LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3667 31.07.2013 Datum des Originals: 25.07.2013/Ausgegeben: 05.08.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1392 vom 25. Juni 2013 des Abgeordneten Peter Biesenbach CDU Drucksache 16/3411 Wird der NPD-Verbotsantrag der Bundesländer zur Hängepartie? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1392 mit Schreiben vom 25. Juli 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wie DIE WELT am 10.06.2013 berichtete, wird sich die Einleitung des von den Bundesländern beabsichtigten NPD-Verbotsverfahrens erneut verzögern. Im Dezember 2012 hatten die Länder ursprünglich beschlossen, im Frühjahr 2013 den Gang vor das Bundesverfassungsgericht zu wagen, um die NPD verbieten zu lassen. Nachdem dieser Termin bereits verschoben werden musste, einigte man sich später darauf, den Verbotsantrag im Juni 2013 zu stellen. Inzwischen, so DIE WELT, sei es jedoch „höchst unwahrscheinlich“, dass die Länder ihren Verbotsantrag überhaupt noch vor den Bundestagswahlen stellen würden. Grund für die anhaltende Verzögerung soll ein Streit darüber sein, ob die Verbotssammlung wirklich frei von V-Mann-Material sei. Der Extremismusforscher Eckhard Jesse von der TU Chemnitz wird in diesem Zusammenhang mit folgenden Worten zitiert: „Es ist absehbar, dass der Verbotsversuch in Karlsruhe erneut am Einsatz von V-Leuten scheitern könnte.“ Unklar sei zudem noch, wer die Testate unterzeichnen soll, nach denen die Sicherheitsbehörden ihre V-Leute aus der Partei „abgeschaltet“ haben und das Beweismaterial gegen die NPD entsprechend „quellenfrei“ ist. Am Rande der letzten Innenministerkonferenz sei deutlich geworden, dass dies nicht alle Innenminister persönlich testieren wollten. „Sie ducken sich weg und möchten lieber die Präsidenten der Landesverfassungsschutzämter vorschicken “, so DIE WELT. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger hatte in der Debatte über ein NPDVerbot bereits vor über einem Jahr versichert, dass der Verfassungsschutz sämtliche VLeute aus den NPD-Führungsreihen in Nordrhein-Westfalen abgezogen habe (Derwesten.de vom 21.03.2012). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3667 2 Im Rahmen der NPD-Verbotsdebatte hatten die ehemaligen Verfassungsrichter Winfried Hassemer und Dieter Grimm zudem darauf hingeiwesen, dass ein NPD-Verbot vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aufgehoben werden könnte. In einem Brief an Bundestagspräsident Norbert Lammert schrieb Grimm, es sei zu befürchten, dass ein Verbot in Karlsruhe vom EGMR beanstandet würde. „Das Straßburger Gericht fragt nicht nur nach der Absicht, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, sondern auch nach der Erfolgswahrscheinlichkeit. Wo soll die bei der NPD herkommen? (…) Ich kann Sie in Ihrem Zögern, einem NPD-Verbotsverfahren näher zu treten, nur nachdrücklich bestärken.“ Hassemer sagte, angesichts der weithin schwachen Wahlresultate der NPD sei es „nicht unwahrscheinlich , dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Verbot aufheben würde“ (Tagesspiegel.de vom 21.12.2012). Die NPD erzielte bei den Bundestagswahlen seit 1972 Wahlergebnisse zwischen 0,2 und 1,6 Prozent. Bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen kam sie im vergangenen Jahr auf einen Stimmanteil von 0,5 Prozent. 1. Wie beurteilt die Landesregierung angesichts der offenbar nach wie vor ungelös- ten V-Mann-Problematik die Erfolgsaussichten eines NPD-Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht? Nach Überzeugung des Bundesrates, der seinen Beschluss zur Einleitung des Verbotsverfahrens auf Antrag der Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg , Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, NordrheinWestfalen , Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen gefasst hat, handelt es sich bei der NPD um eine verfassungswidrige Partei, bei der die Voraussetzungen für die Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit nach Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG vorliegen und unter Berücksichtigung der rechtlichen Anforderungen nachgewiesen werden können. Diesem Beschluss sind entsprechende Beschlüsse der Ministerpräsidenten - sowie der Innenministerkonferenz vorangegangen. Eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung ist die von Bund und Ländern vorgelegte quellenfreie Materialsammlung. 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Wahrscheinlichkeit, dass die Bundesländer noch vor den Bundestagswahlen am 22. September 2013 einen Verbotsantrag stellen werden? Der Bundesrat hat in seiner Entscheidung vom 14.12.2012 keinen Zusammenhang zur Bundestagswahl hergestellt. Der Verbotsantrag wird beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden, nachdem die Verfahrensbevollmächtigten diesen fertiggestellt haben. Dies geschieht unabhängig vom Datum der Bundestagswahl. 3. Muss das Vorpreschen von Innenminister Ralf Jäger in der Debatte um ein NPDVerbotsverfahren angesichts der offenbar nach wie vor ungelösten V-MannProblematik bzw. der Aussagen früherer Richter des Bundesverfassungsgerichts inzwischen als Fehler bezeichnet werden? Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3667 3 4. Wer wird für das Land Nordrhein-Westfalen testieren, dass die Sicherheitsbehörden ihre V-Leute aus der NPD „abgeschaltet“ haben bzw. dass das nordrheinwestfälische Beweismaterial gegen die NPD entsprechend „quellenfrei“ ist? Im Rahmen der Vorbereitung zur Antragstellung werden sich die Innenminister und - senatoren zu dieser Frage abstimmen. 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Aussichten, dass ein NPD-Verbot angesichts der schwachen Wahlresultate der NPD bei den letzten elf Bundestagswahlen vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand haben könnte? Der Bundesrat hat bei seiner Entscheidung auch diese Frage berücksichtigt. Die Thematik ist Bestandteil des „Berichts zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines neuen NPDVerbotsverfahrens – VS.NfD“, auf die sich der Bundesrat in seinem Beschluss ausdrücklich bezieht.