LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3820 19.08.2013 Datum des Originals: 19.08.2013/Ausgegeben: 22.08.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1444 vom 16. Juli 2013 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/3596 Wie stellt sich die Landesregierung zum aktuellen Masernausbruch an einer Schule in NRW? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 1444 mit Schreiben vom 19. August 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und der Ministerin für Schule und Weiterbildung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Aktuell muss in Nordrhein-Westfalen an einer Schule ein größerer Masernausbruch beklagt werden. Bisher sind mehr als 29 Schülerinnen und Schüler dort erkrankt, die Schule musste zeitweise geschlossen werden. Die Mehrzahl der erkrankten Personen war nicht geimpft. Dabei bietet eine Impfung wirksamen Schutz gegen die Viruserkrankung. Bestehende Impflücken resultieren unter anderem aus Angst vor möglichen Nebenwirkungen, mangelndem Wissen über die Krankheit und deren Folgen. Kinder, die an Masern erkrankt sind, gefährden die Gesundheit der nicht erkrankten Kinder in Schulen und Kindertageseinrichtungen . Auch in anderen Ländern registriert das Robert Koch-Institut (RKI) den Ausbruch von Masernerkrankungen . Bis Juni 2013 wurden dem RKI bundesweit 905 Masernfälle übermittelt. Gegenüber dem Vorjahr mit 166 Fällen stellt dieses einen enormen Anstieg dar. Masern, Mumps, Röteln, Windpocken, Keuchhusten, Infektionen mit Haemophilus influenzae Typ B, Diphterie und Tetanus sind Erkrankungen, denen durch Impfung im Kindesalter vorgebeugt werden kann. Ihr Vorkommen wird mit verschiedenen Meldepflichten nach Paragraphen 6, 7 und 34 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Nordrhein-Westfalen erfasst. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3820 2 In diesem Jahr sind besonders viele junge Menschen erkrankt. Bei diesen verlaufen die Erkrankungen oft schwerer als bei Kindern, viele Jugendliche müssen zur Behandlung in ein Krankenhaus. Experten sehen die Ursachen für die Erkrankungshäufigkeit bei Jugendlichen in der seit den neunziger Jahren abnehmenden Impfbereitschaft und auch in dem geringeren Durchimpfungsgrad bei der zweiten Impfung. Durch die Verlagerung der Erkrankungen auf Schülerinnen und Schüler ergibt sich ein weiteres Risiko für eine Verbreitung von Masern. 1. Liegen der Landesregierung Informationen zu weiteren aktuellen Masernausbrü- chen an Schulen vor? Nein. 2. Wie viele registrierte Fälle an Masernerkrankungen gab es in 2012 und bis Juni 2013? (Bitte aufschlüsseln nach Altersgruppen, Geschlecht, Kreisen, Klinikaufenthalten und Komplikationen.) 2012 wurde im Rahmen des Meldewesens nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) vom Landeszentrum Gesundheit NRW (LZG NRW) folgende Entwicklung beobachtet: Aufschlüsselung nach Altersgruppen und Geschlecht Altersgruppe Anzahl männ- lich Anzahl weib- lich 0 Jährige 1 0 1 Jährige 0 5 2 Jährige 1 0 10 bis 14 1 0 15 bis 19 2 0 20 bis 24 1 2 30 bis 39 1 2 40 bis 49 0 1 50 bis 95 1 0 Gesamt 8 10 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3820 3 Aufschlüsselung nach Kreisen und kreisfreien Städten Landkreis/kreisfreie Stadt Anzahl LK Rhein-Sieg-Kreis 2 LK Minden-Lübbecke 2 SK Krefeld 2 SK Oberhausen 2 LK Gütersloh 1 LK Ennepe-Ruhr-Kreis 1 SK Bielefeld 1 LK Paderborn 1 LK Wesel 1 LK Borken 1 SK Mönchengladbach 1 SK Mülheim a.d.Ruhr 1 LK Hochsauerlandkreis 1 LK Kleve 1 Gesamt 18 Aufschlüsselung nach Klinikaufenthalten Altersgruppe Hospitalisierung Anzahl männlich Anzahl weiblich Summe 0 Jährige Ja 1 0 1 10 bis 14 Ja 1 0 1 20 bis 24 Ja 1 0 1 Nein 5 10 15 Gesamt 8 10 18 Aufschlüsselung nach Komplikationen Masernkomplikation Anzahl Otitis media 2 keine spezielle Diagnose gemeldet 15 -nicht ermittelbar- 1 Gesamt 18 Zum bisherigen Verlauf der Masernerkrankungen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2013 wird auf das Informationsangebot des Landeszentrums für Gesundheit im Internet (http://www.lzg.gc.nrw.de/1aim-berichte/html/diagramm__zeitverlauf_masern.html) verwiesen . Der Datenstand 6.8.2013, 11.30 Uhr stellt sich wie folgt dar: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3820 4 Aufschlüsselung nach Altersgruppen und Geschlecht Altersgruppe Anzahl männlich Anzahl weiblich Summe 0 Jährige 1 1 2 1-4 Jährige 5 8 13 5 bis 9 8 4 12 10 bis 14 12 11 23 15 bis 19 12 17 29 20 bis 29 7 4 11 30 bis 39 0 5 5 40 bis 49 0 3 3 50 bis 59 0 1 1 Gesamt 45 54 99 Aufschlüsselung nach Kreisen und kreisfreien Städten Landkreis/kreisfreie Stadt Anzahl LK Rhein-Erft-Kreis 36 SK Bielefeld 4 LK Borken 5 LK Wesel 3 LK Hochsauerlandkreis 2 LK Gütersloh 2 LK Düren 8 LK Soest 2 SK Duisburg 1 LK Heinsberg 1 LK Steinfurt 1 LK Unna 3 SK Essen 1 SK Düsseldorf 2 SK Remscheid 1 LK Viersen 1 SK Münster 1 LK Euskirchen 10 SK Bonn 3 SK Köln 2 Oberbergischer Kreis 4 Rheinisch-Bergischer Kreis 1 Rhein-Sieg-Kreis 2 LK Siegen-Wittgenstein 1 SK Hamm 1 SK Wuppertal 1 Gesamt 99 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3820 5 Aufschlüsselung nach Klinikaufenthalten Altersgruppe Hospitalisierung Anzahl männlich Anzahl weiblich Summe 5 – 9 Ja 0 1 1 15 - 19 Ja 1 3 4 20 - 29 Ja 4 2 6 30 - 39 Ja 0 1 1 40 - 49 Ja 0 1 1 Nein 40 44 84 k. A. 0 2 2 Gesamt 45 54 99 Aufschlüsselung nach Komplikationen Masernkomplikation Anzahl Lungenentzündung 1 -nicht erhoben- 4 -nicht ermittelbar- 2 keine spezielle Diagnose 92 Gesamt 99 Es wird darauf hingewiesen, dass unter den nicht näher beschriebenen Komplikationen die typischen Symptome der Erkrankung wie Fieber und Hautausschlag erfasst wurden. 3. Wie steht die Landesregierung zu der Frage, den Impfschutz von Kindern bereits in den Kindertageseinrichtungen und bei Tagesmüttern zu überprüfen? § 10 Abs. 1 Kinderbildungsgesetz (KiBiz) sieht vor, dass bei der Anmeldung in die Tageseinrichtung für Kinder der Nachweis über eine altersentsprechend durchgeführte Gesundheitsvorsorgeuntersuchung des Kindes durch Vorlage des Vorsorgeuntersuchungsheftes für Kinder oder einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung zu erbringen ist. Damit ist entsprechend der Vorgaben des KiBiz sichergestellt, dass im Rahmen einer vorhergehenden ärztlichen Vorsorgeuntersuchung der Impfstatus erhoben worden ist. Eine weitergehende Verpflichtung ist nicht Aufgabe von Kindertageseinrichtungen bzw. Kindertagespflegepersonen ; sie obliegt auch den Regelungen des Gesundheitswesens. Im Gesundheitswesen haben sich die Regelungen zum Kinderschutz in den letzten Jahren nachhaltig verändert. Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein-Westfalen sind nach der Verordnung zur Datenmeldung der Teilnahme an Kinderfrüherkennungsuntersuchungen - UTeilnahmeDatVO verpflichtet, der beim Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen eingerichteten "Zentralen Stelle" mitzuteilen, welche Kinder die Früherkennungsuntersuchungen "U 5" (6. - 7. Lebensmonat) bis "U 9" (vor der Einschulung) wahrgenommen haben. Eltern, die die Früherkennungsuntersuchungen nicht wahrgenommen haben, werden erinnert. In den Früherkennungsuntersuchungen wird auch der Impfstatus überprüft. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3820 6 Früherkennungsuntersuchungen haben bei 97% der befragten Eltern / Sorgeberechtigten eine hohe Akzeptanz, so dass eine weit reichende Überprüfung des Impfstatus durch die niedergelassene Ärzteschaft möglich ist. 4. Welche aktuellen Aufklärungsinitiativen plant die Landesregierung zur Verbesse- rung des Impfschutzes? Die Durchimpfungsrate in Deutschland ist nach wie vor zu niedrig, um eine Zirkulation des Masernvirus in der Bevölkerung sicher zu unterbrechen. Die Landesregierung betrachtet dies mit Sorge. In Nordrhein-Westfalen sind in den letzten Jahren jedoch die Impfquoten insbesondere bei der zweiten Impfung stark gestiegen: Der Durchimpfungsgrad der 1. Masernimpfung (ab 11 Monate) beträgt bundesweit 96,6 %1, in NRW liegt er bei 97,7 %. Der bundesweite Durchimpfungsgrad der 2. Masernimpfung (erhoben zum Einschulungsalter) liegt bei 92,1 %; in NRW sind es 94,1 %. Die Landesregierung setzt weiterhin auf Freiwilligkeit und auf umfassende Aufklärung durch gezielte Aktionen und Kampagnen. Eine wichtige Zielgruppe sind die Menschen, bei denen der Impfschutz unbekannt oder unzureichend ist. Sie sollen mit besonderen Aktionen auf die wichtige zweite (Nach)impfung aufmerksam gemacht werden, um die hier bestehenden Impflücken zu schließen. Eine entsprechende Aktion im Rahmen einer Jugendgesundheitskampagne ist beabsichtigt. 5. Wie bewertet die Landesregierung den Nutzen einer Impfung gegenüber den Risi- ken und Nebenwirkungen? Schwerwiegende Risiken der Infektion sind am häufigsten die Mittelohrentzündung, Bronchitis , Lungenentzündung. Eine besonders gefürchtete Komplikation ist die akute postinfektiöse Enzephalitis (Hirnentzündung ); sie tritt nach Schätzungen in etwa 0,1 % der Fälle auf. Bei 10 bis 20 % der Betroffenen endet sie tödlich, bei etwa 20 - 30 % muss mit dauerhaften Schäden am zentralen Nervensystem gerechnet werden. Das Robert Koch-Institut schätzt, dass es in der Bundesrepublik jährlich zwischen 30 und 50 von Masern verursachte Gehirnentzündungen gibt, nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sterben in Deutschland ein bis zwei Menschen pro Jahr in Folge einer Maserninfektion . Nach Literaturangaben entfällt auf etwa 10.000 bis 20.000 Masernerkrankungen eine Erkrankung mit tödlichem Ausgang. Bei dem Masern-Impfstoff handelt es sich um eine Lebendimpfung, hergestellt aus abgeschwächten Masern-Viren, gezüchtet auf Hühnerembryonalzellkulturen. In Einzelfällen sind Meningo-Enzephalitis (Häufigkeit 1: 1 Million Impfungen), Myelitis, Neuritis und aufsteigende Atemlähmung (Guillain-Barré-Syndrom) berichtet worden. 1 Epidemiologisches Bulletin des RKI Nr. 16 vom 22.4.2013