege und die Entwicklung der größten nordrhein-westfälischen Heiden und Sandtrockenrasen sowie kleinen Heidemooren und Magergrünland als Reste der alten Kulturlandschaft, auch in ihren überragenden Funktionen für den Artenschutz.“ 1. Stimmt die Landesregierung der Auffassung zu, dass die Zielsetzung, in der Senne einen Nationalpark zu errichten, den zitierten Pflichten des Bundesnaturschutzgesetzes widerspricht? 2. Wenn nein, warum nicht. Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Nein, ein Nationalpark Senne würde den Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes entsprechen . Wie in der Vorbemerkung der Landesregierung dargelegt, werden die FFH-Ziele LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3214 3 im Rahmen der Nationalparkplanung berücksichtigt. Gemäß dem Gutachten des LANUV NRW zur Eignung der Senne als Nationalpark würde das Management der wertbestimmenden Offenland-Lebensräume in Verbindung mit Wäldern, die sich auf ca. 55 % der Fläche ohne menschliche Nutzung natürlich entwickeln sollen und die damit dem Prozessschutz unterlägen, einen in seiner Vielfalt einzigartigen Nationalpark schaffen. Demnach wäre ein Nationalpark Senne in besonderer Weise geeignet, „… den überwiegenden Prozessschutz und die Verpflichtungen aus Natura 2000 zu gewährleisten“. 3. Wie steht die Landesregierung zur Position, dass die Schutzgebietskategorie „Naturschutzgebiet“ erheblich besser mit den definierten Erhaltungszielen in Einklang zu bringen ist als die Kategorie „Nationalpark“? 4. Könnten aus Sicht der Landesregierung die Erhaltungsziele der NATURA-2000- Gebiete in einem Naturschutzgebiet verwirklicht werden? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die bereits in den Jahren 1991 und 2005 einstimmig vom Landtag beschlossene Ausweisung eines Nationalparks Senne für den Schutz des Gebietes inklusive der Natura 2000-Bereiche die beste Schutzkategorie darstellt. Durch die im oben genannten LANUV-Gutachten dargelegte Schutzkonzeption für einen Nationalpark Senne (Kombination einer natürlichen Waldentwicklung mit Natura 2000-Zielsetzungen) könnte ein großes ökologisches Potenzial ausgeschöpft werden. Hiermit soll auch ein Beitrag zum Erreichen der Ziele der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt geleistet werden . Diese enthält unter anderem die Ziele, dass sich die Natur bis zum Jahr 2020 auf mindestens 2 % der Landesfläche Deutschlands wieder nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickeln kann und der Flächenanteil der Wälder mit natürlicher Waldentwicklung 5 % der Waldfläche beträgt.