LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3797 16.08.2013 Datum des Originals: 14.08.2013/Ausgegeben: 21.08.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1478 vom 23. Juli 2013 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/3653 „Bürgerfonds“ als alternative Finanzierungsform zur Stärkung der Bürgergemeinschaft Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1478 mit Schreiben vom 14. August 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet am 22. Juli 2013 über das Vorhaben der Stadt Frankfurt einzelne Bauprojekte mittels Bürgeranleihen zu finanzieren. Um das vorhandene Finanzierungsportfolio zu erweitern sollen Einzelprojekte der Stadt über einen Bürgerfonds oder über Bürgeranleihen finanziert werden. Allerdings würde die Stadt diese Anleihe nicht selbst herausgeben, sondern über eine Bank im Auftrag der Kommune. Vorteil sei, dass diese Geldanlage für die Bürger äußerst sicher sei. Das Zinsniveau für eine Bürgeranleihe aber läge unterhalb des für langfristige Kommunalkredite geltenden Zinssatzes von 1-2 Prozent. Der Kämmerer der Stadt betont, dass es vielmehr um die stärkere Identifikation mit der Stadt gehe. Die Bürgerinnen und Bürger könnten so die Sicherheit der Anlageform nutzen und hätten das Wissen, dass vor Ort das Geld sinnvoll eingesetzt wird. Als Antwort auf die möglichen Probleme der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen kostengünstige Kredite zu erhalten müssen ebenfalls neue Finanzierungsmodelle gesucht werden. „Basel III“ und „leverage ratio“ drohen zinsgünstige Kredite für Kommunen zu verknappen und dadurch auch zu einer Verteuerung der Zinsen für Kredite zu führen. Der Bürgerkredit ist in Zeiten der dramatischen Haushaltslage einer Vielzahl von nordrheinwestfälischen Kommunen einer drohenden kommunalen Kreditklemme eine mögliche Alternative zum klassischen Kommunalkredit. Zur Finanzierung von neuen Vorhaben, von Modernisierung bestehender Infrastruktur oder zur Expansion können Gemeinden durch die Bürgerfinanzierung hohen Zins- und Tilgungsraten und dem Gebot der Kapitalbindung ausweichen. Kommunen werden dadurch, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3797 2 wenn sie sich im Nothaushaltsrecht und der Auflage des § 86 Gemeindeordnung befinden, für die Daseinsvorsorge handlungsfähig und werden unabhängiger von der Kreditvergabepraxis von Banken. Auch im Verhältnis von Gemeinde zu den Bürgern können positive Effekte auftreten. Der Dialog zwischen den Instanzen verbessert sich und zudem stärkt sich die Identifikation und Akzeptanz des kommunalen Vorhabens vor Ort, wenn es durch die eigenen Bürger finanziert wird. Bei sog „Bürgerfonds“ sind die Gemeindeeinwohner bereit, ihrer Kommune für ein konkretes Projekt vor Ort zu geben. Dabei können die Bürger dann auch praktisch direkt vor Ort sehen, was mit ihrem Geld geschieht. Durch das bürgerschaftliche Finanzengagement für kommunale Daseinsprojekte wird als Nebeneffekt die Gemeinschaft gestärkt und das Interesse an den kommunalen Projekten erhöht sich. Für die Einwohner zahlt sich dieses Engagement durch eine höhere Verzinsung dieser Anlageform im Vergleich zu klassischen Anlagen dar. Rechtssichere und verlässliche Möglichkeiten der Nutzung dieser Kredite durch die Einwohner sind derzeit häufig nur mit Privaten Dienstleistern, wie z.B. „Leih Deiner Stadt Geld“ möglich. Diese erarbeiten ein rechtliches Konstrukt, wie die Bürger über eine Bank den Kommunen Kredit geben. Mittels einer Zahlung der Bürger auf ein Treuhandkonto einer Bank wird die Anwartschaft auf den später gezahlten Bürgerkredit erworben. Nach dem Zahlungsfristablauf werden alle Zahlungen eines Projekts zu einem Bürgerkredit zusammengefasst, an dem jeder Bürger, anteilig nach seiner Zahlung, eine Forderung erhält. Nach der Gemeindeordnung ist ein direkter Bürgerkredit rechtlich nicht möglich. 1. Welche Kommunen in Nordrhein-Westfalen nutzen für welche konkreten Projekte die Finanzierungsmöglichkeit von Bürgerfonds oder Bürgeranleihen? Die Kommunen haben ihre Finanzmittel in eigener Verantwortung unter Beachtung der haushaltsrechtlich zulässigen Formen zu beschaffen, zu denen auch Anleihen gehören. Sie dürfen Fremdkapital nur für Investitionen und nur dann aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Im Rahmen der gesetzlichen Finanzstatistik werden die Anleihen als eine Schuldform der Kommunen erfasst. Dabei wird jedoch nicht nach möglichen bankrechtlichen Formen oder adressatenbezogenen nach Gläubigern unterschieden. Eine Aussage darüber, welche Kommunen die Finanzierungsmöglichkeit von Bürgerfonds und Bürgeranleihen für welche Projekte nutzen, ist deshalb nicht möglich. 2. Wie bewertet die Landesregierung den Einsatz für Bürgerfonds und Bürgeranleihen? Siehe Antwort zu Frage 1. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3797 3 3. Wie beurteilt es die Landesregierung, dass sich in einer Vielzahl von Bürgerfonds private Anbieter einschalten, um den Kommunen rechtssichere Modelle von Bürgerfonds und -Anleihen anzubieten? Bei der Aufnahme von Fremdkapital handeln die Kommunen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung (Finanzhoheit). Sie haben hierbei die Angebote verschiedener Gläubiger zu beurteilen und zu beachten, dass für die Wirtschaftlichkeit eines Angebotes alle Vertragselemente zu berücksichtigen und zu bewerten sind. Es ist dabei nicht zu beanstanden, wenn sich die Kommunen wegen der Vielzahl der angebotenen Bankprodukte ggf. der Unterstützung Dritter versichern. 4. Könnte hier eine Unterstützung der Kommunen durch die NRW.Bank oder die Sparkassengruppe (Kommunale Trägerschaft) hilfreich sein? Siehe Antwort zu Frage 3. 5. Sieht die Landesregierung eigene Möglichkeiten, die Kommunen in Nordrhein- Westfalen bei Bürgeranleihen und Bürgerfonds zu besser zu unterstützen? Sofern sich haushaltsrechtliche Fragestellungen zur kommunalen Finanzierung aus besonderen örtlichen Sachverhalten ergeben, unterstützen die Aufsichtsbehörden die Kommunen im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags.