LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3754 12.08.2013 Datum des Originals: 08.08.2013/Ausgegeben: 15.08.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1409 vom 5. Juli 2013 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/3496 Nach dem Zensus – Reform des nordrhein-westfälischen Meldesystems notwendig? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1409 mit Schreiben vom 8. August 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 31. Mai 2013 wurden die neuen Bevölkerungszahlen nach dem Zensus vorgelegt. Demnach leben 17.538.251 Menschen in Nordrhein-Westfalen. Das sind insgesamt nur 297.018 weniger Einwohner als bisher angenommen. Der Anteil Nordrhein‑Westfalens an der gesamten Bevölkerung Deutschlands (80,2 Millionen Einwohner) beträgt 21,9 Prozent und stieg sogar um 0,1 Prozentpunkte. Gravierendere Auswirkungen hat der Zensus jedoch für die Städte und Gemeinden, in denen es zu teils erheblichen Auswirkungen kam. In 298 von 396 Städten und Gemeinden lag die beim Zensus 2011 ermittelte Einwohnerzahl unter der bislang veröffentlichten. Die höchsten Abweichungen wurden für Blankenheim im Kreis Euskirchen (+4,9 Prozent) und Schöppingen im Kreis Borken (−17 Prozent) festgestellt. In Aachen verringerte sich die Einwohnerzahl um 8,6 Prozent und insgesamt rund 5.000 Einwohner. In den größten Städten Nordrhein‑Westfalens wich die Bevölkerungszahl insgesamt nur unwesentlich ab: Köln: −0,3 Prozent, Düsseldorf: −0,5 Prozent, Dortmund: −1,6 Prozent, Essen: −1,3 Prozent. Die neue „Volkszählung“ war zwar erforderlich, da die Fortschreibung der amtlichen Einwohnerzahl auf Basis der Volkszählung 1987 beruhte, aber die Auswirkungen, auch mittelbar finanziell, für die Kommunen sind teils erheblich, so dass entsprechend mit weniger Zuweisungen unter anderem nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz zu rechnen sein wird. Zudem müssen die Städte und Gemeinden auf Basis der Zensus-Zahlen ihre Melderegister aktualisieren, können dies aber nicht mit den vorgelegten Zensus-Daten, da die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3754 2 Bevölkerungszahlen für den Zensus 2011 nur stichprobenartig erfasst wurden und keine konkreten Namen von Personen erhalten. Daher sind derzeit noch erhebliche Unstimmigkeiten zwischen den kommunalen Melderegistern und der Bevölkerungszahl nach dem Zensus gegeben. 1. Für welche Landeszuweisungen an die Kommunen, neben dem Gemeindefinanzierungsgesetz, sind die neuen Zensus-Zahlen über die Bevölkerungszahl erheblich? Für folgende Landeszuweisungen an die Kommunen ist die Zahl der Einwohner erheblich: Nr. Zweck der Landeszuweisung Rechtsgrundlage 1 Investitionspauschale Feuerschutz § 29 Haushaltsgesetz 2 Wahlkostenerstattung § 40 Abs.1 LWahlG i.V.m.§ 66 LWahlO (s. Fußnote 1) 3 Beteiligung des Landes an den Kosten für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Personen nach § 2 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) Pauschalierte Landeszuweisung nach § 4 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) gemäß Zuweisungsschlüssel. Nach § 3 Absatz 1 Satz 2 FlüAG bilden 90 v.H. des Einwohnerschlüssels (Einwohneranteil der Gemeinden an der Gesamtbevölkerung des Landes) mit 10 v.H. des Flächenschlüssels den Zuweisungsschlüssel. 1 Die Erstattung der Kosten der Kreiswahlleiter für die Landtagswahl bestimmt sich nach § 40 Abs. 1 Landeswahlgesetz. Danach erstattet das Land den Gemeinden und den Kreiswahlleitern die Kosten der Landtagswahl. Dabei werden die Kosten nach festen und nach Gemeindegrößen abgestuften Sätzen erstattet. Der zu erstattende Betrag richtet sich nach der Anzahl der Wahlberechtigten ("Kopfpauschale"). Insoweit sind die Zahlen des Zensus zunächst für die Höhe der Erstattung unerheblich, da die Zahl der Wahlberechtigten jeweils nach der Wahl festgestellt wird. Anderes gilt, soweit die Gemeinden durch die veränderten Zahlen in eine andere Größenklasse als bisher gelangen. Die Grenze zwischen den zwei Größenklassen liegt bei 100.000 Wahlberechtigten. Unterhalb dieser Grenze betrug die Pauschale bei der Landtagswahl 2012 pro Wahlberechtigtem 0,72 €, darüber 0,90 €. Aussagen zu Veränderungen können jedoch im Einzelnen nicht getroffen werden. 2. Die festgestellten Einwohner-Differenzen resultieren auch aus der im Melderecht veränderten Abmelde- und Anmeldepraxis. Hält die Landesregierung eine Bundesrats-Initiative zur Rückkehr zur alten An- und Abmeldepraxis für sinnvoll? Nein; die Behauptung, die Differenzen der Einwohnerzahlen zwischen dem Ergebnis des Zensus und den Melderegistern resultierten aus einer veränderten Abmelde- und Anmeldepraxis im Melderecht, ist nicht nachvollziehbar. Nach aktuellem Melderecht bedarf es einer Abmeldung nur, soweit keine neue Wohnung im Inland bezogen wird (§ 13 Abs. 2 Meldegesetz NRW). Bei einem Umzug im Inland wird die "Abmeldung" auf Grund eines automatisierten bundesweiten Datenabgleichs im sog. "Rückmeldeverfahren" nach der Anmeldung an einem anderen Ort nachvollzogen. Inwieweit LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3754 3 eine Änderung des Melderechts, z. B. durch die Verpflichtung sich jeweils separat bei den betroffenen Meldebehörden an- und abzumelden, eine Verbesserung der Quote ergeben könnte, erschließt sich nicht. Vielmehr hat gerade umgekehrt die Einführung des automatisierten Rückmeldeverfahrens zu einer übergreifenden Verbesserung der Datenqualität in den Registern geführt. Eine Rückkehr zur alten An- und Abmeldepraxis wird daher nicht für sinnvoll erachtet. 3. Wie beurteilt die Landesregierung die derzeitige Problematik der Anpassung der Melderegister auf Basis der Zensus-Daten? Nach § 22 Abs. 2 des Gesetzes über den registergestützten Zensus dürfen die statistischen Ämter des Bundes und der Länder den für statistische Aufgaben zuständigen Stellen der Gemeinden und Gemeindeverbände (Statistikstellen) auf Ersuchen für deren Zuständigkeitsbereich Einzelangaben zu den Erhebungsmerkmalen sowie zu den Hilfsmerkmalen „Straße“ und „Hausnummer“ oder nach Blockseiten zusammengefasste Einzelangaben für ausschließlich kommunalstatistische Zwecke übermitteln. Die Übermittlung ist nur zulässig, wenn das Statistikgeheimnis durch gesetzlich vorgeschriebene Maßnahmen, insbesondere zur räumlichen, organisatorischen und personellen Trennung der Statistikstellen von den für nichtstatistische Aufgaben zuständigen Stellen der Gemeinden und Gemeindeverbände, gewährleistet ist. Eine Anpassung im Sinne der Veränderung von Meldedaten in den Melderegistern ist daher auf Basis der für den Zensus erhobenen Daten ausgeschlossen. Grundlage für die Änderung der Melderegister sind An- und Abmeldungen der Betroffenen, die Ergebnisse des Rückmeldeverfahrens sowie die auf Grund von § 4a Abs.1 Meldegesetz NRW von Amts wegen ermittelten Ergebnisse der Meldebehörden. Aufgrund eines Beschlusses des Bundesrates zum Bevölkerungsstatistikgesetz wird der Bund eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus allen von dem Themenkomplex Einwohnerzahlermittlung betroffenen Bereichen (z.B. Melderecht, Statistik, EDV, Datenschutz) einrichten. Ziel ist eine ergebnisoffene Prüfung, ob bzw. wann und wie die Einwohnerzahlenermittlung mittel- und langfristig modernisiert, verbessert und ggf. grundlegend neu gestaltet werden kann. Nordrhein-Westfalen beabsichtigt, sich an der Arbeitsgruppe zu beteiligen. 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Reformbedürftigkeit der Melderegister? Der konsolidierte Melderegisterbestand für Nordrhein-Westfalen wies zum Stichtag 17.896.478 Einwohner aus. Das sind 358.227 weniger als laut Zensusergebnis. Damit beträgt die Abweichung zwischen Zensusergebnis und Melderegisterbestand im landesweiten Durchschnitt 2,0 %. "Konsolidiert" wurde der Registerbestand insoweit, dass bereits Erkenntnisse aus einer ersten Melderegisterlieferung zum 09. August 2011 (insbesondere nachträglich registrierte Zuzüge vor dem Zensusstichtag) eingeflossen sind und freiwillige Meldungen (von Angehörigen ausländischer Streitkräfte, diplomatischer und berufskonsularischer Vertretungen) herausgenommen wurden. Eine allgemeine Reformbedürftigkeit der Melderegister besteht nicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3754 4 5. Wie beurteilt die Landesregierung den Vorschlag eines Landesmelderegisters zur effizienteren Abgleichung der kommunalen Melderegister? Eine Spiegelung der in den kommunalen Melderegistern gespeicherten Daten in ein Landesmelderegister, wie es andere Länder praktizieren, verbessert nicht die Datenqualität. Ein Landesmelderegister hat keinen Einfluss auf das Verhalten der Meldepflichtigen dahingehend, sich bei Fortzug ins Ausland rechtskonform abzumelden. Das Ministerium für Inneres und Kommunales NRW hat die Errichtung eines Meldeportals für Behörden zum 01.01.2014 beauftragt. Dieses kann auch von den Kommunen für dienstlich erforderliche Abrufe von Meldedaten genutzt werden. Dies lässt eine weitere Verbesserung der Datenqualität in den Melderegistern erwarten.