LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3307 18.06.2013 Datum des Originals: 18.06.2013/Ausgegeben: 21.06.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1276 vom 23. Mai 2013 der Abgeordneten Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/3039 Warum sperrt die Schulministerin aus Kostengründen Vertretungsunterricht an Schulen und verschwendet gleichzeitig Landesmittel für Broschüren zu einem „Schulversuch “, dessen Genehmigungspraxis vom OVG Münster als „offensichtlich rechtswidrig “ bezeichnet wurde? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1276 mit Schreiben vom 18. Juni 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Vor einigen Tagen ist Abgeordneten aus dem Schulministerium eine „Dokumentation“ zugeleitet wurde. In dieser Broschüre des Ministeriums für Schule und Weiterbildung wird auf rund 80 Seiten der vor Gericht gescheiterte „Schulversuch“ zur Gemeinschaftsschule „dokumentiert “ (Information 16/93). Schulministerin Löhrmann hat dem Ausschuss für Schule und Weiterbildung die Veröffentlichung des Ministeriums zuleiten lassen und in ihrem Begleitschreiben erklärt, dass weitere Exemplare „bei Bedarf gerne zur Verfügung gestellt werden“ könnten. Es ist verwunderlich, dass für diese Dokumentation „Schulversuch Längeres gemeinsames Lernen - Gemeinschaftsschule" Gelder vorhanden sind, während die Ministerin für Schule und Weiterbildung gleichzeitig 25 Millionen Euro für Vertretungsunterricht an Schulen gesperrt hat. Auch wenn die Entwicklungs-, Layout- und Druckkosten selbstverständlich diesen Betrag keinesfalls erreichen werden, stellt sich die Frage nach der Prioritätensetzung des Schulministeriums. In einem von der FDP beantragten Bericht teilt die Ministerin mit, dass die Kürzung der Vertretungsmittel Mehrarbeit der Pädagogen und die Streichung zusätzlicher Angebote an Schulen zur Folge haben dürfte. Auch könne es aufgrund der Kürzung zu Unterrichtsausfall kommen (Vorlage 16/845). Daher ist es erstaunlich, dass einerseits von den Pädagogen Mehrarbeit gefordert und offensichtlich Unterrichtsausfall für Kinder in Kauf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3307 2 genommen werden, andererseits aber Ressourcen für eine solche Broschüre bereitgestellt werden. Auch verwundert die offenkundig mangelnde rechtsstaatliche Sensibilität der Schulministerin. Der angebliche „Schulversuch“ zur Gemeinschaftsschule war vom OVG Münster mit der Feststellung, die Genehmigungspraxis des Ministeriums sei „offensichtlich rechtswidrig“, gestoppt worden. Daher ist es erstaunlich, dass Ministerin Löhrmann eine „offensichtlich rechtswidrige“ Genehmigungspraxis nun auch noch auf Kosten der Steuerzahler in der Broschüre umfassend lobt. 1. Welche Kosten sind dem Land im Einzelnen durch die Broschüre „Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“, Dokumentation zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschulen in Nordrhein-Westfalen zum Schuljahr 2011/2012“ entstanden? (bitte als Gesamtsumme sowie nach einzelnen Kosten, also z.B. umgerechnete Personalstunden von Mitarbeitern des Ministeriums , Layoutkosten, Druckkosten etc. aufschlüsseln). Die Gesamtherstellungskosten der Broschüre beliefen sich auf 25.018,91 Euro. Einzelaufstellung: Honorar Autorinnen/Lektorin 21.253,40 Euro Layoutkosten 1.390,00 Euro Druckkosten 2.375,51 Euro Die Personalkosten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums lassen sich nicht beziffern, da diese Tätigkeiten zum Alltagsgeschäft gehören. 2. Da die Ministerin in der genannten Broschüre das im Titel als „Schulversuch“ deklarierte Vorgehen in höchsten Tönen lobt, wie bewertet sie vor diesem Hintergrund die damalige Bewertung des OVG Münster, die den Charakter eines „Schulversuchs“ nachdrücklich infrage gestellt hat? 3. Warum hält es die Ministerin für unproblematisch, ihr schulpolitisches Vorgehen im Zusammenhang mit dem Gründungsprozess der Gemeinschaftsschulen nachdrücklich zu loben, obwohl das OVG Münster die Genehmigungspraxis des Ministeriums als „offensichtlich rechtswidrig“ bewertet hat? Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 09. Juni 2011 steht in keinem Zusammenhang mit der vorgelegten Dokumentation zum Entstehungsprozess der Gemeinschaftsschulen in Nordrhein-Westfalen zum Schuljahr 2011/2012. Gegenwärtig existieren insgesamt 12 bestandskräftig genehmigte Gemeinschaftsschulen, die von der vorgenannten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes nicht berührt sind. Mit Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Schulstruktur in NordrheinWestfalen vom 25. Oktober 2011 (6. Schulrechtsänderungsgesetz) hat der Landesgesetzgeber die Schulen, die an dem zum 1. August 2011 begonnenen Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ teilnehmen, ausdrücklich legitimiert und bis zum Ablauf des Schuljahres 2019/2020 – und danach auslaufend - in ihrem Bestand geschützt. Die Arbeit der Schulen wird wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Es bestehen gemäß LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3307 3 Artikel 2 Absatz 3 des 6. Schulrechtsänderungsgesetzes Berichtsverpflichtungen gegenüber dem Landtag. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zum Tatbestandsmerkmal der Erprobung im Sinne des § 25 Schulgesetz NRW ändern nichts daran, dass auch der Schulversuch „Längeres gemeinsames Lernen – Gemeinschaftsschule“ als Wegbereiter für den am 19. Juli 2011 beschlossenen Schulkonsens anzusehen ist. Im Übrigen schmälern sie nicht die pädagogische und/oder organisatorische Pionierarbeit der beteiligten Schulen und Kommunen. 4. Wie bewertet die Ministerin die Finanzierung von Broschüren aus Steuergeldern zu einem höchstrichterlich als „offensichtlich rechtswidrig“ bezeichneten „Schulversuch“, wenn gleichzeitig durch ihre Sperrung von Vertretungsmitteln nach eigener Aussage Unterrichtsausfall an Schulen offensichtlich nicht zu vermeiden sein wird? Zum Vorwurf der angeblichen Rechtswidrigkeit verweise ich auf die Antwort zu Frage 2 bzw. 3. Die Frage der Sperrung eines Teils der Flexiblen Mittel für Vertretungsunterricht ist unabhängig von der Frage der Finanzierung von Informationsbroschüren zu bewerten. Der Auftrag zur Erstellung der Broschüre wurde bereits 2012 erteilt und auch größtenteils bezahlt. Die Finanzierung erfolgte aus den gegenseitig deckungsfähigen Sach- und Zuschussmitteln des Kapitels 05 350 Titelgruppe 60, die mit dem Haushalt 2013 um 350.000 EUR gekürzt wurden. Die Zahlung im Haushaltsjahr 2013 beläuft sich auf eine Restzahlung von rund 4.600 EUR. Die FDP-Fraktion hatte für die Sitzung des Ausschusses für Schule und Weiterbildung am 08. Mai 2013 einen Bericht zum Thema „Flexible Mittel für Vertretungsunterricht“ erbeten. Mit Vorlage 16/845 wurde dem Schulausschuss dieser Bericht zur Sitzung am 08. Mai 2013 vorgelegt . In diesem Bericht ist ausführlich dargelegt, welche Gründe die Landesregierung dazu veranlasst haben, 25 Mio. EUR bei den Flexiblen Mitteln für den Vertretungsunterricht vorläufig zu sperren.