LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3391 27.06.2013 Datum des Originals: 26.06.2013/Ausgegeben: 02.07.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1284 vom 25. Mai 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/3054 Belastungen aus dem Aufbau von WestLB-Finanzplätzen in Offshore-Destinationen – Was wusste der frühere Ministerpräsident Peer Steinbrück wirklich? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1284 mit Schreiben vom 26. Juni 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der zurückliegenden Plenarwoche hat Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans die Rolle des früheren nordrhein-westfälischen Finanzministers und Ministerpräsidenten Peer Steinbrück bei der Parlamentsdebatte zum Thema „Nordrhein-Westfalen setzt ein Zeichen gegen Offshore-Finanzplätze – Geschäfte von Landesbeteiligungen und Institutionen in Steuer-oasen unterlassen“ am 15. Mai 2013 relativiert. Ausweislich des Plenarprotokolls 15/31 hat der Finanzminister dort wörtlich ausgeführt: „Sie möchten das gerne auf Peer Steinbrück ziehen. Man muss den Eindruck haben, wenn Sie das alles aufzeichnen, dass Peer Steinbrück 200 Jahre Finanzminister dieses Landes gewesen sein muss. Er war es aber nur von 2000 bis 2002.“ Objektiv unstrittig dürfte demgegenüber aber sein, dass Peer Steinbrück in seinen unterschiedlichen Funktionen als Mitglied der nordrhein-westfälischen Landesregierung als Wirtschaftsminister, als Finanzminister sowie als Ministerpräsident im Zeitraum vom 28. Oktober 1998 bis 22. Juni 2005 (also fast sieben Jahre) maßgeblich die Eigentümerverantwortung des Landes für die WestLB mit getragen hat. Steinbrück ist ferner vom 29. Oktober 1998 bis 30. August 2002 in exponierter Position als stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrates der WestLB und Mitglied weiterer Bankgremien wie dem Präsidialauschuss oder dem Kreditausschuss gewesen. Steinbrücks überwiegende Amtszeit in der Aufsichtsfunktion ist dabei auf die Unternehmensleitung des früheren WestLBVorstandsvorsitzenden Friedel Neuber entfallen. Eine leitende Position im Verwaltungsrat ist unstreitig mit einer besonderen persönlichen Verantwortung für die Institution und Haftung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3391 2 für deren Aktivitäten verbunden. Die Organhaftung umfasst insbesondere die Obliegenheit, Schaden von einer Organisation abzuwenden und eine Ordnungsmäßigkeit der Geschäftstätigkeit sicherzustellen. Bei öffentlichen Unternehmen umfasst daher eine Aufsichtsfunktion grundsätzlich den Auftrag zur Vermeidung negativer öffentlich-rechtlicher, zivilrechtlicher und strafrechtlicher Belange. In Bezug auf die Geschäftstätigkeit in Offshore-Finanzplätzen und Steueroasen ist aktuell von Interesse, über welche genauen Kenntnisse Ministerpräsident a. D. Peer Steinbrück im zuvor dargestellten Verantwortungszeitraum tatsächlich verfügt hat oder aufgrund seiner Gremienzugehörigkeit bei einer pflichtbewussten Aufgabenwahrnehmung jedenfalls hätte verfügen müssen. Wie ausgeprägt sich letztere bei der WestLB gestaltet hat, ist fraglich, seitdem öffentlich bekannt ist, dass Peer Steinbrück selbst als Mitglied an überaus wichtigen Sitzungen des Kreditausschusses, dem er angehörte, nicht teilgenommen hat, ohne dass er übrigens auf die damit verbundenen Bezüge verzichtet hätte. Die Geschäftsberichte der WestLB weisen für den siebenjährigen Verantwortungszeitraum von Peer Steinbrück Engagements der Staatsbank in zahlreichen Offshore-Destinationen sowie klassischen Steueroasen auf. Zu den öffentlich aufgelisteten Unternehmensaktivitäten gehören nicht nur eine WestLB-Niederlassung in Luxemburg (Geschäft mit vermögenden Privatkunden) oder in der Schweiz (bekannt für ihre Dienstleistung bei der Beratung und Vermögensverwaltung für diverse Liechtenstein-Stiftungen) sowie Singapur und Hongkong. Insbesondere fallen diverse Offshore-Finanzplätze ins Auge. So existieren Niederlassungen, Tochtergesellschaften oder Unternehmensbeteiligungen der WestLB beispielsweise in Curaçao, auf den Cayman Islands, Bermuda, Jersey oder Port Vanuatu, die einschlägig als Offshore-Finanzplätze von Bedeutung sind. Oftmals gibt es dort keine Einkommensteuern, Körperschaftsteuern oder Kapitalertragsteuern. In dem erwähnten siebenjährigen Verantwortungszeitraum existierten Patronatserklärungen für Offshore-Finanzaktivitäten, ist die WestLB Covered Bond Bank plc. in Dublin als neues Verbundunternehmen entstanden (2002) oder die Rathgar Capital Management in Bermuda erworben worden (2003/2004). Von Offshore-Finanzplätzen wie Curaçao hat die WestLB Anleihevolumina von mehreren Milliarden Euro begeben. Die Laufzeit einzelner Emissionen reicht noch bis 2041. Marktkreise gehen davon aus, dass im Zeitraum von 1998 bis 2005 in Offshore-Destinationen auch sogenannte Structured Investment Vehicle (SIV) mit Bezug zur WestLB aufgebaut worden sind, für deren gehandelte Papiere die WestLB Haftungs- und / oder Liquiditätszusagen gegeben hat. Es hat dabei auch seinerzeit bereits ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür gegeben, dass zumindest einzelne Engagements auch (steuer)rechtlich problematisch sein können oder die Gewährträgerhaftung betreffen. Als stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender hat Peer Steinbrück ganz unmittelbar erlebt, wie das große Steuerermittlungsverfahren gegen die WestLB 2001 nur gegen die Entrichtung einer ausgesprochen üppigen Zahlung von 15 Mio. DM eingestellt worden ist. Der WestLB ist in diesem Zusammenhang vorgeworfen worden, sie habe in Schlüsselpositionen Beihilfe zur Verschiebung von Kundenvermögen an der Steuer vorbei ins Ausland geleistet. Das Verfahren hat 50 WestLB-Banker, Direktoren und Vorstandsmitglieder betroffen. 1.500 Ermittlungsverfahren sind seinerzeit gegen Kunden eingeleitet worden; das am deutschen Fiskus vorbeigeschleuste Geld nach Liechtenstein, Luxemburg und in die Schweiz wurde damals auf 1,2 Mrd. DM geschätzt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3391 3 1. Welche genauen Erkenntnisse über Offshore-Finanzaktivitäten und die damit jeweils verbundenen steuerrechtlichen Problematiken sowie Haftungsprobleme haben der Landesregierung im Zeitraum von 1998 bis 2005 vorgelegen? Hierzu wird auf die Antwort zur Frage 1 der Kleinen Anfrage 1217 verwiesen. 2. Welche konkreten einzelnen Maßnahmen hat Ministerpräsident a.D. Peer Steinbrück in seinen jeweils unterschiedlichen Funktionen und Verantwortlichkeiten im Zeitraum seiner Kabinettsmitgliedschaft von 1998 bis 2005 ergriffen, um die mit den Offshore-Geschäften der WestLB verbundenen ökonomischen wie rechtlichen Probleme oder Risiken zeitnah zu reduzieren oder ganz zu vermeiden? Herr Ministerpräsident a. D. Peer Steinbrück war vom 29.10.1998 bis 30.08.2002 Mitglied des Verwaltungsrates der Westdeutschen Landesbank Girozentrale. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Aufsichtsgremium unterliegt Herr Ministerpräsident a.D. Peer Steinbrück der Verschwiegenheitspflicht. An diese Verschwiegenheitspflicht ist auch das Finanzministerium gebunden. 3. Welche konkreten Aktivitäten im Zusammenhang mit der WestLB sind in Offshore-Destinationen oder Steueroasen im Zeitraum von 1998 bis 2005 sowohl fortgesetzt als auch neu begonnen worden? (wie beispielsweise Erwerb von Beteiligungen, Gründung neuer Gesellschaften oder Geschäftsfelder, großvolumige Emissionen, Etablierung von Structured Investment Vehicles etc.) Hierzu wird auf die Antwort zur Frage 2 der Kleinen Anfrage 1217 verwiesen. 4. In welchem Umfang haben Finanzprodukte Eingang ins Phoenix-Portfolio gefunden, die einen Bezug zu Offshore-Finanzplätzen aufweisen, die bis 2005 etabliert worden sind? Wenn es auch erkennbar nicht im Interesse des Fragestellers liegt, Angaben über den Informationsstand der Landesregierung in der Zeit zwischen 2005 und 2010 zu erhalten, so ist eine Darstellung der auf Phoenix übertragenen Papiere doch nur zum Stichtag der Übertragung, dem 31.03.2008 möglich. Stellt man auf die Wertpapiere haltenden Gesellschaften ab, ergibt sich folgende Zusammensetzung des Portfolios (ohne Derivate, deren Zusammenstellung mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre): USA 50,8% Cayman Inseln 25,3% Irland 20,8% Jersey 1,3% Niederlande 0,9% Sonstige 0,9% Dagegen lag der rechtliche Sitz des Emittenten des jeweiligen Wertpapiers (ohne Derivate) zu gut 90% in den USA. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3391 4 5. An jeweils welchen Sitzungen der unterschiedlichen Gremien der WestLB, in denen Peer Steinbrück für die Landesregierung Mitglied gewesen ist, hat dieser konkret zwischen 1998 und 2005 persönlich (nicht) teilgenommen? (bitte vollständige Dokumentation der Sitzungsanwesenheit/-absenz für jeden Sitzungstermin aller Gremien) Herr Ministerpräsident a. D. Peer Steinbrück war vom 29.10.1998 bis 30.08.2002 Mitglied des Verwaltungsrates der Westdeutschen Landesbank Girozentrale. Zur Vertretung in den Gremiensitzungen der WestLB Girozentrale sah § 43 Abs. 3 des seinerzeit gültigen Sparkassengesetzes NRW folgende Regelung vor: „Die Mitglieder gemäß Absatz 1 Buchstabe a) bis f) sind befugt, sich im Verwaltungsrat und in seinen Ausschüssen außer im Vorsitz durch einen ständigen Vertreter vertreten zu lassen“. Von dieser Regelung hat Herr Ministerpräsident a. D. Peer Steinbrück in den Sitzungen des Kreditausschusses in der Regel Gebrauch gemacht. Gremium Sitzungstermin Teilnahme ja Teilnahme nein I. Gewährträgerversammlung - Gaststatus als Mitglied des Präsidialaus- schusses 14.12.1998 x 17.05.1999 x 21.12.1999 x 29.03.2000 x 17.05.2000 x 13.12.2000 x 21.05.2001 x 12.12.2001 x 13.05.2002 x 01.08.2002 x LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3391 5 Gremium Sitzungstermin Teilnahme ja Teilnahme nein II. Verwaltungsrat 25.11.1998 x 04.03.1999 x 17.05.1999 x 22.09.1999 x 24.11.1999 x 15.03.2000 x 17.05.2000 x 27.09.2000 x 27.11.2000 x 16.03.2001 x 21.05.2001 x 03.10.2001 x 02.12.2001 x 13.03.2002 x 27.04.2002 x 13.05.2002 x III. Präsidialausschuss 29.10.1998 x 25.11.1998 x 14.12.1998 x 04.03.1999 x 03.05.1999 x 17.05.1999 x 12.07.1999 x 22.09.1999 x 27.10.1999 x 24.11.1999 x 21.12.1999 x 15.03.2000 x 29.03.2000 x 08.05.2000 x 17.05.2000 x 27.09.2000 x 25.10.2000 x 27.11.2000 x 13.12.2000 x 02.02.2001 x 16.03.2001 x 07.05.2001 x 21.05.2001 x 03.10.2001 x 02.12.2001 x 24.10.2001 x LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3391 6 Gremium Sitzungstermin Teilnahme ja Teilnahme nein 12.12.2001 x 13.03.2002 x 09.04.2002 x 27.04.2002 x 06.05.2002 x 13.05.2002 x 27.05.2002 x 03.07.2002 x IV. Kreditausschuss 05.11.1998 x 03.12.1998 x 07.01.1999 x 04.02.1999 x 11.03.1999 x 08.04.1999 x 05.05.1999 x 10.06.1999 x 08.07.1999 x 05.08.1999 x 02.09.1999 x 30.09.1999 x 28.10.1999 x 02.12.1999 x 06.01.2000 x 03.02.2000 x 09.03.2000 x 06.04.2000 x 04.05.2000 x 08.06.2000 x 06.07.2000 x 10.08.2000 x 07.09.2000 x 28.09.2000 x 09.11.2000 x 07.12.2000 x 11.01.2001 x 08.02.2001 x 05.04.2001 x 03.05.2001 x 07.06.2001 x 05.07.2001 x 09.08.2001 x 06.09.2001 x LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3391 7 Gremium Sitzungstermin Teilnahme ja Teilnahme nein 04.10.2001 x 08.11.2001 x 06.12.2001 x 10.01.2002 x 14.02.2002 x 06.03.2002 x 11.04.2002 x 02.05.2002 x 06.06.2002 x 03.07.2002 x 16.08.2002 x