LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/381 23.07.2012 Datum des Originals: 20.07.2012/Ausgegeben: 26.07.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 68 vom 21. Juni 2012 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/108 Verbraucherschutz bei Ökostrom-Angeboten Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 68 mit Schreiben vom 20. Juli 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ökostrom wird vorwiegend aus Sonnenenergie, Windkraft, Biomasse und Geothermie erzeugt . Jedoch tragen nicht alle Unternehmen, die Ökostrom anbieten, zum Ausbau der erneuerbaren Energien bei. Nicht überall wo Ökostrom draufsteht, ist Ökostrom drin. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. fordert seit langem ein einheitliches staatliches Gütesiegel für Ökostrom; wie etwa bei der Biokennzeichnung für Lebensmittel (siehe Pressemitteilung vom 25.01.2012). Denn sowohl die großen Stromkonzerne, als auch die Atomkraftwerksbetreiber und eine Vielzahl an weiteren Unternehmen wollen den Ökostrommarkt für sich gewinnbringend erschließen. Die bereits installierten Siegel bzw. Zertifikate, die einen zusätzlichen Umweltnutzen ausweisen sollen, sind unzureichend und bieten keine klare Definition an die Mindestanforderungen . Die Verbraucherinnen und Verbraucher in Nordrhein-Westfalen können nicht erkennen, ob das als Ökostrom deklarierte Produkt tatsächlich einen Umweltnutzen mit sich bringt. 1. Wie definiert die Landesregierung die Begriffe „Ökostrom“, „Biostrom“, „grü- ner Strom“ und „Strom aus erneuerbaren/regenerativen Energien“? Landes- und bundesweit gibt es keine allgemein verbindliche Definition der Begriffe „Ökostrom“, „Biostrom“, „grüner Strom“ und „Strom aus erneuerbaren/regenerativen Energien “. Die Landesregierung versteht unter den oben benannten Begriffen jede Art der Ener- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/381 2 giegewinnung, die weder durch die Verbrennung fossiler Energieträger (wie Erdöl, Erdgas oder Kohle) noch durch Kernspaltung (Atomkraft) erfolgt. Stattdessen wird „Ökostrom“ aus erneuerbaren Energien gewonnen. Dabei wird zwischen unerschöpflichen Energiequellen wie Wind, Wasser, Sonne und Erdwärme, und erneuerbaren Energiequellen unterschieden. Unter erneuerbaren Energiequellen versteht man Rohstoffe, die im Unterschied zu den fossilen Brennstoffen immer wieder neu angebaut werden können, z.B. Holz oder andere Formen von Biomasse. 2. Wie viele Verbraucherinnen und Verbraucher in Nordrhein-Westfalen beziehen Strom, der als „Öko-“, „Bio-“, „grüner“ oder „regenerativer“ Strom beworben wird? Eine aussagekräftige, aktuelle Datenerfassung darüber, wie viele Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland und Nordrhein-Westfalen Ökostrom beziehen, gibt es derzeit nicht. Eine repräsentative Umfrage von TNS-Infratest im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien gibt die Zahl der Haushalte mit Ökostrombezug in Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2011 mit 20% (18,9 % für Deutschland) an. 3. Ist der Landesregierung bekannt, in welcher Höhe von ihrem Gesamtumsatz die Anbieter von „Öko-“, „Bio-“, „grünem“ oder „regenerativen“ Strom Investitionen in erneuerbare Energien vornehmen bzw. vorgenommen haben? Informationen darüber, welchen Anteil von ihrem Gesamtumsatz Ökostrom-Anbieter in Norhein-Westfalen in erneuerbare Energien investieren, liegen nicht vor. Nachfragen des Internationalen Wirtschaftsforum Regenerative Energien bei einzelnen Anbietern und Ökostromlabeln, wie Lichtblick, Naturstrom AG und Grüner Strom Label e.V., haben ergeben , dass diese zunehmend Investitionen in dem Bereich erneuerbare Energien tätigen. 4. Besteht aus Sicht der Landesregierung die Notwendigkeit, die Verwendung der Begriffe „Öko-“, „Bio-“, „grüner“ oder „regenerativer“ Strom zu beschränken? Da die Begriffe „Öko-“, „Bio-“, „grüner“ und „regenerativer“ Strom bislang weder einheitlich definiert noch rechtlich geschützt sind, haben verschiedene Organisationen Prüfsiegel (z.B. TÜV-Qualitätssiegel, OK power-Label, Grüner Strom Label (GSL)) geschaffen, die unterschiedliche Qualitätskriterien an die Stromangebote stellen. Von der Verbraucherzentrale NRW wird allerdings bemängelt, dass die bisherigen unterschiedlichen Ökostrom-Gütesiegel den Verbraucherinnen und Verbrauchern weitestgehend unbekannt sind. Darüber hinaus leiste die Mehrzahl der derzeit als „Ökostrom-Angebote“ verzeichneten Tarife aus Sicht der Verbraucherzentrale NRW e.V. keinen oder nur einen sehr geringen Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Verbraucherzentrale NRW e.V. spricht sich daher für die Einführung eines einheitlichen, staatlich geprüften Ökostromsiegels und für eine verbesserte Kennzeichnung von Ökostromangeboten aus. Um die Kennzeichnung von Strom zu verbessern und die Doppelvermarktung von Strom aus erneuerbaren Energien zu verhindern, wurden 2011 auf Bundesebene bereits die Regeln zur Stromkennzeichnung in §42 EnWG verschärft. Zudem verpflichtet die EU-Richtlinie 2009/28/EG die Mitgliedsstaaten zukünftig dazu, europaweit einheitliche Herkunftsnachweise für Strom aus Erneuerbaren Energien auszustellen und in einem elektronischen Register zu erfassen. In Deutschland soll das elektronische Nachweisregister beim Umweltbundesamt (UBA) eingerichtet werden, welches mittlerweile einen Entwurf für eine Durchführungsver- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/381 3 ordnung hierzu vorgelegt hat. Mit Inbetriebnahme des Herkunftsnachweisregisters wird zwar sichergestellt, dass nur Strom vermarktet wird, der nachweislich aus erneuerbaren Energien stammt. Jedoch wird für die Verbraucherinnen und Verbraucher auch weiterhin nicht erkennbar , aus welchen Anlagen (alt oder neu) der Strom stammt und ob evtl. höhere Einnahmen und –erlöse in neue Anlagen investiert werden. Aus Sicht der Landesregierung besteht deshalb die Notwendigkeit, die Verwendung der oben benannten Begriffe einheitlich zu definieren und in Deutschland einheitliche und verbindliche Kriterien für die Kennzeichnung von Ökostromangeboten zu schaffen. Dieses Ziel ist auch Bestandteil des Koalitionsvertrages 2012-2017. Einheitliche und verbindliche Kriterien für die Kennzeichnung von Ökostromangeboten würden aus Sicht der Landesregierung wesentlich dazu beitragen, die Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu informieren und das Bewusstsein der Bevölkerung für erneuerbare Energien zu stärken. Eine solche Kennzeichnung entspricht auch dem Ziel der Landesregierung, den Verbraucherinnen und Verbrauchern einen raschen und einfachen Überblick über die Qualität und Eigenschaften von Produkten und Dienstleistungen zu ermöglichen. 5. Wenn ja, welche Zertifizierungsmaßnahmen plant die Landesregierung in wel- chem Zeitraum? Die Landesregierung wird sich für ihr Vorhaben zur Schaffung einheitlicher und verbindlicher Kriterien für die Kennzeichnung von Ökostrom auf Bundesebene einsetzen. Zur Vorbereitung des Vorhabens sind nach der Sommerpause Gespräche mit der Verbraucherzentrale NRW e.V. sowie auf Bundesebene vorgesehen.