LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3789 15.08.2013 Datum des Originals: 15.08.2013/Ausgegeben: 20.08.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1453 vom 19. Juli 2013 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/3613 Kneift Justizminister Kutschaty? - Justizministerkonferenz konnte mangels Vorlage aus NRW keinen Beschluss zum Unternehmensstrafrecht fassen - SPDBundestagsfraktion will Sinnhaftigkeit und Verfassungskonformität überprüft wissen Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 1453 mit Schreiben vom 15. August 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Protokoll zur Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 12./13. Juni 2013 in Perl-Nenning weist keinen Beschluss zu Tagesordnungspunkt II.15 (Unternehmensstrafrecht) aus. Dem Vernehmen nach hat Justizminister Kutschaty der Konferenz schlicht nichts vorgelegt, wozu ein Beschluss hätte ergehen können. Dies ist insoweit bemerkenswert, als dass Justizminister Kutschaty in einer Pressemitteilung vom 15.05.2013 mitteilte, in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen in Berlin bereits die Eckpunkte des Gesetzentwurfs zum Unternehmensstrafrecht Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Justiz vorgestellt zu haben. In der Presseerklärung heißt es weiter: „Die Eckpunkte sollen auf der kommenden Justizministerkonferenz am 12. Juni vorgestellt werden. Nach der Sommerpause wird Justizminister Kutschaty das vollständige Gesetz, das den Namen „Verbandstrafgesetzbuch“ tragen soll vorstellen.“ Bemerkenswert ist insoweit auch, dass selbst die SPD-Bundestagsfraktion augenscheinlich nicht auf die Initiative aus NRW vertraut, sondern in einem aktuellen Antrag (vgl. Drs. 17/13087 vom 16.04.2013, Seite 4) klargestellt, dass sie die Sinnhaftigkeit und Verfassungskonformität lieber von der Bundesregierung überprüft wissen will; es heißt dort insoweit: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3789 2 „Als Alternative könnte ein Unternehmensstrafrecht eingeführt werden. Daher ist insbesondere zu prüfen, • ob die Einführung eines Strafrechts für Unternehmen sinnvoll ist, • in welcher Weise ein derartiges Unternehmensstrafrecht ausgestaltet werden kann, so dass es auch verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt.“ Besonders erstaunlich ist: Die Initiative oder Vorprüfungen von Justizminister Kutschaty werden in dem umfassenden Antrag mit keinem Wort erwähnt. Obwohl Ministerpräsidentin Kraft und Justizminister Kutschaty seit mehr als einem Jahr medienwirksam ein Unternehmensstrafrecht im Bund fordern. Wie ein Bericht der Landesregierung (vgl. Vorlage 16/123) bereits vom 30.08.2012 feststellte, stünden unüberwindbare Hindernisse der Einführung eines Unternehmensstrafrechts nach Überzeugung der Landesregierung nicht entgegen. Das gelte auch für das verfassungsrechtlich verankerte Schuldprinzip. Auch sonstige grundlegende Rechtsgrundsätze stünden nicht entgegen. Die SPD-Bundestagsfraktion scheint zu Recht weiter skeptisch. Insoweit sei daran erinnert, dass die ehemalige Bundesjustizministerin Zypries (SPD) im Jahre 2002 von der Einführung eines Unternehmensstrafrechts wegen der zu hohen dogmatischen Hürden Abstand genommen hat. Auch Experten haben rechtliche Bedenken. Der Experte Professor M. Deiters hält nach Medienberichten das Vorhaben für "symbolisch", und er vermutet, dass mit dem Vorstoß Wahlkampf betrieben werden soll. Schließlich soll der Gesetzentwurf nach der Sommerpause - also wenige Wochen vor der Bundestagswahl - vorgestellt werden. Die Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister wird - erst nach der Bundestagswahl - am 14. November 2013 stattfinden. Insoweit entsteht der Anschein, dass Justizminister Kutschaty bewusst eine Beschlusslage auf der Justizministerkonferenz vermieden hat, um begründeten Bedenken – auch anderer SPD-Justizminister - gegen das Vorhaben vor der Bundestagswahl keinen Raum zu geben. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung bereitet eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines Verbandsstrafrechts vor, um gegen Wirtschafts-, Umwelt- und Korruptionsdelikte besser vorgehen zu können, als dies bislang mit dem Ordnungswidrigkeitenrecht möglich ist. Sie sieht wesentliche Schwachstellen des Ordnungswidrigkeitenrechts unter anderem in dessen uneinheitlicher Anwendungspraxis aufgrund des Opportunitätsprinzips, in der Inflexibilität der möglichen Sanktionen, in der mangelhaften Einbindung moderner Compliance-Verfahren in das Sanktionensystem sowie in nach wie vor bestehenden Sanktionslücken in Fällen organisierter Unverantwortlichkeit in großen Verbänden. In einem intensiven Prüfungsprozess, in den auch Vertreter der Anwaltschaft, der Wirtschaft und der rechtswissenschaftlichen Forschung in mehreren Diskussionsveranstaltungen eingebunden waren, ist unter Berücksichtigung verfassungs- und europarechtlicher Vorgaben ein erster Entwurf erarbeitet worden, der diese Defizite ausgleichen kann. Dieser Entwurf des Justizministers bedarf der weiteren Diskussion und Abstimmung innerhalb der Landesregierung. Die Landesregierung legt großen Wert auf die gedeihliche Entwicklung der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen und auf den Ausbau und die Sicherung mittelstandsgerechter Rahmenbedingungen. Daher wird die Landesregierung ihren internen Diskussionsprozess unter Einbeziehung von mittelstandsrelevanten Organisationen, von LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3789 3 Verbänden, Dachorganisationen der Kammern, Organisationen der gewerblichen Wirtschaft und der Freien Berufe sowie von Vertretern der kommunalen Spitzenverbände fortsetzen. 1. Warum legte der Justizminister die Eckpunkte des Gesetzentwurfs zum Unternehmensstrafrecht nicht der Justizministerkonferenz vom 12./13. Juni zur Beschlussfassung vor? Die Justizministerinnen und Justizminister haben bereits am 15. November 2012 in Berlin erörtert, ob bei Unternehmenskriminalität die Verhängung von Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen als Sanktion noch ausreicht und ob dies auch im Kontext internationaler Vorgaben und Entwicklungen noch zeitgemäß ist. Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat den Justizministerinnen und Justizministern am 12./13. Juni 2013 unter anderem folgende Eckpunkte einer geplanten Gesetzesinitiative vorgestellt:  Im Anschluss an Artikel 3 und 4 des Zweiten Protokolls aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 221/12 vom 19.07.1997) muss ein künftiges Verbandsstrafgesetzbuch Sanktionen sowohl für Auswahl- als auch für Überwachungsverschulden in einem Verband vorsehen.  Sachgerecht ist die Einführung nicht nur von Verbandsstrafen, sondern auch von Verbandsmaßregeln mit deutlich präventivem Akzent.  Akzente für den Opferschutz sind durch Entschädigungsauflagen zu setzen.  Durch das Legalitätsprinzip ist eine gleichmäßigere und transparentere Rechtsanwendung zu garantieren.  Verfahren von erheblicher Bedeutung müssen vor dem Landgericht (Wirtschaftsstrafkammer) stattfinden.  Die Verfahrensrechte des Verbandes müssen im Gegenzug an den Standard der Strafprozessordnung angeglichen werden. Da die Justizministerinnen und Justizminister vereinbart hatten, auf Grundlage einer konkreten Gesetzesinitiative Nordrhein-Westfalens die Diskussion fortzuführen, war eine erneute Beschlussfassung zu dem Zwischenbericht Nordrhein-Westfalens nicht erforderlich. 2. Wann beabsichtigt der Justizminister, der Justizministerkonferenz eine zur Beschlussfassung geeignete Vorlage zum Unternehmensstrafrecht vorzulegen? Die Landesregierung nimmt zu Vorhaben, deren Prüfung noch nicht abgeschlossen ist, keine Stellung. 3. Inwieweit ist bereits ein inhaltlicher Vorschlag bzw. Referentenentwurf eines Gesetzentwurfs zum Unternehmensstrafrecht des Justizministeriums NRW erarbeitet worden, so dass entsprechend der Zusage des Ministers (vgl. APr 16/26 vom 05.09.2012, Seite 21) der Rechtsausschuss unterrichtet wird? Auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 2 wird Bezug genommen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3789 4 4. Inwieweit ist zeitlich eine Verbändeanhörung zu einem Referentenentwurf geplant? Auf die Vorbemerkung wird Bezug genommen. 5. Wann beabsichtigt der Justizminister, seinen Gesetzentwurf in den Bundesrat einzubringen? Auf die Antwort zu Frage 2 wird Bezug genommen.