LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3770 14.08.2013 Datum des Originals: 13.08.2013/Ausgegeben: 19.08.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1423 vom 10. Juli 2013 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/3555 Haushaltssanierung mit Erhöhung der Gewerbesteuer Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1423 mit Schreiben vom 13. August 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Auch im Jahr 2013 haben viele Kommunen in Deutschland die Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuern A und B drastisch erhöht. Eine Untersuchung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) belegt, dass insbesondere die Kommunen in Nordrhein-Westfalen die stärksten Hebesätze bei der Gewerbesteuer haben. Die Untersuchung der Hebesatzpolitik der Städte und Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern zeigt auf, dass rund ein Fünftel der Kommunen ihre Gewerbesteuer erhöhte, ein Viertel der Kommunen erhöhte die Grundsteuer B. Bei Kommunen mit mehr als 50.000 Einwohnern erhöhten mehr als ein Drittel der Kommunen die Gewerbesteuerhebesätze. Der bundesdurchschnittliche Hebesatz, so die Studie, liege bei 428 Punkten. Spitzenreiter sei Nordrhein-Westfalen mit einem durchschnittlichen Hebesatz von 459 Punkten. Der Bereichsleiter Steuern des DIHK erklärte dazu, dass Steuererhöhungen kein taugliches Instrument zur Haushaltssanierung seien. Insbesondere in Kommune, die von Strukturveränderungen betroffen seien, sie es kontraproduktiv, weil eine Abwärtsspirale drohe, wenn keine Unternehmensansiedlungen erfolgen und zeitgleich, aufgrund der Steuerbelastungen, Unternehmen abwandern. Dennoch sieht insbesondere der Stärkungspakt Erhöhungen von Grund- und Gewerbesteuern zur Haushaltssanierung vor. So erhöhte jüngst der von der Landesregierung eingesetzte Sparkommissar in Nideggen als erste Maßnahmen zunächst die Hebesätze von Gewerbe- und Grundsteuer. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3770 2 1. Wie sieht die Entwicklung der Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2010 im Vergleich zu anderen Bundesländern aus? Auswertungen zur Höhe und Entwicklung der Gemeindesteuern einschließlich der Realsteuerhebesätze werden von den statistischen Ämtern des Bundes und der Länder jährlich vorgenommen und im Rahmen verschiedener Fachveröffentlichungen publiziert. In diesem Kontext kann beispielsweise auf die Fachserie 14 Reihe 10.1 des Statistischen Bundesamtes ("Realsteuervergleich - Realsteuern, kommunale Einkommen- und Umsatzsteuerbeteiligungen") zurückgegriffen werden, die auch einen Ländervergleich der Hebesätze von Gewerbe- und Grundsteuer A sowie B beinhaltet. Die Auswertungen stehen frei zugänglich auf der Internetseite des Statistischen Bundesamtes. Für das Berichtsjahr 2011 lautet die Internetadresse: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/FinanzenSteuern/Steuern/Realsteuer/ Realsteuervergleich2141010117004.pdf?__blob=publicationFile Für das Berichtsjahr 2010 lautet die Internetadresse: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/FinanzenSteuern/Steuern/Realsteuer/ Realsteuervergleich2141010107004.pdf?__blob=publicationFile Die Ausgabe für das Berichtsjahr 2012 wurde vom Statistischen Bundesamt bislang noch nicht veröffentlicht. 2. Wie entwickeln sich die Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer in den Kommunen seit dem Jahr 2010 (gemeindescharf)? Gemeindescharfe Daten zur Entwicklung der Realsteuern können u.a. der Publikation "Hebesätze der Realsteuern" entnommen werden, die eine Gemeinschaftsveröffentlichung der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder darstellt. Diese jährlich erscheinende Auswertung kann ebenfalls unentgeltlich von der Internetseite des Statistischen Bundesamtes bezogen werden. Die Ausgabe für das Berichtsjahr 2012 befindet sich unter der folgenden Adresse: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/FinanzenSteuern/Steuern/Realsteuer/ HebesaetzeRealsteuern8148001127005.xls?__blob=publicationFile Ausgabe für das Berichtsjahr 2011: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/FinanzenSteuern/Steuern/Realsteuer/ HebesaetzeRealsteuern8148001117005.xls?__blob=publicationFile Ausgabe für das Berichtsjahr 2010: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/FinanzenSteuern/Steuern/Realsteuer/ HebesaetzeRealsteuern8148001107005.xls?__blob=publicationFile 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Hebesatzerhöhung zur Haushaltssanierung? Aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung steht den Gemeinden bei der Festlegung der Realsteuerhebe-sätze ein weiter Entschließungsspielraum zu. Vergleichbares gilt im Hinblick auf die Ausgestaltung der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3770 3 Maßnahmen zur Sanierung der Gemeindehaushalte: Jede Gemeinde entscheidet in eigener Verantwortung, auf welchem Wege sie die erforderlichen Konsolidierungsziele erreicht. Die Landesregierung enthält sich aus diesem Grunde einer Beurteilung der von den Gemeinden in eigener Verantwortung getroffenen haushaltspolitischen Entscheidungen. 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Warnung des DIHK, dass steigende Gewerbe- und Grundsteuern Unternehmen vor Ansiedlungen abhalten und dadurch insbesondere in strukturschwachen Gebieten, wie z.B. dem Ruhrgebiet, die Wettbewerbsposition dieser Kommunen schwächt? Die Frage, ob steigende Realsteuerhebesätze die Wettbewerbsposition einer Gemeinde nachhaltig schwächen, wird in der Wissenschaft kon-trovers diskutiert. Immerhin kommen verschiedene regionalökonomische Untersuchungen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Höhe des Gewerbesteuerhebesatzes für die unternehmerische Standortwahl weitaus weniger relevant ist als andere Standortfaktoren, wie z.B. die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, die Nähe zu Kunden oder die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen (siehe hierzu beispielsweise Fischer, G. u.a. 2007: Standortbedingungen und Beschäftigungen in den Regionen West- und Ostdeutschlands, veröffentlicht in: IAB-Forschungsberichte 5/2007, Nürnberg. - Institut der deutschen Wirtschaft 2003: Standortpolitik, veröffentlicht in: iwd - Informationsdienst Nr. 33, S. 2). 5. Wie beurteilt es die Landesregierung, vor dem Hintergrund der sog. "Abwärtsspirale" durch höhere Gewerbe- und Grundsteuern in den Kommunen, dass die Aufsichtsbehörden oder der Sparkommissar mittelbar und unmittelbar den Kommunen die Erhöhung der Hebesätze von Grund- und Gewerbesteuer zur Haushaltssanierung vorschreibt? Wie bereits in der Antwort auf Frage 3 ausgeführt wurde, steht den Gemeinden bei der Festlegung der Realsteuerhebesätze ein weiter Entschließungsspielraum zu. Jede Gemeinde entscheidet in eigener Verantwortung über ihre Hebesätze. Lediglich in der pflichtig am Stärkungspakt Stadtfinanzen teilnehmenden Stadt Nideggen hat der Beauftragte auf der Grundlage einer Vorlage der Bürgermeisterin der Stadt einen Beschluss zur Anhebung der Hebesätze für die Gewerbe- und Grundsteuer getroffen, damit die Stadt Nideggen die Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes für eine Genehmigung des Haushaltssanierungsplanes für das Jahr 2012 erfüllen konnte. Über die Fortschreibung des Haushaltssanierungsplanes für das Jahr 2013 ist gegenwärtig noch nicht entschieden.