LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3398 27.06.2013 Datum des Originals: 27.06.2013/Ausgegeben: 02.07.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1270 vom 22. Mai 2013 der Abgeordneten Monika Pieper PIRATEN Drucksache 16/3029 Beschulung von Zuwandererkindern Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1270 mit Schreiben vom 27. Juni 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Presseberichterstattung ist zu entnehmen, dass nicht jedem schulpflichtigen Kind aus Zuwandererfamilien ein Schulplatz angeboten werden kann (siehe z.B. Zeit-Online am 21.03.2013: Das umkämpfte Haus und RP-Online am 25.03.2013: Schwierige Integration am "Problemhaus" der Rumänen). In einigen Fällen ist die Alphabetisierung der Kinder notwendig oder die Kenntnisse der deutschen Sprache sind noch nicht ausreichend, um dem Unterricht in einer Regelklasse zu folgen. Für solche Kinder und Jugendliche ist die Einrichtung von Vorbereitungs- und Auffangklassen, sogenannten Seiteneinsteigerklassen vorgesehen. (RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 21. 12. 2009) Die Berichterstattung vermittelt den Eindruck, dass in Kommunen mit hoher Zuwanderungszahl dieses Angebot nicht bedarfsdeckend besteht, so dass einer signifikanten Zahl von Zuwandererkindern der Zugang zum Bildungsbereich verschlossen bleibt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3398 2 1. Wie viele Lerngruppen wurden für den Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte, deren Kenntnisse in der deutschen Sprache die Teilnahme am Unterricht einer Regelklasse noch nicht ermöglichen, in den Schuljahren 2012/13 und 2013/14 gebildet? Bitte nach Schulformen und Kommunen aufschlüsseln. Die Anzahl der Auffangklassen und der Vorbereitungsklassen kann in der für die Beantwortung Kleiner Anfragen gegebenen Frist nicht erhoben werden. 2. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung zum Übergang aus solchen Lerngruppen in Regelklassen? Daten zum Übergang von Kindern aus Zuwanderfamilien in Regelklassen werden nicht erhoben. Allgemein gilt, dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund entsprechend dem Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung „Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte, insbesondere im Bereich der Sprachen“ (BASS 13-63 Nr. 3) individuell und entsprechend ihrer jeweiligen Lernvoraussetzungen und bisherigen Lerngeschichte so gefördert werden, dass die im Bezugserlass vorgesehene Verweildauer in Auffang- oder Vorbereitungsklassen möglichst eingehalten wird. 3. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung zu Fällen in denen Zuwandererkinder unbeschult bleiben? Die Beschulung von Seiteneinsteigern stellt zurzeit mehrere Kommunen vor besondere Herausforderungen, weil dort die Zuwanderungszahlen unvorhersehbar angestiegen sind und noch weiter ansteigen. Die Stadt Duisburg beispielsweise spricht zurzeit von rund 200 Kindern und Jugendlichen. Weitere konkrete Zahlen liegen der Landesregierung jedoch nicht vor. Zur Sicherstellung einer angemessenen und wirksamen Beschulung sind u. a. eine Erhebung des Gesundheitszustandes und des Bildungsstandes erforderlich. Schließlich ist es erforderlich, dass in den Schulen ausreichende Raumkapazitäten zur Verfügung stehen. 4. Welche organisatorischen, personellen und finanziellen Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Beschulung schulpflichtiger Zuwandererkinder zu gewährleisten? 5. Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Landesregierung besonders betroffene Kommunen bei der Gewährleistung der Bildungsteilhabe von Zuwandererkindern? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Vor Ort werden durch Schulaufsicht, Kommunen, Kommunale Integrationszentren und freie Träger gemeinsam möglichst passgenaue Konzepte zur Einrichtung von Auffang- und Vorbereitungsklassen, zum Einsatz der Integrationsstellen an Schulen sowie zur Qualifizierung und Fortbildung von Lehrkräften und Fachkräften entwickelt. Schulen mit einem besonders hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, insbesondere in Wohngebieten und Regionen mit einem hohen Anteil von Menschen in wirtschaftlichen und sozialen Problemlagen, werden durch die Bereitstellung von zusätzlichen Stellen für die Teilhabe und Integration durch Bildung (Integrationsstellen) unterstützt. Dabei stellen die Bezirksregierungen sicher, dass LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3398 3 ausreichend Stellenanteile für Bedarfe zur Verfügung stehen, auf die flexibel reagiert werden muss, wie bei unvorhergesehenen Zuzug größerer Gruppen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund (Nr. 2.2 d. RdErl d. MSW „Vielfalt gestalten – Teilhabe und Integration durch Bildung; Verwendung von Integrationsstellen“ v. 29.6.2012). Darüber hinaus können temporär auch die Stellen gegen Unterrichtsausfall, für Vertretungsaufgaben und für besondere Förderaufgaben unvorhersehbar zuziehender Kinder verwendet werden. Das Land strebt an, dass – soweit möglich – auch Lehrkräfte mit Migrationshintergrund aus den Ländern der neu zuwandernden Kinder für den herkunftssprachlichen Unterricht zu gewinnen. Die Lehrkräfte sollen in den Schulen auch als Vertrauenspersonen für die Eltern der neu zu beschulenden Kinder eingesetzt werden. In Köln ist es bereits gelungen, eine Herkunftssprachenlehrkraft zu gewinnen, die Romanes spricht, in der Bezirksregierung Düsseldorf eine mit der Herkunftssprache Bulgarisch. Es wird geprüft, ob zurzeit unbesetzte Stellen mit entsprechenden Lehrkräften, möglicherweise aus dem Kreis der neu zuwandernden Menschen, besetzt werden könnten. Die neuen Kommunalen Integrationszentren, gefördert vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales und vom Ministerium für Schule und Weiterbildung, sind wichtige Partner, um sicherzustellen, dass allen Kindern und Jugendlichen die Teilhabe an Bildung ermöglicht wird. Sie haben u.a. die Aufgabe, sowohl Schulen und außerschulische Bildungsträger bei der Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrages und auch zuwandernde Kinder, Jugendliche und ihre Eltern in Bildungsfragen zu beraten und zu unterstützen. Ein Schwerpunkt im Kontext dieser Aufgaben ist die sogenannte Seiteneinsteigerberatung. Bei der landesweiten Koordinierungsstelle der kommunalen Integrationszentren (bisherige RAA-Hauptstelle) gibt es eine eigens mit der Beratung und Qualifizierung von Lehrkräften zur Sprachförderung neu zuziehender Kinder und Jugendlicher beauftragte Mitarbeiterin, die eng mit den kommunalen Integrationszentren zusammenarbeitet. Die Gewährleistung der Bildungsteilhabe von Zuwandererkindern ist auch integraler Bestandteil der Kinder- und Jugendhilfe. Zuwandererkindern stehen generell alle Angebote der Kinder- und Jugendhilfe zur Verfügung, da diese Angebote sich grundsätzlich an alle Kinder und Jugendlichen richten. Dies gilt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben im gleichen Maße für die Angebote der Kindertagesbetreuung. Im Rahmen der frühkindlichen Bildung gewährt das Land Nordrhein-Westfalen besondere Unterstützung im Bereich der Sprachförderung. Darüber hinaus ist die Bildungsteilhabe ein Schwerpunkt des Kinder- und Jugendförderplans des Landes Nordrhein-Westfalen, der der Förderung aller Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen dient. Dem Kinder- und Jugendförderplan liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Bildung an Lernorten außerhalb von Schule an Bedeutung gewinnt. Diese werden wichtiger für das Erlernen und Einüben der Kompetenzen, die zukünftig wesentliche Voraussetzungen für die Integration in Arbeit und Gesellschaft sind. Wesentliche Förderbereiche sind daher in diesem Zusammenhang auch die Positionen „Integration als Chance“ und „Soziale Teilhabe und Chancengleichheit“. Mit der Förderposition „Integration als Chance“ soll dazu beigetragen werden, die soziale Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund abzubauen, Chancengleichheit herzustellen und die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu fördern. Im Rahmen der Förderposition „Soziale Teilhabe und Chancengleichheit“ werden Angebote gefördert, die dazu beitragen, soziale Benachteiligungen abzubauen sowie Not- und Konfliktsituationen überwinden helfen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3398 4 In diesem Zusammenhang sei ergänzend darauf hingewiesen, dass die Landesregierung derzeit in engem Dialog mit den Kommunen berät, wie sie den besonders von Armutsmigration betroffenen Städten Nordrhein-Westfalens gezielt dabei helfen kann, die mit der Zuwanderung verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Dabei steht unter anderem die Frage im Mittelpunkt, wie für alle Kinder und Jugendlichen bestmögliche Zugänge zur Bildung geschaffen und die Beschulung gesichert werden kann. Die Landesregierung wird dazu in Kürze ein Maßnahmenpaket vorschlagen.