LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3418 02.07.2013 Datum des Originals: 01.07.2013/Ausgegeben: 05.07.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1282 vom 24. Mai 2013 des Abgeordneten Dr. Joachim Stamp FDP Drucksache 16/3050 Mangelhafte Personalausstattung für inklusiven Unterricht - exemplarisch an der IGS Bonn-Beuel Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1282 mit Schreiben vom 1. Juli 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die flächendeckendende Einführung inklusiven Unterrichts ist erklärtes Ziel der nordrheinwestfälischen Landesregierung. Die FDP-Fraktion hat wiederholt darauf hingewiesen, dass ein qualitativ hochwertiger inklusiver Unterricht zum Nulltarif nicht zu haben sein wird, sondern die ausreichende Bereitstellung qualifizierter Fachkräfte voraussetzt. Die IGS Bonn-Beuel praktiziert seit 1985 den gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung (GU). Unlängst hat auch der Ausschuss für Schule und Weiterbildung diese Schule besucht. Das Kollegium der IGS Bonn-Beuel soll nach vorliegenden Informationen nun um sechs Lehrkräfte verringert werden, wodurch Lehrer- und Elternschaft die weitere erfolgreiche Umsetzung ihres pädagogischen Konzepts gefährdet sehen. Vorbemerkung der Landesregierung Mit dem vor über 20 Jahren initiierten und mittlerweile überführten Modellversuch „Gemeinsamer Unterricht für behinderte und nichtbehinderte Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I – zieldifferent“ gilt die Gesamtschule Bonn-Beuel im Hinblick auf das Erfahrungspotential als bundesweit führend. Zurzeit werden insgesamt 80 Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen sonderpädagogischen Förderschwerpunkten im gemeinsamen Unterricht der Sekundarstufe I und der gymnasialen Oberstufe mit nichtbehinderten Schülerinnen und Schülern zielgleich oder zieldifferent gefördert. Seit dem Schuljahr 2010/2011 hat die Schulkonferenz entschieden, dass 3 von 6 parallelen Klassen als LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3418 2 Integrative Lerngruppen geführt werden. Hier lernen 26 Schülerinnen und Schüler gemeinsam, davon jeweils 6 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Lehrkräfte der allgemeinen Schule und sonderpädagogische Lehrkräfte bilden gemeinsam Tutoriatsteams. Die Stellenzuweisungen für das Schuljahr 2013/2014 erfolgen nach den bekannten rechtlichen Vorgaben für den Gemeinsamen Unterricht bzw. für die Integrativen Lerngruppen und haben nichts mit den im Zuge des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes vorgesehen grundsätzlichen Änderungen der Stellen-Bedarfsermittlung zu tun. Anpassungen in der Höhe der Stellenzuweisungen zum Schuljahr 2013/2014 sind durch veränderte Schülerzahlen bzw. eine unterschiedliche Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf bedingt. 1. Wie bewertet die Landesregierung das pädagogische Konzept für inklusiven Unterricht an der IGS Bonn-Beuel? Die Gesamtschule Bonn Beuel arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich im Gemeinsamen Unterricht. Sie ist eine der erfahrensten Gesamtschulen mit Gemeinsamen Unterricht in Nordrhein-Westfalen und über die Landesgrenzen hinaus für ihr hohes Engagement bekannt. 2. Aus welchem Grund soll das Kollegium der IGS Bonn-Beuel um sechs Lehrkräfte verkleinert werden? Die Gesamtschule Bonn-Beuel ist aktuell mit 1,3 Stellen über dem Soll besetzt. Auch vor dem Hintergrund des Auftrags an alle Schulformen, sich der Aufgabe des Gemeinsamen Lernens zu widmen, ist eine gleichmäßige Verteilung der Ressourcen geboten. Die Verluste aus dem Kollegium der Gesamtschule (6 Lehrkräfte) werden zum Schuljahr 2013/14 durch Neueinstellungen und Versetzungen in ausreichendem Maße kompensiert. Eine tatsächliche Reduktion findet allein im Abbau des Überhangs (1,3 Stellen) statt. Durch eine intensive Begleitung der Schule durch das Dezernat 44 der Bezirksregierung Köln sind die Veränderungen in der Stellenbesetzung der Schulleitung seit längerer Zeit bekannt. 3. Durch welche Maßnahmen soll die IGS Bonn Beuel nach Auffassung der Landesregierung den Wegfall von sechs Lehrkräften kompensieren, ohne dass die Qualität der inklusiven Förderung darunter leidet? Eine Kompensation findet statt (siehe Antwort auf Frage 2). Ein qualitativ hochwertiges Angebot für das Gemeinsame Lernen ist aufgrund der personellen Ausstattung der Schule im Rahmen der bestehenden Rechtslage auch im Schuljahr 2013/14 gewährleistet. 4. Wie bewertet die Landesregierung die an der Schule geäußerte Befürchtung, dass durch die geringere Lehreranzahl das inklusive Arbeiten in der bisherigen Form nicht mehr stattfinden kann? Die Schule konnte in der Vergangenheit unter besonderen Konditionen Erfahrungen machen, die sie unter leicht veränderten Bedingungen nutzen kann. Das Gemeinsame Lernen an dieser Schule hat grundsätzlich den Vorgaben zur Stellenbesetzung für alle LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3418 3 Schulen zu folgen. Ein abweichendes Vorgehen ist gegenüber anderen Schulen, die sich ebenso der Aufgabe des Gemeinsamen Lernens widmen, nicht begründbar. Die Vorgaben zur Stellenausstattung an der Gesamtschule Bonn-Beuel werden erfüllt und durch die Bezirksregierung Köln sichergestellt. 5. Inwieweit werden sich die personellen Ressourcen an Schulen, die bereits seit Jahren Erfahrungen mit gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung gesammelt haben, in Folge der Planungen der rot-grünen Landesregierung zur flächendeckenden Einführung der Inklusion verringern? Derzeit werden die verschiedenen Formen des Gemeinsamen Unterrichts in ganz unterschiedlichem Maße mit zusätzlichen Stellen (über den sonderpädagogischen Grundbedarf hinaus) unterstützt. So standen für den Gemeinsamen Unterricht in der Grundschule in den vergangenen Jahren trotz steigender Integrationsquoten unverändert pauschal 221 zusätzliche Stellen zur Verfügung. Die Landesregierung hat mit dem Haushalt 2013 erstmals eine Anhebung auf 301 Stellen erreicht. Der Gemeinsame Unterricht von Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die in den weiterführenden Schulen nach den Lehrplänen der allgemeinen Schulen („zielgleich“) unterrichtet werden, wurde bisher nicht systematisch zusätzlich unterstützt. Die intensivste Form zusätzlicher Unterstützung erhalten derzeit Integrative Lerngruppen in den Schulen der Sekundarstufe I, die einer „zieldifferenten“ Förderung dienen. Das neue, vom Schuljahr 2014/2015 an geplante System soll eine stärkere Vereinheitlichung der zusätzlichen Unterstützung des Gemeinsamen Lernens bewirken. Details dazu werden derzeit noch erarbeitet, so dass sich mögliche Konsequenzen für die Gesamtschule BonnBeuel noch nicht abschließend übersehen lassen. Fest steht jedoch, dass bei dieser Vereinheitlichung nicht für alle Formen des Gemeinsamen Lernens die Konditionen der Integrativen Lerngruppen bereitgestellt werden können. Die folgende Aufstellung verdeutlicht, in welchem Maße die Landesregierung das Gemeinsame Lernen seit dem Schuljahr 2010/2011 unterstützt hat und welche Unterstützung im Zuge des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes bis 2017 vorgesehen ist: Im Schuljahr 2010/2011 lag der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf der öffentlichen Schulen, die in Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I im Gemeinsamen Unterricht und in Integrativen Lerngruppen unterrichtet wurden, bei 17,1 Prozent. Dieses Gemeinsame Lernen wurde mit insgesamt 532 Lehrerstellen zusätzlich unterstützt. Im laufenden Schuljahr liegt die Integrationsquote in der Primarstufe und der Sekundarstufe I öffentlicher Schulen bei 25,6 Prozent, zur Unterstützung stehen 1215 Lehrerstellen zur Verfügung. Eine Steigerung der Integrationsquote um die Hälfte steht also mehr als eine Verdoppelung der zusätzlichen Stellen gegenüber. Der mit dem Entwurf des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes zu beschließende Finanzrahmen geht davon aus, dass sich bei schrittweiser Anrechnung von bisherigen Mehrbedarfstatbeständen im Bereich der sonderpädagogischen Förderung gegenüber dem Haushalt 2012 bis zum Jahr 2017 voraussichtlich ein Mehrbedarf von rund 1.800 Stellen ergibt. Damit kann nach Einschätzung der Landesregierung eine Integrationsquote von 50 Prozent erreicht werden, sofern dies durch den Elternwillen gegeben ist. Darüber hinaus LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3418 4 beabsichtigt die Landesregierung, ein Unterstützungsbudget für die Schulen im Transformationsprozess bereit zu stellen, das bis 2015 schrittweise auf 200 Lehrerstellen anwachsen und aus den demografischen Effekten finanziert werden soll. Gegenüber dem laufenden Schuljahr würde dies bis 2017 etwa eine Verdoppelung der Integrationsquote bedeuten und mehr als eine Verzweieinhalbfachung der zusätzlichen Stellen zur Unterstützung des Gemeinsamen Lernens. Insofern ist die Sorge, dass sich die personellen Ressourcen beim Ausbau des Gemeinsamen Lernens gegenüber dem derzeitigen Stand verringern, unbegründet.