LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3720 05.08.2013 Datum des Originals: 31.07.2013/Ausgegeben: 16.08.2013 (08.08.2013) Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Neudruck Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1400 vom 28. Juni 2013 des Abgeordneten Kai Abruszat FDP Drucksache 16/3480 Steuerausfälle durch Rückerstattung nicht geleisteter Kapitalertragssteuern an die ehemalige WestLB – Welche Informationen kann die Landesregierung für eine nachvollziehbare Haushaltskontrolle geben? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1400 mit Schreiben vom 31. Juli 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach Medienberichten soll den öffentlichen Haushalten durch sogenannte Cum-ExGeschäfte ein Schaden von mehr als zwölf Milliarden Euro entstanden sein (Die Welt, 14.06.2013). Die Cum-Ex-Geschäfte funktionierten danach in der Weise, dass Händler Aktien zu einem Zeitpunkt verkauften, zu dem sie die Aktien noch gar nicht besaßen, also sogenannte Leerverkäufe vornahmen. Aufgrund der Trägheit der Abwicklungssysteme sei dann rund 48 Stunden lang unklar gewesen, wer Eigentümer des Wertpapiers ist, und es wurden zwei Steuergutschriften erteilt. Somit wurde das bestehende Grundprinzip des steuerlichen Erstattungsverfahrens unterlaufen, wonach nur Kapitalertragsteuer an Antragsteller erstattet werden kann, die zuvor auch abgeführt wurde. Banken und Fonds hätte sich danach zwischen 2002 und 2012 die Kapitalertragssteuer mehrfach vom Staat erstatten lassen. Die vom damaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück auf den Weg gebrachte gesetzliche Änderung hat ein wichtiges technisches Detail versäumt. Ausländische Banken konnten die Wertpapierabwicklung in Deutschland weiterhin so betreiben wie zuvor (Die Welt, 14.06.2013). Erst eine neue gesetzliche Regelung der aktuellen Bundesregierung hat diesem Verfahren einen Riegel vorgeschoben. Die WestLB soll neben anderen Landesbanken, wie der HSH Nordbank, dieses Steuerschlupfloch bewusst genutzt haben (u.a. Die Welt und Focus, 14.06.2013). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3720 2 Vorbemerkung der Landesregierung Wegen der Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses (§ 30 der Abgabenordnung – AO –) dürfen Kenntnisse über Verhältnisse eines anderen, die im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, grundsätzlich ohne Zustimmung des Betroffenen (§ 30 Absatz 4 Nummer 3 AO) nicht offenbart werden. Die nachfolgenden Antworten können sich daher nur auf etwaige Informationen oder Kenntnisse beziehen, die der Landesregierung außerhalb des Besteuerungsverfahrens bekannt geworden sind. 1. Ist der Landesregierung bekannt, dass die WestLB Cum-Ex-Geschäfte durchge- führt hat? Der Landesregierung ist nicht bekannt, dass die WestLB AG Cum-Ex-Geschäfte durchgeführt hat. Auf Nachfrage hat die Portigon AG mitgeteilt, dass ihrem Vorstand aus internen und externen Prüfungsergebnissen keine Erkenntnisse vorlägen, wonach die WestLB AG Cum-Ex-Geschäfte, wie in der Kleinen Anfrage 1400 beschrieben, betrieben habe. 2. Wenn ja, welcher Schaden ist dem Steuerzahler hierdurch entstanden? Vor dem Hintergrund der Antwort zu Frage 1 ist dem Portigon-Vorstand kein Schaden bekannt . 3. Prüft die Portigon AG als Rechtsnachfolger der ehemaligen WestLB, in welchem Umfang die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte durchgeführt wurden? Die Portigon AG hat zur Beantwortung der Frage 1 eine entsprechende Prüfung durchgeführt . 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Durchführung von Cum-Ex-Geschäften durch die WestLB? Erübrigt sich vor dem Hintergrund der Antwort zu Frage 1. 5. Welche Möglichkeit sieht die Landesregierung, die durch Mehrfachanrechnung von Steuergutschriften entstandenen Steuermindereinnahmen von den Steuerpflichtigen zurückzuverlangen? Auch nach Prüfung durch die Portigon AG gibt es für die vom Fragesteller vertretene These keine Grundlage. Unabhängig davon gilt: Begehrt ein (Leer-)Käufer unter Vorlage einer Steuerbescheinigung eine Anrechnung bzw. Erstattung von Kapitalertragsteuer, kann dies im Veranlagungsverfahren abgelehnt werden, soweit die Kapitalertragsteuer zuvor aufgrund von Leerverkaufsgestaltungen um den Dividendenstichtag tatsächlich nicht erhoben wurde. Gleiches gilt auch in Fällen, in denen entsprechende Gestaltungen erst nach einer bereits erfolgten Anrechnung bzw. Erstattung im Veranlagungsverfahren aufgedeckt werden. In diesen Fällen kann die zu Unrecht erfolgte Anrechnung bzw. Erstattung unter den Vorausset- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3720 3 zungen des § 130 Absatz 2 AO zurückgenommen und die Kapitalertragsteuer zurückgefordert werden (vgl. hierzu auch den Beschluss des Hessischen Finanzgerichts vom 08.10.2012, 4 V 1661/11, EFG 2013, 47).