LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3574 15.07.2013 Datum des Originals: 12.07.2013/Ausgegeben: 18.07.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1337 vom 13. Juni 2013 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/3288 Verharmlost der Justizminister die Drogenproblematik in NRW-JVAs? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 1337 mit Schreiben vom 12. Juli 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Aus der Antwort der Landesregierung vom 07.06.2013 auf die Kleine Anfrage 1228 (Drucksache 16/3212) geht hervor, dass in den Jahren 2010 bis 2012 in nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten insgesamt 1,266 Kilogramm Heroin, 152 Gramm Kokain, 3,384 Kilogramm THC und 3,590 Kilogramm sonstige Drogen sichergestellt wurden. In der BILD-Zeitung (Ausgabe Düsseldorf) vom 13.06.2013 kommentierte Justizminister Kutschaty diesen Umstand unter anderem wie folgt: „… Wir finden pro Jahr in unseren 37 JVAs nicht einmal drei Kilo Drogen. Das ist weniger als bei der durchschnittlichen Razzia am Hauptbahnhof. …“ 1. Inwieweit ist die oben aufgeführte Äußerung des Justizministeriums in ihrem Tatsachengehalt zutreffen? Die Äußerung ist zutreffend. Ihr liegen folgende Erwägungen zugrunde: Nach offiziellen Angaben des Bundesgesundheitsministeriums weisen 600.000 Menschen in der Bundesrepublik Deutschland einen problematischen Cannabiskonsum auf (http://www.bmg.bund.de/praevention/gesundheitsgefahren/sucht-und-drogen.html). Weitere LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3574 2 knapp 200.000 Menschen konsumieren zumindest regelmäßig Cannabis (https://bmg.bund.de/fileadmin/dateiendba /DrogenundSucht/Illegale_Drogen/Cannabis/Downloads/Bericht_Reitox_Knotenpunkt_20 10_101029_Drogenbeauftragte.pdf). Ein problematischer Konsum von anderen illegalen Drogen liegt zusätzlich bei 200.000 weiteren Menschen vor (http://www.bmg.bund.de/praevention/gesundheitsgefahren/sucht-und-drogen.html). Ausgehend von einer Gesamtbevölkerung in der Bundesrepublik von 80,2 Millionen weisen somit ein Prozent der Bevölkerung einen problematischen Drogenkonsum und sogar 1,2 Prozent der Bevölkerung zumindest einen regelmäßigen Konsum von illegalen Drogen auf. Der Düsseldorfer Hauptbahnhof wird täglich von etwa 250.000 Personen frequentiert. Statistisch gesehen sind also nach den offiziellen Angaben der Bundesregierung darunter täglich 2.500 Menschen (ein Prozent) mit problematischen Drogenkonsum, insgesamt sogar 3.000 Menschen (1,2 Prozent), die wenigstens regelmäßig illegale Drogen konsumieren. Unter Zugrundelegung eines (niedrig angesetzten) Durchschnittskonsums der häufigen Einstiegsdroge Cannabis von einem Gramm pro Tag und Betroffenem würden bei einer hypothetischen Razzia statistisch allein drei Kilogramm illegale Drogen gefunden werden. Eine drei Kilogramm übersteigende Menge illegaler Drogen ist zuletzt im Verlauf des gesamten Jahres 2006 in den 37 Justizvollzugsanstalten des Landes gefunden worden. Seitdem werden jedes Jahr unter permanenter Fortentwicklung der Kontrollmöglichkeiten und bei zumindest gleich gebliebener Kontrolldichte weniger als drei Kilogramm illegaler Drogen in den Justizvollzugsanstalten gefunden. So sind im Verlauf des Jahres 2012 insgesamt in allen 37 Justizvollzugsanstalten 2.767,78 Gramm illegaler Drogen gefunden worden. Diese Funde verteilen sich auf abgerundet rund 40.000 Inhaftierte im selben Zeitraum. Somit sind pro Gefangenen und Jahr 0,069 Gramm gefunden worden. Vorsorglich wird ausgeführt, dass es sich bei einer durchschnittlichen Razzia aller Personen, die den Hauptbahnhof frequentieren, um eine statistisch gebildete Größe handelt. 2. Welche Mengen an illegalen Betäubungsmitteln wurden seit 2010 bei Razzien an Hauptbahnhöfen in Nordrhein-Westfalen im Durchschnitt jeweils sichergestellt? 3. Bei welchen Razzien an Hauptbahnhöfen in Nordrhein-Westfalen seit 2010 wur- den drei oder mehr Kilogramm illegale Betäubungsmittel sichergestellt? Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet: Sicherstellungsmengen von Drogen bei Razzien an Hauptbahnhöfen werden statistisch nicht erfasst. 4. Inwieweit sieht die Landesregierung einen frei zugänglichen Hauptbahnhof mit einer geschlossenen und durch besondere Maßnahmen gesicherten Justizvollzugsanstalt als vergleichbar an? Die strafrechtliche Beurteilung des Besitzes oder des Handelns mit Betäubungsmitteln ist nicht vom Tatort abhängig. Insofern können die Gegebenheiten an Hauptbahnhöfen und Justizvollzugsanstalten verglichen werden. Dieser Vergleich stellt jedoch keinesfalls eine Gleichsetzung dar. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3574 3 5. Welche Bedeutung misst die Landesregierung der Bekämpfung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz in nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten bei? Die Landesregierung misst der Bekämpfung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz eine sehr hohe Bedeutung zu. Diese Bedeutung spiegelt sich zum einen in der Vielzahl der präventiven Maßnahmen gegen den Handel mit illegalen Drogen wieder, zum anderen jedoch auch in dem großen Angebot zu Therapievermittlung und Suchtberatung. Leider erfährt die Landesregierung bei ihrem Kampf gegen illegale Drogen keine hinreichende Unterstützung auf Bundesebene. So hat die Vorgängerregierung der jetzigen Landesregierung bereits im Jahr 2009 im Wege einer Bundesratsinitiative einen Entwurf des Gesetzes zur besseren Bekämpfung des Einbringens von Rauschgift in Vollzugsanstalten vorgelegt (Drucksache 734/09). In der Sitzung des Bundesrates am 27. November 2009 wurde beschlossen , den Gesetzentwurf dem Deutschen Bundestag vorzulegen. Gleichwohl hat der Deutsche Bundestag diese Bundesratsinitiative auch nach fast vier Jahren noch nicht einmal beraten. Diese Verhaltensweise zeigt, welchen Stellenwert die Regierungsfraktionen im Bundestag der Bekämpfung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz in den Justizvollzugsanstalten einräumen.