LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3810 16.08.2013 Datum des Originals: 15.08.2013/Ausgegeben: 21.08.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1462 vom 20. Juli 2013 der Abgeordneten Christian Lindner und Ralf Witzel FDP Drucksache 16/3634 Zinsrisiken im Landeshaushalt von Nordrhein-Westfalen – Mit welchen Mehrausgabeszenarien für zukünftige Landeshaushalte kalkuliert die Landesregierung vor dem Hintergrund der dringend notwendigen Konsolidierung? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1462 mit Schreiben vom 15. August 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Aufgrund der globalen Staatsschuldenkrise und der von den Kreditgebern antizipierten Gesamthaftung der deutschen Gebietskörperschaften durch das bündische Prinzip herrscht derzeit ein historisch tiefes Zinsniveau für die Kreditaufnahme des Landes NordrheinWestfalen . In Folge dessen sinken im Landeshaushalt Nordrhein-Westfalen die jährlichen Ausgaben für Zinsen, obwohl der Schuldenstand kontinuierlich ansteigt. Nach im Haushalt 2013 angesetzten 4 Milliarden Euro für Zinsausgaben plant die Landesregierung im Jahr 2014 Zinsausgaben in Höhe von 3,7 Milliarden Euro, obwohl der Schuldenstand um geplante 3,4 Milliarden Euro ansteigen wird. Das Schuldenmanagement des Landes nutzt also den vorhandenen Spielraum, um die Zinslasten zu reduzieren. Ausschlaggebend ist jedoch dabei, welche alten Kreditverträge in der Niedrigzinsphase auslaufen und refinanziert werden können. Im Jahr 2013 plant das Land Nordrhein-Westfalen neben der Nettokreditaufnahme auch eine Umschuldung von rund 18,5 Milliarden Euro, nachdem es im Jahr 2012 (2011) rund 17,8 (19,3) Milliarden Euro umschuldete. Folglich könnte bereits ein nur um einen Prozentpunkt höherer Zinssatz zu höheren jährlichen Zinsausgaben bei der geplanten Refinanzierung von Krediten in Höhe von 185 Millionen Euro führen. Im Jahr 2020 muss auch das Land Nordrhein-Westfalen seine Ausgaben ohne Einnahmen aus Krediten bestreiten, weshalb dringend strukturelle Einsparungen notwendig sind. Die Landesregierung hat mit Hilfe eines sogenannten Effizienzteams eine Sparliste erstellt, die in den Jahren 2013 und 2014 jeweils rund 150 Millionen Euro bei Förderprogrammen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3810 2 einsparen soll. Die hohen finanziellen Auswirkungen von möglichen Zinsveränderungen zeigen, dass der notwendige Konsolidierungsbedarf des Landes langfristig höher sein könnte als derzeit angenommen. 1. Welche Kredithöhe beabsichtigt die Landesregierung nach heutigem Erkenntnisstand, jeweils jährlich von 2014 bis 2017 umzuschulden? Nach derzeitigem Stand werden in den Jahren 2014 bis 2017 Haushaltskredite in folgender Höhe fällig: 2014 EUR 18,4 Mrd. 2015 EUR 17,4 Mrd. 2016 EUR 17,7 Mrd. 2017 EUR 11,3 Mrd. Hinzu kommen gegebenenfalls Neuabschlüsse mit kurzer Laufzeit beziehungsweise Fälligkeit innerhalb des vorgenannten Zeitraums. In welcher Höhe es zu solchen Abschlüssen kommt, hängt von den Marktgegebenheiten ab. 2. Mit jeweils welchen jährlichen Zinsausgaben und Zinssätzen rechnet die Landesregierung in ihrer aktuellen Mittelfristigen Finanzplanung 2014 bis 2017? 3. Welcher Zinssatz wird für die zu refinanzierenden Kredite und die Nettokreditaufnahme in den Jahren 2013 bis 2017 jeweils jährlich unterstellt? Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet. Zinsausgaben (Obergruppe 57) Zinssatz in % 2013 EUR 3,9 Mrd. 1,50 2014 EUR 3,7 Mrd. 2,50 2015 EUR 3,7 Mrd. 3,50 2016 EUR 3,9 Mrd. 3,50 2017 EUR 4,1 Mrd. 3,75 Die genannten Zinssätze beziehen sich auf die durchschnittliche Verzinsung der Bruttokreditaufnahme des jeweiligen Jahres, die der Kalkulation der Zinsausgaben des jeweiligen Folgejahres zu Grunde liegt (Zinsen für Haushaltskredite sind in der Regel jährlich nachschüssig zu zahlen). 4. Auf welche konkrete Datenbasis bzw. fachliche Expertise stützt die Landesregierung ihre diesbezüglichen Annahmen zu Zinsausgaben und Zinssatzentwicklungen? Die Annahmen für die Kalkulation der Zinsausgaben berücksichtigen Prognosen der führenden Kapitalmarktteilnehmer (Banken, Wirtschaftsforschungsinstitute und supranationale Institutionen) sowie die Entwicklung der Verzinsung der vom Land in der jüngeren Vergangenheit realisierten Haushaltskredite. Hierbei wird ein vorsichtiger Ansatz gewählt, der Zinserhöhungsrisiken berücksichtigt. Ausgehend von einer durchschnittlichen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3810 3 Verzinsung der Kreditaufnahme des Jahres 2013 in Höhe von 1,50% wurde mit einem Zinsanstieg um 2,25 Prozentpunkte bis zum Jahr 2017 kalkuliert. 5. Wie verändert sich die aufkommende jährliche Zinslast des Landes, wenn der für die Jahre 2013 bis 2017 unterstellte durchschnittliche Zinssatz alternativ um angenommene 0,5, einen oder zwei Prozentpunkte steigt? Bei einer aufgrund der bekannten Tilgungen (siehe Frage 1) und der geplanten Nettokreditaufnahme errechneten jährlichen Bruttokreditaufnahme zwischen 13 und 21 Mrd. Euro führt eine Veränderung des durchschnittlichen Zinssatzes für neu aufgenommene Haushaltskredite um 0,5 Prozentpunkte über die der Mittelfristigen Finanzplanung zugrunde liegenden Zinssätze hinaus zu einer Veränderung der Zinsausgaben in Höhe von 65 bis 105 Mio. Euro jährlich in den Folgejahren. Eine Veränderung der durchschnittlichen Verzinsung um einen beziehungsweise zwei Prozentpunkte führt zu einem entsprechenden Vielfachen der zusätzlichen Zinsbelastung. Die Veränderungen ergeben sich mit kumulativer Wirkung. In der Mittelfristigen Finanzplanung ist eine Steigerung des bei der Bruttokreditaufnahme realisierten durchschnittlichen Zinssatzes auf 3,75% im Jahr 2017 berücksichtigt. Eine darüber hinaus gehende Zinssteigerung erscheint aus heutiger Sicht unwahrscheinlich. Um beurteilen zu können, wie sich Zinssteigerungen auf den Landeshaushalt auswirken, dürfen Umschuldungseffekte nicht außer Betracht bleiben. Ein wesentlicher Teil der Bruttokreditaufnahme dient der Tilgung fälliger Haushaltskredite (siehe Frage 1). Derzeit profitiert das Land bei Umschuldungen von dem niedrigen Zinsniveau. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, solange die Zinssätze der neu abgeschlossenen Kredite unterhalb der Zinssätze der fälligen Kredite liegen.