LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3878 27.08.2013 Datum des Originals: 27.08.2013/Ausgegeben: 30.08.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1483 vom 22. Juli 2013 der Abgeordneten André Kuper und Rolf Seel CDU Drucksache 16/3688 Rechtliche Befugnisse des Sparkommissars in Nideggen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1483 mit Schreiben vom 27. August 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 7. Mai 2013 setzte das Land Nordrhein-Westfalen für die Stärkungspakt-Gemeinde Nideggen den sogenannten „Sparkommissar“ ein, weil die Gemeinde ihrer gesetzlichen Pflicht gemäß § 8 Absatz 1 des Stärkungspaktgesetzes nicht nachkam. Trotz Fristsetzung durch die zuständige Bezirksregierung legte die Gemeinde keinen genehmigungsfähigen Haushaltssanierungsplan vor, der den Haushaltsausgleich mit Hilfen im Jahr 2016 darstellt. Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben des § 8 Absatz 1 Stärkungspaktgesetz wurde dann der Beauftrage im Sinne des § 124 Gemeindeordnung eingesetzt. Über die rechtlichen Befugnisse gibt § 124 Gemeindeordnung nur wenig Aufschluss: „Wenn und solange die Befugnisse der Aufsichtsbehörde nach den §§ 121 bis 123 nicht ausreichen , kann das für Inneres zuständige Ministerium einen Beauftragten bestellen, der alle oder einzelne Aufgaben der Gemeinde auf ihre Kosten wahrnimmt. Der Beauftragte hat die Stellung eines Organs der Gemeinde.“ Näher erläutert wurden die Rechte des Sparkommissars durch die Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage (Drs. 16/3198). Dort heißt es: „Gemäß § 124 Satz 2 GO NRW hat der Beauftragte die Stellung eines Organs der Gemeinde. Im vorliegenden Fall tritt er - soweit es notwendig ist, um die Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes zu erreichen - an die Stelle des Rates der Stadt…. Um diese … genannten Beschlüsse treffen zu können, sind dem Beauftragten an Stelle des Rates alle in der Stadt Nideggen zu treffenden Entscheidungen gemäß § 41 Absatz 1 Buchstaben h), i) und p) GO NRW übertragen, sowie alle zur Vorbereitung dieser Entscheidungen erforderlichen Beschlüsse.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3878 2 Gemäß § 48 Absatz 2 der Gemeindeordnung kann die Sitzungsöffentlichkeit für bestimmte Angelegenheiten ausgeschlossen werden, aber das Sitzungsrecht für Ratsmitglieder und für Vertreter der Verwaltung bleibt bestehen. Am Dienstag, den 16. Juli 2013 fand die zweite Sitzung des Beauftragten für die Stadt Nideggen statt. Die Tagesordnung enthielt einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil. Vor Beginn des nichtöffentlichen Teils der Sitzung zum Tagesordnungspunkt Grundstücksverkauf „Gewerbegebiet Schmidt“ verwies der Beauftragte die anwesenden Ratsmitglieder des Sitzungssaals und entschied anschließend in der entsprechenden Angelegenheit. Vorbemerkung der Landesregierung Gemäß § 124 GO NRW, auf den § 8 Absatz 1 Satz 2 Stärkungspaktgesetz verweist, nimmt der Beauftragte alle oder einzelne Aufgaben der Gemeinde auf ihre Kosten wahr. Er hat die Stellung eines Organs der Gemeinde. Im Fall der Stadt Nideggen tritt der Beauftragte - soweit es notwendig ist, um die Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes zu erreichen - an die Stelle des Rates der Stadt. Da ihm nicht sämtliche Aufgaben des Rates übertragen wurden, bleibt der Rat als Organ neben dem Beauftragten tätig, um die nicht dem Beauftragten zugewiesenen Aufgaben wahrzunehmen. In Bezug auf dem Beauftragten zugewiesene Aufgaben hat das Organ Rat keinerlei Mitwirkungs- oder Entscheidungsrechte mehr. Soweit der Beauftragte im Rahmen seiner ihm zugewiesenen Aufgaben als Organ der Stadt entscheidet, haben deshalb auch bei seinen Sitzungen anwesende Ratsmitglieder keine über die Rechte von sonstigen Bürgern hinausgehende Teilnahme-, Mitwirkungs- oder Entscheidungsbefugnisse. Der Beauftragte hat gemäß der Einsetzungsverfügung vom 7. Mai 2013 folgende Aufgaben: Er soll kurzfristig einen Haushaltssanierungsplan 2012 verabschieden, mit dessen Verabschiedung der Rat nach dem Stärkungspaktgesetz bereits seit dem 1. Juli 2012 in Verzug ist. Darauf aufbauend soll er auch den bereits seit dem 1. Dezember 2012 fälligen Haushalt 2013 inkl. des Haushaltssanierungsplans 2013 - als Fortschreibung des Plans 2012 - beschließen. Schließlich hat er die Aufgabe, die örtlichen Steuersätze für die Grundsteuern und die Gewerbesteuer an die Vorgaben des Haushaltssanierungsplans anzupassen. Um diese Beschlüsse treffen zu können, sind dem Beauftragten an Stelle des Rates alle in der Stadt Nideggen zu treffenden Entscheidungen gemäß § 41 Absatz 1 Buchstaben h), i) und p) GO NRW übertragen, sowie alle zur Vorbereitung dieser Entscheidungen erforderlichen Beschlüsse. 1. Wie bewertet die Landesregierung den o.g. Vorgang der Sitzung des Beauftragten in Nideggen? Die Entscheidung über die Veräußerung des Grundstücks war von der Einsetzungsverfügung umfasst. 2. Auf welcher Rechtsgrundlage entschied der Beauftragte die Ratsmitglieder des Sitzungssaals zu verweisen? Nach der Geschäftsordnung für den Rat der Stadt Nideggen und die Ausschüsse vom 18.12.2007, die der Beauftragte insoweit auch den von ihm durchgeführten Sitzungen zugrunde legt, wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, wenn es um Angelegenheiten der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3878 3 Veräußerung von Grundstücken geht. Daher hatten die anwesenden Ratsmitglieder, wie jede Bürgerin und jeder Bürger, den Sitzungssaal zu diesem Beratungspunkt zu verlassen. In Bezug auf dieses Grundstückgeschäft hat der Rat der Stadt Nideggen keine Befugnisse, deshalb haben auch die Ratsmitglieder keine über die Rechte anderer Bürgerinnen und Bürger hinausgehenden Rechte. 3. Laut Aussage der Landesregierung übernimmt der Beauftragte die Stellung eines Gemeindeorgans und entscheidet anstelle des Rates in Fragen des Stärkungspaktes. Hinsichtlich der Stellung des Beauftragten und den dazu getroffenen Aussagen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 4. Wie bewertet die Landesregierung den o.g. Sachverhalt vor dem Hintergrund, dass den Mitgliedern eines Rates ein freies Mandat zuerkannt wird? 5. Wie bewertet die Landesregierung den Ausschluss von Ratsmitgliedern aus der Sitzung vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips und dem Sinngehalt des kommunalen Selbstverwaltungsrechts? Die Ratsmitglieder waren nicht in der Ausübung ihres Mandats betroffen, da insoweit der Beauftragte an die Stelle des Rates und seiner Mitglieder getreten ist. Es fand deshalb auch kein "Ausschluss" von Ratsmitgliedern statt, sondern eine nichtöffentliche Sitzung des Beauftragten des Landes. Laut Pressemeldungen vom 14. August 2014 hat es der Rat der Stadt Nideggen in einer Sondersitzung abgelehnt, die in der Kleinen Anfrage thematisierten Entscheidungen des Beauftragten gerichtlich überprüfen zu lassen.