LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3874 27.08.2013 Datum des Originals: 26.08.2013/Ausgegeben: 30.08.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1440 vom 15. Juli 2013 der Abgeordneten Petra Vogt CDU Drucksache 16/3588 Lässt die Landesregierung die Eltern bei der Inklusion im Stich? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1440 mit Schreiben vom 26. August 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wegen der geplanten Umsetzung der Inklusion herrscht an vielen Schulen und bei Eltern große Verunsicherung. Vor allem der bisher ungeklärte Personal- und Materialansatz im Zuge der Einführung eines inklusiven Schulsystems wirft hierbei zahlreiche Fragen auf. Es bleibt bisher unklar, wie die Landesregierung die Versorgung von Schulklassen, in denen der Unterricht inklusiv gestaltet werden soll, mit sonderpädagogisch geschulten Lehrern vorhalten will, und wie viele sonderpädagogisch ausgebildete Lehrer die Umsetzung der Inklusion insgesamt erfordert. Ebenfalls unklar ist, wie die bisher bestehende Anzahl an Sonderpädagogen auf die inklusiv zu führenden Schulklassen aufgeteilt werden sollen, und wie die Landesregierung in Zukunft eine unabhängige Beratung der Eltern von Kindern mit potentiellem Förderbedarf sicherstellen will. 1. Wie verändern sich die Lehrerstellen für Sonderpädagogik an den Förderschulen und im Gemeinsamen Unterricht der allgemeinen Schulformen? (bitte konkrete Zahlen bezogen auf die jeweiligen Schulformen) Die Landesregierung strebt in Folge der Gesetzesänderung auch eine Änderung der Systematik der Bedarfsermittlung an. Die Ressourcen für die sonderpädagogische Förderung sollen künftig zusätzlich zum Grundbedarf des besuchten allgemeinen Bildungsgangs bereitgestellt werden; für die Förderschwerpunkte Geistige Entwicklung, Körperliche und motorische Entwicklung, Hören und Kommunikation sowie Sehen im Umfang der gültigen Schü- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3874 2 ler/Lehrer-Relationen, für den Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen (Förderschwerpunkte Lernen, Emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprache) in Form von regionalen Stellenbudgets. Der Umfang der regionalen Stellenbudgets entspricht insgesamt dem für das Schuljahr 2012/13 festgestellten Grundbedarf zzgl. dem Bedarf für den gebundenen Ganztag jeweils im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen. Die regionalen Stellenbudgets sollen in 2014/15 ein Gesamtvolumen von 9.406 Stellen umfassen. Die Landesregierung wird dem Landtag mit der Einbringung des Haushaltsentwurfs 2014 hierzu einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. Die künftige Verteilung dieser Stellen auf Förderschulen und allgemeine Schulen ist abhängig von der Entwicklung der Inklusionsquote, die entscheidend durch den Elternwillen geprägt sein wird. Die Verteilung von Stellen auf die einzelnen Schulformen richtet sich nach den entsprechenden Schülerzahlen. Hierzu können derzeit keine Angaben gemacht werden. 2. Wie gedenkt die Landesregierung die fachliche Qualität und die bestehenden Standards der sonderpädagogischen Förderung zu gewährleisten? Zur Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität und bestehender Standards der sonderpädagogischen Förderung in den Förderschulen und den allgemeinen Schulen sind der Aufund Ausbau von Studienplätzen für das sonderpädagogische Lehramt, eine berufsbegleitende Ausbildung sowie neben einschlägigen Fortbildungsangeboten vor allem folgende Maßnahmen vorgesehen: Bildung von Schwerpunktschulen, Einrichtung von Expertise-Zirkeln und Bündelung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf durch Vermeidung von Einzelintegration aus pädagogischen Gründen, z. B. Peer-Group, und um einen effektiven Personaleinsatz zu ermöglichen. 70 Millionen Euro stellt das Wissenschaftsministerium bis 2018 für den Auf- und Ausbau von Studienplätzen für das sonderpädagogische Lehramt zur Verfügung. In den nächsten fünf Jahren sollen insgesamt bis zu 2.300 Studienplätze in Nordrhein-Westfalen neu geschaffen werden. Damit wird langfristig die Qualität und Quantität sonderpädagogischer Förderung gesichert. Zur kurzfristigen Sicherung der Qualität wird Lehrkräften mit einer anderen Lehramtsbefähigung ein Erwerb der sonderpädagogischen Lehramtsbefähigung durch eine besondere Qualifizierungsmaßnahme in Verantwortung der Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (VOBASOF) ermöglicht. An Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen oder dem Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung und an Grundschulen für den gemeinsamen Unterricht wird Lehrkräften mit der Befähigung für ein anderes Lehramt, die bereits im Schuldienst des Landes beschäftigt sind, eine Versetzung an diese Schulen ermöglicht, wenn sie bereit sind, an der berufsbegleitenden Ausbildung zum Erwerb des Lehramts für sonderpädagogische Förderung (VOBASOF) teilzunehmen. Darüber hinaus können im Rahmen des Lehrereinstellungsverfahrens neben sonderpädagogisch ausgebildeten Lehrkräften auch Lehrkräfte mit der Befähigung für ein anderes Lehramt an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen oder dem Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung und an Grundschulen für den gemeinsamen Unterricht eingestellt werden, wenn diese Lehrkräfte sich vertraglich verpflichten, a) an der Ausbildung zum Erwerb der Befähigung für das Lehramt für sonderpädagogische Förderung gemäß VOBASOF teilzunehmen oder b) das Lehramt für sonderpädagogische Förderung über ein Nachstudium an einer Hoch- schule mit einer Staatsprüfung oder einem Master-Abschluss zu erwerben. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3874 3 Die Maßnahme zur Deckung des Lehrkräftebedarfs für sonderpädagogische Förderung (VOBASOF) hat der Gesetzgeber bis 2018 befristet. 3. Wie viele Lehrer mit einer Ausbildung für allgemeinbildende Schulen werden als Fachkräfte für sonderpädagogische Förderung eingesetzt? Von den Lehrkräften mit 2. Staatsprüfung und einer Lehrbefähigung für die allgemeinbildenden Schulen verfügen nach den Amtlichen Schuldaten 2012/13 insgesamt 17.715 über ein sonderpädagogisches Lehramt. Diese Lehrkräfte werden regelmäßig für die sonderpädagogische Förderung der Schülerinnen und Schüler an Förderschulen und an allgemeinen Schulen vornehmlich im Bereich der Sekundarstufe I und II eingesetzt. Darüber hinaus sind 1.067 Lehrkräfte mit 2. Staatsprüfung und 4.166 Lehrkräfte ohne 2. Staatsprüfung (im Wesentlichen Fachlehrer und Fachlehrerinnen an Förderschulen mit den Förderschwerpunkten Geistige Entwicklung und Körperliche und motorische Entwicklung sowie Studienreferendarinnen und Studienreferendare) an den allgemeinbildenden Förderschulen tätig, die nicht über ein sonderpädagogisches Lehramt verfügen. In Grundschulen erfolgt die sonderpädagogische Förderung der Schülerinnen und Schüler im Gemeinsamen Unterricht durch Lehrkräfte, die auf im Grundschulkapitel veranschlagten Stellen für Sonderpädagogik geführt werden. Zum 1. August 2013 wurden für das Schuljahr 2013/14 insgesamt 2.152 Stellen zugewiesen. Diese Stellen können mit Lehrkräften für Sonderpädagogik oder mit Lehrkräften mit einem Lehramt für eine allgemeine Schule besetzt werden. Eine Differenzierung zwischen der Besetzung von allgemeinen und sonderpädagogischen Stellen ist in diesem Bereich nicht möglich. 4. Wie weit sind die Überlegungen zur Ablösung des AO-SF-Verfahrens und wie sol- len die sonderpädagogischen Ressourcen zukünftig verteilt werden? Nach dem Entwurf des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes (LT-Drs. 16/2432) entscheiden auch in Zukunft die Schulaufsichtsbehörden über den Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung und die Förderschwerpunkte. Die Einzelheiten regelt das Ministerium durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des für Schulen zuständigen Landtagsausschusses; siehe § 19 Absätze 5 bis 8 SchulG in der Fassung des Gesetzentwurfs. Abgekoppelt von den Feststellungsverfahren soll für den Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen die Zuweisung von Lehrkräften – wie im Schulversuch Kompetenzzentren für Sonderpädagogische Förderung - aus einem Stellenbudget erfolgen. In den übrigen Förderschwerpunkten erfolgt die Zuweisung von Lehrkräften für Sonderpädagogik auch weiterhin anhand der jeweiligen Schüler/Lehrer-Relation. Die Verteilung des Stellenbudgets für sonderpädagogische Förderung (siehe Antwort zu Frage 1) auf die Schulamtsbezirke soll zunächst unter Berücksichtigung der jeweiligen regionalen Ausgangslagen erfolgen. Im weiteren Verlauf soll die Verteilung zunehmend Kriterien geleitet erfolgen und z.B. den Sozialindex und die flächenmäßige Ausdehnung der Schulamtsbezirke berücksichtigen. Einzelheiten hierzu und Kriterien für die Zuweisung dieser Stellen auf einzelne Schulen werden derzeit in Zusammenarbeit mit der oberen und unteren Schulaufsicht entwickelt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3874 4 5. Wie will die Landesregierung eine unabhängige Beratung der Eltern von Kindern mit potentiellem Förderbedarf gewährleisten? Die Landesregierung verweist auf den in ihrem Gesetzentwurf neu gefassten § 19 Absatz 6 SchulG einschließlich der Begründung.