LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3544 12.07.2013 Datum des Originals: 11.07.2013/Ausgegeben: 16.07.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1335 vom 13. Juni 2013 der Abgeordneten Dirk Schatz und Frank Herrmann PIRATEN Drucksache 16/3284 Gewalt gegen Polizeibeamte – Präventionsmöglichkeiten ausschöpfen Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1335 mit Schreiben vom 11. Juli 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Rahmen der Sitzung des Innenausschusses am 6. Juni 2013 hatten deren Mitglieder die Möglichkeit, in das Lagebild des LKA zur „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte“ Einsicht zu nehmen. Bereits einen Monat zuvor wurde die Presse über die Ergebnisse informiert , und Meldungen wie z.B. „Die Gewalt gegen Polizisten wird immer schlimmer“ wurden veröffentlicht. Tatsächlich ist die Zahl der verletzten Beamten jedoch um 3,1% zum Vorjahr zurückgegangen. Dennoch, die Schädigung des eigenen Körpers schmerzt und hinterlässt Spuren, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. So beschreibt es auch die von Karoline Ellrich, Dirk Baier und Christian Pfeiffer erarbeitete Studie zum Thema „Polizeibeamte als Opfer von Gewalt. Ergebnisse einer Befragung von Polizeibeamten in zehn Bundesländern“. NordrheinWestfalen hat seine Teilnahme leider kurzfristig wieder zurückgezogen. Es scheint jedoch geboten, die erzielten Ergebnisse auch auf die Polizistinnen und Polizisten in NRW analog anzuwenden. Ein zentraler Punkt dieser Studie ist die Antwort auf die Frage, ob der jeweilige Übergriff hätte verhindert oder schwere Verletzungsfolgen hätten verringert oder verhindert werden können. Danach gaben zwischen 15,1 % und 20,3 % der Befragten an, dass dies möglich gewesen wäre z.B. durch bessere psychische oder körperliche Verfassung , bessere Einschätzung der Situation oder Vermeidung von Alleingängen. Die Hälfte der viktimisierten Beamten äußerte auch Kritik an der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die bei der Vorbereitung auf zukünftige und der Verarbeitung geschehener Gewalttaten vernachlässigt werde. Bei einem Drittel aller Übergriffe lag eine unzureichende Absprache bezüglich der Aufgabenverteilung vor dem Einsatz vor. Unter den genannten Präventionsvorschlägen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3544 2 war die Forderung, dass in verstärktem Maße die Möglichkeit bestehen sollte, eigenen sowie Verhaltensfehler von Kollegen offen anzusprechen. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die derzeit bestehenden Möglichkeiten für Poli- zeibeamtinnen und -beamten, wenn sie eigene Verhaltensfehler oder Verhaltensfehler von Kollegen und Vorgesetzten ansprechen möchten (bitte begründen)? Das Ministerium für Inneres und Kommunales, die Leitungen der Polizeibehörden und die Vorgesetzten fördern und unterstützen eine positive Fehlerkultur, die durch einen offenen Umgang mit Problemen geprägt ist. Die Polizei ist eine lernende Organisation. Deshalb gehört die Nachbereitung seit vielen Jahren zum Handwerkszeug aller Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Im Leitfaden 371 "Eigensicherung" (VS - Nur für den Dienstgebrauch) ist das Einsatzmodell verankert, das für jeden Einsatz die Phasen der Vorbereitung, Aktion und Nachbereitung vorsieht. Darüber hinaus werden Einsätze formell auf Grundlage der Landesregelungen zur Polizeidienstvorschrift 100 "Führung und Einsatz der Polizei" (VS - Nur für den Dienstgebrauch) standardisiert nachbereitet. Unabhängig von der formellen Nachbereitung werden Einsätze und Probleme in Gesprächen in den einzelnen Organisationseinheiten besprochen. Diese Fehlerkultur wird schon in der Ausbildung vermittelt und gelebt. Im Frühjahr 2012 wurden im Auftrag des Ministeriums alle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in Nordrhein-Westfalen im Rahmen der NRW-Studie zu der von ihnen erlebten Gewalt befragt. Ein Schwerpunkt der Befragung war die Nachbereitung dieser Erlebnisse. Die Ergebnisse und der Abschlussbericht der Studie werden Ende dieses Jahres vorliegen. 2. Wie wird die Vertraulichkeit dieser Informationen geschützt? Für die Polizei NRW gehört der offene Umgang mit Fehlern und Problemen zum Kern der Fehlerkultur. Jeder, der offen Fehler und Probleme anspricht, wird durch Vorgesetzte unterstützt und erforderlichenfalls geschützt. Im Einzelfall können in einem ersten Schritt Fehler und Probleme in einem persönlichen Gespräch angesprochen werden. 3. Welche Fortbildungen zum Thema „Gewalterfahrungen und ihre Bewältigung“ werden derzeit angeboten? Aufbauend auf einer sehr praxisnahen und umfassenden Ausbildung nehmen die Polizeibeamtinnen und -beamten jährlich mit ca. 35.000 Teilnehmerplätzen in über 700 verschiedenen Fortbildungsmaßnahmen ein ständig aktualisiertes, bedarfsorientiertes und standardisiertes Fortbildungsangebot in Anspruch, um ihre Kompetenzen in allen für den polizeilichen Alltag notwendigen Bereichen den Erfordernissen anzupassen. Das Thema "Gewalterfahrung und ihre Bewältigung" fließt dabei interdisziplinär in einer Vielzahl von Fortbildungen in die Qualifizierung der Beamtinnen und Beamten ein. Hierbei ist besonders das für die Polizeibeamtinnen und -beamten jährlich verpflichtende Einsatztraining NRW zu benennen, das den Teilnehmenden, auch auf die örtlichen Besonderheiten, bezogen professionelle Handlungssicherheit vermittelt und die Eigensicherung stärkt. Verhaltensorientierte Trainings wie zum Beispiel ein polizeispezifisches Stressbewältigungstraining flankieren zudem das umfangreiche Fortbildungsangebot der Polizei NRW. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3544 3 Durch dieses ständig aktualisierte Fortbildungsangebot ist gewährleistet, dass die Polizei NRW immer professioneller mit der Gewalterfahrung umgeht. 4. Wie sieht derzeit die Nachbereitung von Gewaltübergriffen aus? Einsätze und Situationen bei denen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte Gewalt erlebt haben , werden - wie in Antwort zu Frage 1 dargestellt - umfassend nachbereitet. Daneben steht den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ein breites Angebot von Betreuungs - und Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung. So wird ihnen unter anderem nach besonders belastenden beruflichen Ereignissen individuell fachkundige Hilfe bei der Problemverarbeitung im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Erstbetreuung angeboten. 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit, eine externe empirische Studie in Auftrag zu geben, die Situationen untersucht, in denen Polizeibeamtinnen und - beamte Opfer von Gewalt geworden sind? Das Landeskriminalamt erstellt jährlich zum Thema Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte das Lagebild für Nordrhein-Westfalen. Hierzu verweise ich auf die Vorlage 16/887. Das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten führt im Auftrag des Ministeriums für Inneres und Kommunales zu diesem Thema eine Studie unter wissenschaftlicher Begleitung durch. Der Abschlussbericht und die Ergebnisse werden Ende dieses Jahres vorliegen. Hierzu verweise ich auf die Vorlage 16/710. Daneben wertet die Polizei aktuell verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse aus.