LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3399 27.06.2013 Datum des Originals: 27.06.2013/Ausgegeben: 02.07.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1277 vom 23. Mai 2013 der Abgeordneten Yvonne Gebauer und Kai Abruszat FDP Drucksache 16/3041 Stärkungspaktkommunen und die Inklusion: Führt die rot-grüne Verweigerung der Konnexität zur Inklusion nach Kassenlage? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1277 mit Schreiben vom 27. Juni 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut rot-grüner Landesregierung erfolgen durch das 9. Schulrechtsänderungsgesetz, „Erstes Gesetz zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention in den Schulen“, angeblich keine konnexitätsrelevanten neue Aufgaben oder wesentliche Änderungen bestehender Aufgaben an die Schulträger durch das Land. Hierzu heißt es im vorliegenden Gesetzentwurf: „Das Land macht weder für den Schulbereich im Allgemeinen noch speziell mit Blick auf den Ausbau des Gemeinsamen Lernens auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem verbindliche Vorgaben zur Größe, zur baulichen Beschaffenheit oder zur Ausstattung von Schulen.“ An anderer Stelle wird im vorliegenden Gesetzentwurf ausgeführt: „Zum anderen ist eine gesetzliche Regelung verbindlicher, den Vollzug prägender Anforderungen / Standards (etwa zur räumlichen Situation oder zu Assistenzpersonal) nicht vorgesehen. Eine solche Regelung wäre jedoch die Voraussetzung für eine Aufgabenänderung im Sinne des KonnexAG.“ Letztlich bedeuten diese Ausführungen nichts anderes, als dass keine entsprechenden qualitativen Vorgaben zur Ausgestaltung der Inklusion von Seiten des Landes festgelegt werden. Nach rot-grüner Einschätzung könnten die Schulträger daher als Folge auch keine Konnexitätsrelevanz einfordern. Dieses Vorgehen ist nicht nur aus qualitativer Sicht verheerend, weil keine umfassenden Qualitätsstandards für die Inklusion festgelegt werden. Dieses Vorgehen wird offensichtlich darüber hinaus zu einer Inklusion nach Kassenlage in den Kommunen führen. Hiervon dürften insbesondere die Kommunen mit großen Haushaltsschwierigkeiten, gerade auch die sogenannten Stärkungspaktkommunen betroffen sein. Da ihnen eine faire finanzielle Unterstützung verweigert wird, dürften in diesen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3399 2 Kommunen die Mittel für eine qualitative Ausgestaltung der Inklusion fehlen. Eine bestmögliche Förderung der Kinder und Jugendlichen wird somit letztendlich von der Finanzkraft der jeweiligen Kommune abhängig sein. Allerdings werden diesbezüglich auch Einschränkungen vorgenommen, da der rot-grüne Gesetzentwurf z.B. explizit auf die jeweilige Schulentwicklungsplanung der Schulträger verweist. So führt der Gesetzentwurf aus, dass auch der Zustimmungsvorbehalt des Schulträgers „bei der bedarfsgerechten Ausweitung von Angeboten des Gemeinsamen Lernens und seine Gestaltungsspielräume bei der Schulentwicklungsplanung (einschließlich der Einrichtung von Schwerpunktschulen)“ Einfluss auf die Aufgabenerfüllung haben wird. Durch diese Zuständigkeiten würden jedoch keine Aufgaben wahrgenommen, die „dem Land als eigene Verursachungsbeiträge im Sinne des KonnexAG zugerechnet werden“ könnten. Laut ihres Sprechzettels zum Kabinettsbeschluss zum Gesetzentwurf zur Inklusion am 19. März 2013 erklärte darüber hinaus die Ministerin für Schule und Weiterbildung, Sylvia Löhrmann: „Außerdem bedarf die Einrichtung von Angeboten des gemeinsamen Lernens an allgemeinen Schulen der Zustimmung des kommunalen Schulträgers. Dieser kann im Einzelfall seine Zustimmung, dass an einer seiner Schulen gemeinsames Lernen realisiert wird, verweigern, wenn er die erforderliche sächliche Ausstattung der Schule nicht mit vertretbarem Aufwand leisten kann.“ Aus liberaler Sicht darf eine mangelnde Qualität der sonderpädagogischen Förderung keinesfalls die Folge der Umsetzung der Inklusion darstellen. Kommunen sollten die Inklusion nicht überstürzt umsetzen, wenn sie die notwendigen qualitativen Anforderungen gar nicht erfüllen können. Gleichzeitig allerdings führt die Verweigerungshaltung der rotgrünen Landesregierung in der Konnexitätsfrage jedoch offensichtlich ebenfalls dazu, dass nicht nur die Qualität der sonderpädagogischen Förderung von der Kassenlage der Kommunen abhängig sein wird. Auch die regionale Anzahl entsprechender Angebote für die Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird von diesem Vorgehen beeinflusst werden. Die rot-grüne Inklusion nach Kassenlage führt nicht nur zu unterschiedlicher Qualität der sonderpädagogischen Förderbedingungen in den jeweiligen Kommunen. Sie führt ebenfalls dazu, dass in finanzschwachen Kommunen die Kinder und Jugendlichen die Folgen der Verweigerungshaltung der Schulministerin zu tragen haben und in diesem Prozess zurückgelassen werden. Es wird ein qualitativer und quantitativer Inklusionsflickenteppich der sonderpädagogischen Förderung in allgemeinen Schulen entstehen – abhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Schulträger. Gerade auch Schülerinnen und Schüler in Stärkungspaktkommunen dürften hiervon deutlich betroffen sein. 1. Welchen Einfluss auf die Qualität der sonderpädagogischen Förderung wird in finanzschwachen Kommunen eine unzureichende Sachmittelausstattung an allgemeinen Schulen ausüben? 2. Bedeutet die Aussage, dass ein Schulträger im Einzelfall seine Zustimmung, dass an einer seiner Schulen gemeinsames Lernen realisiert wird, verweigern kann, wenn er die erforderliche sächliche Ausstattung der Schule nicht mit vertretbarem Aufwand leisten kann, dass damit letztlich von der Finanzkraft der Schulträger abhängig sein wird, in welcher Anzahl in den jeweiligen Kommunen Plätze an allgemeinen Schulen als sonderpädagogischer Förderort zur Verfügung stehen werden? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3399 3 3. Wie wird aus Sicht der Landesregierung trotz ihres Vorgehens in der Konnexitätsfrage auch in finanzschwachen Kommunen eine wohlhabenderen Kommunen vergleichbare qualitative Ausstattung der Inklusion sichergestellt? 4. Wie wird die Landesregierung sicherstellen, dass in Nordrhein-Westfalen kein Inklusionsflickenteppich entsteht, wenn die Bereitstellung qualitativ ausgestalteter Inklusionsangebote an allgemeinen Schulen in verschiedenen Kommunen finanziell nicht geleistet werden kann? 5. Aus welchen finanziellen Mitteln sollen aus Sicht der Landesregierung die sogenannten Stärkungspaktkommunen zusätzliche Aufgaben für die schulische Inklusion wie z. B. die Herstellung von umfassender Barrierefreiheit in allgemeinen Schulen finanzieren? Die Fragen 1 bis 5 werden zusammen beantwortet. Die Kleine Anfrage bezieht sich auf den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention in den Schulen (9. Schulrechtsänderungsgesetz), den die Landesregierung aufgrund des Kabinettbeschlusses vom 19. März 2013 beim Landtag eingebracht hat (LT-Drs. 16/2432). Der Gesetzentwurf ist ausführlich begründet, er verhält sich auch zu den Aufgaben der kommunalen Schulträger und zu ihren Zustimmungsvorbehalten bei der Einrichtung des Gemeinsamen Lernens einschließlich der dafür geltenden Maßstäbe. Die Landesregierung wird das parlamentarische Beratungsverfahren begleiten und hierbei auf Fragen zum Gesetzentwurf antworten. Es entspricht der schulfinanzrechtlichen Tradition, dass die Schulträger die für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderlichen Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen und Lehrmittel bereitstellen und unterhalten sowie das für die Schulverwaltung notwendige Personal und eine am allgemeinen Stand der Technik und Informationstechnologie orientierte Sachausstattung zur Verfügung stellen (§ 79 Schulgesetz NRW – SchulG). Dies lässt der Gesetzentwurf unberührt. Verbindliche Vorgaben zur Größe, zur baulichen Beschaffenheit und zur Ausstattung von Schulen gibt es nach geltendem Recht nicht. Auch dies ändert sich nicht durch den Gesetzentwurf.