LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3258 12.06.2013 Datum des Originals: 12.06.2013/Ausgegeben: 17.06.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1223 vom 1. Mai 2013 der Abgeordneten Ralf Witzel, Holger Ellerbrock und Kai Abruszat FDP Drucksache 16/2879 Verstaatlichung der Steag durch finanzschwache Kommunen im Ruhrgebiet – Zahlt nun der nordrhein-westfälische Steuerzahler die Zeche für dieses ohne jede Not eingegangene ökonomische Risiko? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1223 mit Schreiben vom 12. Juni 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit sich im Jahr 2010 die sämtlich hochverschuldeten Städte Dortmund, Oberhausen, Bochum, Essen, Dinslaken und Duisburg durch die jeweiligen Stadtwerke auf den riskanten Deal eingelassen haben, mit zumeist geliehenem Geld den Energieerzeuger Steag zu erwerben, verfolgt die FDP-Landtagsfraktion die weitere Geschäftsentwicklung mit kritischem Blick, da sie stets vor den ökonomischen Risiken der Übernahme durch das StadtwerkeKonsortium gewarnt hat. Vor diesem Hintergrund erfüllt die Berichterstattung der BILD-Zeitung vom 19. April 2013 „Steag braucht dringend Geld – Blecht NRW für den Größenwahn im Revier?“, die in der Rubrik „Die Wahrheit der Woche“ veröffentlicht worden ist, den wachsamen Betrachter mit Sorge. Der Autor führt dort aus, dass der Gewinn des Steag-Konzerns im Jahr 2012 um ein Drittel weggebrochen sei, da die Steag auch durch die wachsende Menge subventionierten Wind- und Solarstroms im Netz immer häufiger zum Abschalten ihrer konventionellen Kraftwerke gezwungen worden sei. Ferner musste die Steag offenbar im Jahr 2013 über 100 Millionen Euro Dividende an die beteiligten Städte ausschütten, damit diese ihre Kredite bedienen konnten – und dies, obwohl Marktkreise dem Konzern dringend raten, stärker vorhandene Ressourcen in die Modernisierung des Kraftwerkparks zu investieren. Die Situation verschärfend kommt außerdem hinzu, dass im Kaufvertrag vertraglich geregelt ist, dass die Kommunen über ihre Gesellschaften, die bislang mit „nur“ 51 Prozent für rund LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3258 2 650 Millionen Euro an der Steag beteiligt sind, bis 2016 auch die übrigen 49 Prozent für rund 600 Millionen Euro übernehmen müssen. Der einzige rettende Ausweg aus dieser Situation dürfte darin bestehen, stattdessen einen privaten Investor zu finden, der diese Verpflichtung zum Erwerb übernimmt. Nach dem öffentlichen Kenntnisstand konnte ein solcher allerdings bislang leider noch nicht gefunden werden. Fraglich bleibt damit, ob die oben genannten Kommunen aktuell und zukünftig in den kommenden Jahren mit ihren Stadtwerken über entsprechende finanzielle Möglichkeiten verfügen, um diesen – wenn auch ohne jede Not selbstverschuldeten – Kraftakt stemmen zu können. Der zitierte Bericht prognostiziert daher, dass dieses Problem zeitnah das Land belasten werde. Sollte es zu einem solchen Szenario kommen, hätte dies zur Folge, dass der nordrhein-westfälischen Steuerzahler wieder einmal für kommunale Fehlentscheidungen aufkommen müsste. In Anbetracht der dramatischen nordrhein-westfälischen Haushaltslage kann dies objektiv betrachtet nicht die von Landesseite gewünschte Lösung sein. Für das Parlament ist diese Frage daher von besonderer Bedeutung, ob sich aus dem Steag-Deal für das Land zukünftig bislang unbekannte Belastungen ergeben können. 1. Welche konkreten einzelnen Absichten bestehen seitens der Landesregierung, zur Unterstützung der hochverschuldeten Kommunen des StadtwerkeKonsortiums in den Steag-Deal zu einem späteren Zeitpunkt finanziell oder rechtlich mit einzusteigen? keine 2. Welche konkreten Gespräche und Erfolgsaussichten des Stadtwerke- Konsortiums oder anderer Beteiligter mit möglichen privaten Investoren für den Erwerb des noch verbliebenen 49%igen Anteils am Unternehmen sind der Landesregierung bekannt? 3. Welche einzelnen Erkenntnisse liegen der Landesregierung und ihren zuständigen Instanzen der Kommunalaufsicht seit dem Verkaufstermin zur bisherigen und zukünftigen ökonomischen Entwicklung der Steag vor? 4. Aus welchen einzelnen Gründen hält es die Landesregierung für zulässig, sinnvoll und dem Steuerzahler gegenüber vertretbar, wenn sich finanzschwache Kommunen mit ihren Stadtwerken weiter am Kapitalmarkt verschulden, um mit diesem Kapital wirtschaftlichen Betätigungen und Risiken auch weltweit außerhalb ihrer kommunalen Daseinsvorsorge nachzugehen? 5. Aus welchen einzelnen Gründen heraus hält es die Landesregierung für sinnvoll und dem Steuerzahler gegenüber vertretbar, wenn Ruhrgebietskommunen über ihre Stadtwerke auch 2016 den verbliebenen Restanteil von 49% an der Steag erwerben würden? Wie bereits bei der Beantwortung der vorangegangenen Kleinen Anfrage 716 zum SteagKomplex ausgeführt wurde (LT-Drs. 16/1772), ist es weder Aufgabe der Landesregierung noch der Kommunalaufsicht, die nachhaltige Wirtschaftlichkeit des Steag-Kaufs zu beurteilen. Vielmehr obliegt dies, im Rahmen der verfassungsrechtlich verbürgten Selbstverwaltungshoheit, zu der nach Maßgabe der gemeindewirtschaftsrechtlichen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3258 3 Vorgaben traditionell auch die wirtschaftliche Betätigung gezählt wird, der Bewertung durch die betroffene kommunale Ebene. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltungshoheit und der damit einhergehenden kommunalen Selbstverantwortung liegt es daher auch allein in der Verantwortung der betroffenen kommunalen Ebene, zu bewerten, wie sich ihre einzelnen wirtschaftlichen Betätigungen ökonomisch entwickeln und ob ihre wirtschaftlichen Betätigungen sinnvoll sind. Die Kommunalaufsicht hat lediglich zu prüfen, ob bei den wirtschaftlichen Betätigungen der kommunalen Ebene die gemeindewirtschaftsrechtlichen Vorgaben beachtet werden. Die Führung und Bewertung der Erfolgsaussichten der in dieser Kleinen Anfrage thematisierten Gespräche liegen gleichfalls allein in der Eigenverantwortung der betroffenen kommunalen Ebene.