LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3599 18.07.2013 Datum des Originals: 18.07.2013/Ausgegeben: 23.07.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1350 vom 20. Juni 2013 der Abgeordneten Yvonne Gebauer und Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/3337 Sind die Instrumente des neuen Übergangssystems Schule – Beruf jeweils sachangemessen ausgestaltet? Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 1350 mit Schreiben vom 18. Juli 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In Nordrhein-Westfalen wird ein neues „Übergangsystem Schule – Beruf in NRW“ von der allgemeinbildenden Schule in die duale Ausbildung bzw. ein Studium eingeführt. Zentrale Handlungsfelder stellen hierbei laut Landesregierung die Berufs- und Studienorientierung, das Übergangssystem, die Steigerung der Attraktivität des dualen Systems sowie die kommunale Koordinierung dar. So sinnvoll z.B. eine Systematisierung und Verzahnung einiger bestehender Maßnahmen oder die Stärkung der Berufs- und Studienorientierung des neuen Übergangssystems sind, stellt sich dennoch die Frage, ob einige Maßnahmen gegebenenfalls im zeitlichen Aufbau zu strikt gefasst sind; auch scheint – insbesondere vor Ort – bisweilen unklar, wie eine qualitative Umsetzung der jeweiligen Maßnahmen gewährleistet wird. So heißt es z.B. in der Veröffentlichung des MAIS „Kein Abschluss ohne Anschluss – Übergang Schule – Beruf in NRW. Zusammenstellung der Instrumente und Angebote“ zu den Potenzialanalysen, dass Zielgruppe alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 8 seien. Zur Umsetzung wird hierbei ausgeführt: „Die Potenzialanalyse wird in der Regel im 8. Jahrgang angeboten. Sie wird von außerschulischen Trägern mit eigens dafür qualifiziertem gendersensiblem Personal eintägig durchgeführt. Die Vor- und die Nachbereitung finden in der Schule statt. Eltern und Berufsberatung werden darin einbezogen.“ Weiter heißt es unter Empfehlungen, dass im „Sinne der Prozessorientierung sollten auch in der 9. und 10. Jahrgangsstufe bei individuellem Bedarf zielgruppenspezifische Verfahren der Potenzialanalyse bzw. der Kompetenzfeststellung genutzt werden, die u. a. durch die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3599 2 Arbeitsagenturen zur Berufs- und Studienorientierung angeboten werden.“ Da sich jedoch die Strukturierung des Aufbaus in den einzelnen Bildungsgängen der unterschiedlichen Schulformen unterscheiden und z.B. an Schulen mit gymnasialer Oberstufe ein für viele Schülerinnen und Schüler „weiterreichendes Abschlussziel“ zum Profil bzw. zur strukturellen Ausgestaltung zählt, stellt sich die Frage, ob diesem Umstand nicht entsprochen werden müsste und die – generell sinnvolle – verbindliche Potenzialanalyse sachangemessen z.B. an Gymnasien, auch aufgrund der sich anschließenden berufspraktischen Bausteine, zu einem späteren Zeitpunkt als in der 8. Klasse durchgeführt werden sollte. Es stellt sich daher – auch nach Rückmeldungen aus Schulen – die Frage, inwieweit die Formulierung „in der Regel“ tatsächlich dazu führt, dass die Schulen über einen entsprechenden Entscheidungsspielraum verfügen. Laut Rückmeldungen aus der Praxis wird die Umsetzung der Potenzialanalysen durch die kommunale Koordinierung (Bildungsbüros) teilweise kritisch betrachtet. Hierbei würde die kommunale Koordinierung demnach bisweilen ohne adäquate Abstimmung mit den Betroffenen eher „Richtlinien abarbeiten“. Ein Eingehen auf die jeweiligen unterschiedlichen Bedürfnisse der Schulen erfolge oftmals nicht. Auch würden Einwände der Schulen bzw. der Pädagogen mit dem Verweis auf feststehende Vorgaben nicht aufgenommen. Auch bezüglich der Sicherstellung des Datenschutzes der „gewonnenen Ergebnisse“ der Potenzialanalysen besteht offenbar bei Eltern Unruhe. Darüber hinaus wird z.B. kritisiert, dass bezüglich der Abfrage individueller Daten keine Einverständniserklärung der Eltern eingeholt würde. In der Ausführung des Ministeriums wird hierzu ausgeführt: „Die Ergebnisse werden schriftlich dokumentiert. Die Eltern werden aktiv einbezogen. Die Qualität der Potenzialanalyse wird laufend ausgewertet und optimiert. Die gängigen Datenschutzbestimmungen werden eingehalten.“ Es stellt sich daher die Frage, wie aus Sicht der Landesregierung eine langfristige datenschutzrechtliche Sicherung der Ergebnisse gewährleistet wird. 1. Verfügen die Schulen der unterschiedlichen Schulformen über die Möglichkeit, die Potenzialanalyse auch zu einem späteren Zeitpunkt als zur 8. Klasse durchzuführen (wenn ja, bitte bezüglich der Ausgestaltungsmöglichkeiten darlegen; wenn nein, bitte erläutern, warum dies nicht möglich sein soll)? Auch aus Gründen der Vergleichbarkeit und damit der Durchlässigkeit von Bildungsverläufen sieht das vom Ausbildungskonsens beschlossene neue Übergangssystem „Kein Abschluss ohne Anschluss“ unabhängig von der Schulform für alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 8 ein Standardelement „Potenzialanalyse“ vor. Nach dem Vorliegen von schulischen Erfahrungen in der Umsetzung werden Flexibilisierungsnotwendigkeiten geprüft werden. 2. Wie genau vollzieht sich in einzelnen Schritten die Umsetzung der Potenzialanalyse? Der Ausbildungskonsens NRW hat im November 2012 einvernehmlich Erläuterungen des Ministeriums für Schule und Weiterbildung zur Durchführung der Potenzialanalyse beschlossen. Die einzelnen Schritte lauten: Information von Eltern und Schülerinnen/Schülern im Vorfeld, Durchführung eintägig mit berufsbezogenen Aufgaben, Vor- und Nachbereitung in der Schule, individuelle Auswertungsgespräche seitens der Träger mit jedem Jugendlichen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3599 3 3. Inwieweit soll im Zusammenhang mit den Potenzialanalysen eine Zusammenarbeit zwischen den Schulen und der kommunalen Koordinierung ermöglicht werden, um auch die jeweiligen Bedürfnisse der Schulen entsprechend einzubinden? Im Rahmen der kommunalen Koordinierung wird unter Beteiligung der Schulen und der interessierten Träger abgestimmt, wie die Potenzialanalyse regional gestaltet und umgesetzt werden soll. Auf diese Weise werden die Bedürfnisse der Schulen entsprechend berücksichtigt. 4. Ist unter der in der Veröffentlichung genannten „aktiven Einbeziehung der Eltern“ die Einholung einer expliziten Einverständniserklärung zu verstehen (wenn nein, bitte erläutern, warum dies nicht als notwendig erachtet wird)? Die Einbeziehung der Eltern ist umfassend mit den Standardelementen „Formen der Beratung“ und „koordinierte Übergangsgestaltung“ geregelt. Es gehört zu den Aufgaben des mit der Durchführung der Potenzialanalyse beauftragten Trägers, in Abstimmung mit der Schule die Eltern und die Schüler/innen über die datenschutzrechtlichen Fragen explizit aufzuklären und eine schriftliche Einverständniserklärung zur Datenweitergabe an Dritte (Schule, ggf. Berufsberatung) einzuholen. 5. Wie wird bezüglich der Ergebnisse der Potenzialanalysen auch ein langfristiger Datenschutz gewährleistet? Die Träger sind gesetzlich verpflichtet, die datenschutzrechtlichen Vorschriften entsprechend einzuhalten.