LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3727 05.08.2013 Datum des Originals: 02.08.2013/Ausgegeben: 08.08.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1406 vom 1. Juli 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/3489 Revisionsbericht zur Entwicklung der WestLB 1994 bis 2003 – Welche relevanten Erkenntnisse zur einstigen ökonomischen Situation der nordrheinwestfälischen Staatsbank werden bis heute vor der Landespolitik geheimgehalten? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1406 mit Schreiben vom 2. August 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit dem Gesetz aus dem Jahre 2002 zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der öffentlichrechtlichen Kreditinstitute in Nordrhein-Westfalen wurde die Forderung der Europäischen Kommission nach Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung in nordrheinwestfälisches Landesrecht umgesetzt. Der öffentlich-rechtliche Bankensektor hat seitdem auf Refinanzierungsvorteile verzichten und sich noch stärker wettbewerblich ausrichten müssen. Die Westdeutsche Landesbank hat sich zu diesem Zeitpunkt längst über ihre ursprünglichen öffentlichen und regionalen Aufgaben hinaus als weltweit tätige Universalbank etabliert. Es konnte schon damals keine sinnvolle Aufgabe des nordrhein-westfälischen Steuerzahlers sein, die unmittelbare Haftung für eine international agierende Großbank zu übernehmen. Die FDP-Landtagsfraktion hat auf diesen Umstand immer frühzeitig hingewiesen und seit dem Jahre 2001 offensiv für die materielle Privatisierung der WestLB politisch geworben. Die WestLB hat seinerzeit alle Chancen gehabt, als privatisierte Bank dauerhaft im globalen Wettbewerb zu bestehen, wenn sie rechtzeitig aus der öffentlichen Hand vollständig in die unternehmerische Freiheit entlassen worden wäre. Die bisherigen Gewährträger der WestLB sind weder in der Lage gewesen, die benötigten Eigenmittel für die Geschäftsbankaktivitäten der WestLB AG aufzubringen, noch wäre es ordnungspolitisch wünschenswert, das haftende LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3727 2 Eigenkapital durch die Einbringung von zusätzlichen Einlagen auf Kosten der Steuerzahler zu erhöhen. Deshalb hat es schon frühzeitig nur einen Lösungsweg gegeben, der die Interessen der nordrhein-westfälischen Bürger wie auch der WestLB AG wirklich berücksichtigt hätte: die Eigenkapitalaufnahme über den Kapitalmarkt durch eine materielle Privatisierung der WestLB. Die AG wäre nicht nur für strategische Investoren von großem Interesse gewesen. Trotz des seinerzeit schwierigen Börsenumfeldes hätte eine WestLB-Aktie bei sorgsamer Platzierung gute Chancen gehabt. Mit diesem Modell wäre auch die Möglichkeit verbunden gewesen, Veräußerungserlöse zugunsten der bisherigen Gewährträger zu erzielen. Die seinerzeitige rot/grüne Landesregierung hat aber leider unverständlicherweise die große Chance verpasst, die Wettbewerbsfähigkeit der WestLB AG zu verbessern, die Bürger des Landes Nordrhein-Westfalens von den Geschäftsrisiken einer Großbank zu befreien und den politischen Einfluss auf das öffentlich-rechtliche Kreditwesen endlich zurückzudrängen. Den Tagungsunterlagen der Aufsichtsratssitzung der WestLB vom 2. Dezember 2004 ist zu entnehmen, dass unter Verantwortung des seinerzeitigen Leiters der Konzernrevision ein umfassender Strategiebericht mit dem Titel „Entwicklung der WestLB 1994 bis 2003“ dort vorgelegt worden ist. Die außerordentlich instruktiven und für die Entscheidungen der Landespolitik relevanten Erkenntnisse sind von besagtem Bankdirektor auf insgesamt 16 Seiten zusammengestellt und mit rund 100 Anlagen versehen worden. Nach Informationen aus dem Finanzministerium liegt ein Exemplar des vollständigen Berichts der Beteiligungsverwaltung des Landes vor, so dass auch der amtierende Finanzminister Kenntnis von den Unterlagen haben dürfte. Da die WestLB inzwischen nicht mehr existiert und sich auch die von ihr verbliebenen Teile in Abwicklung befinden, ist kein Sachgrund ersichtlich, warum dem Parlament die damaligen strategischen Erkenntnisse heute nicht zur Verfügung gestellt werden sollten. 1. Welche einzelnen Erkenntnisse liefern die besagten Ausarbeit-ungen der Kon- zernrevision der WestLB? 2. Welche Gesamtkosten sind der öffentlichen Hand durch die Geschäftstätigkeit der WestLB im Konzern, jeweils differenziert nach Tochterunternehmen, seit dem Jahr 1980 bis zur Einstellung ihres Geschäftsbetriebs zum 1. Juli 2012 entstanden (Angabe der Gesamtkosten bitte einschließlich der Eigenkapitalzuschüsse, Zuschüsse in Form von Eigenkapitalsurrogaten und Verlustausgleichszahlungen ). 3. Wie hat sich jeweils zu einzelnen Halbjahresstichtagen das Emissionsvolumen der WestLB im Konzern, differenziert nach Tochterunternehmen, im Zeitraum 2000 bis 2005 für die Gesamtheit aller emittierten Papiere (inklusive Schuldscheine , Genußrechten etc.) unter gleichzeitiger Angabe der jeweiligen Fristigkeit und Währung entwickelt? 4. Aus jeweils welchen einzelnen inhaltlichen sowie politischen Gründen im Detail hat sich die Landesregierung gemeinsam mit allen anderen Eigentümern trotz der vorliegenden Erkenntnisse über die Lage der Landesbank in der 13. Legislaturperiode so entschieden gegen eine materielle Privatisierung der WestLB gestemmt ? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3727 3 5. Aus welchen Erwägungen heraus stellt die amtierende Landesregierung interessierten Abgeordneten des Landtags nun (k)ein Exemplar des erwähnten Revisionsberichts zur Verfügung? Vorbemerkung: Um Wiederholungen zu vermeiden, werden die Fragen 1 bis 5 im Zusammenhang beantwortet und konkrete Bezugnahmen auf eine Frage sind jeweils kenntlich gemacht. Insgesamt bezieht sich die Kleine Anfrage 1406 auf Themen, die Gegenstand des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur WestLB sind. In diesen Fällen kann die Landesregierung nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4.10.1993 – Aktenzeichen 15/92 – auf die Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses verweisen. Zu den Inhalten des Untersuchungsausschusses, die der Kleinen Anfrage 1406 entsprechen, ist Folgendes festzustellen: Laut dem Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses (Drs. 16/2618) obliegt es ihm, anhand näher spezifizierter Sachverhalte „die Fehlentwicklungen zu untersuchen und insbesondere festzustellen, inwieweit der Niedergang der WestLB auf fehlerhaftes, möglicherweise rechtswidriges Verhalten Einzelner, fehlerhaftes Management, fehlende Kontrollorgane oder unzureichende bzw. Nichtwahrnehmung der Kontrolle durch die Mitglieder dieser Organe oder gar auf direkte, von sachfremden Erwägungen geleitete, politische Einflussnahmen zurückzuführen ist, und in welcher Höhe Lasten für den Steuerzahler entstanden sind“. Als zu untersuchende Sachverhaltskomplexe sind im Einsetzungsantrag explizit genannt: - unter III. 1. „Entwicklung der WestLB von einer Förder- und Sparkassenzentralbank zu einer internationalen Groß- und Beteiligungsbank ab Beginn der 1980er Jahre“ und - unter III. 11. „Privatisierungs- und Fusionsbemühungen der WestLB AG“. Im Fokus des Untersuchungsausschusses stehen folglich Fehlentwicklungen der Geschäftspolitik der WestLB, zu denen der Bericht der Konzernrevision „Entwicklung der WestLB 1994 – 2003“ Aufschlüsse geben kann, mögliche Privatisierungsüberlegungen der Landesregierung in der 13. Legislaturperiode und die Aufwendungen der öffentlichen Hand für den WestLB-Konzern. Die Landesregierung geht deshalb davon aus, dass die Fragestellungen der Kleinen Anfrage 1406 Gegenstand des Untersuchungsausschusses sein werden und auch dort in der Sache zu behandeln und zu beantworten sind. Es liegt im Interesse der Sache, dass die Fragestellungen nicht isoliert betrachtet werden, sondern im Gesamtkontext des Untersuchungsauftrages zur WestLB beantwortet und bewertet werden. Das gebietet nach Ansicht der Landesregierung der Respekt gegenüber dem von allen Fraktionen des Landtages beschlossenen Untersuchungsausschuss und der von ihm zu leistenden Aufklärungsarbeit. Da die Fragestellungen der Kleinen Anfrage 1406 Zeiträume betreffen, die keinen Bezug zu den aktuellen Mitgliedern der Landesregierung oder des Aufsichtsrates bzw. des Vorstandes der Portigon AG aufweisen, ist auch unter zeitlichen Aspekten ihre vorrangige isolierte Beantwortung nicht geboten. Die Landesregierung ist selbstverständlich bereit und daran interessiert, in dem Untersuchungsausschuss zur notwendigen Klärung der Fragestellungen, die Gegenstand der Kleinen Anfrage 1406 sind, bestmöglich beizutragen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3727 4 Gleichwohl sind bereits Informationen veröffentlicht, die einige Fragen zumindest teilweise beantworten: In Bezug auf die Frage 2 nach den Gesamtaufwendungen der öffentlichen Hand für den WestLB-Konzern wird auf die Anlage der HFA-Vorlage vom 06.12.2012 (Vorlage (16/434) und auf die Anlage 21 der HFA-Vorlage vom 09.01.2013 (Vorlage 16/527) verwiesen. Einen ersten Überblick über das Emissionsvolumen des WestLB-Konzerns, wie in der Frage 3 angesprochen, geben die Geschäftsberichte der WestLB der Jahre 2000 bis 2005. Ihnen lassen sich die Verbindlichkeiten des WestLB-Konzerns entnehmen. Die Geschäftsberichte sind frei zugänglich abrufbar unter: http://www.portigon.com/cm/content/portigon/i/de/ueber-portigon/westlbarchiv /finanzberichte/finanzinformationen--geschaeftsberichte/archiv-geschaeftsberichte.html