LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3879 27.08.2013 Datum des Originals: 27.08.2013/Ausgegeben: 30.08.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1463 vom 24. Juli 2013 des Abgeordneten Dr. Joachim Stamp FDP Drucksache 16/3635 Prekäre Lebensbedingungen von Zuwanderern aus Ost- und Südosteuropa Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 1463 mit Schreiben vom 27. August 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung, dem Finanzminister, dem Minister für Inneres und Kommunales und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Integrationsausschuss des Landtages NRW hat sich ausführlich, insbesondere im Rahmen eines Sachverständigengesprächs am 8. Juni 2013, mit der Armutszuwanderung aus Ost- und Südosteuropa, in erster Linie aus Bulgarien und Rumänien, befasst. Die Problemlagen der Zuwanderer umfassen den Zugang zu Bildung, dem Gesundheitssystem, Arbeit, menschenwürdigem Wohnraum und Sozialleistungen. Mehrere Sachverständige wiesen darauf hin, dass es durch diese Zustände erstmals seit langer Zeit wieder in größerem Umfang echte, sichtbare Armut deutlich unter dem Hartz-IVNiveau in Deutschland gebe. Vergangene Woche hat der Landtagsabgeordnete Holger Ellerbrock die Landesregierung in einem Brief vor einer absehbaren Verschärfung der Situation in Duisburg, einer der am stärksten betroffenen Städte, gewarnt. Diese Problematik gilt eben auch andernorts. Zeitgleich kritisierte der Landesjugendring die prekären Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen dieser Zuwanderungsgruppe und wertete diese als einen Verstoß gegen die Grundrechte der UN-Kinderrechtskonvention. Neben den Kommunen und dem Bund steht auch das Land NRW in der Pflicht, diese unhaltbaren Zustände zu beenden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3879 2 1. Welche Maßnahmen ergreift das Land NRW, um die Gesundheitsversorgung der Zuwanderer sicherzustellen? Die allgemeine Krankenversicherungspflicht gilt auch für Zuwanderinnen und Zuwanderer, die rechtmäßig ihren Wohnsitz in Deutschland nehmen. Es muss daher das Ziel sein, die Zuwanderinnen und Zuwanderer durch eine Krankenversicherung abzusichern und damit den Zugang zur Regelversorgung zu gewährleisten. Hierzu bedarf es einer Clearingstelle, die die Kommunen bei der zum Teil komplizierten und langwierigen Klärung von Fragen im Zusammenhang mit einem Krankenversicherungsschutz unterstützt, damit entweder vorhandene Versicherungsansprüche aus den Herkunftsländern geltend gemacht werden können oder hier eine Krankenversicherung abgeschlossen werden kann. Die Landesregierung befindet sich hierzu in Gesprächen mit den Kommunen, aber auch im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit der Bundesregierung. Die Landesregierung unterstützt und fördert darüber hinaus Maßnahmen der Gesundheitshilfe, die die Kommunen für die Zuwanderinnen und Zuwanderer anbieten; Vorrang haben hier Impfangebote sowie Angebote für unversorgte Kinder und Jugendliche und (schwangere) Frauen. Die Landesregierung hat ein Handlungskonzept zur Bewältigung der Herausforderungen der Armutswanderung entwickelt, dass auch das Thema Gesundheitsversorgung aufgreift. In seinen Grundzügen ist es am 07.08.2013 in einer gemeinsamen Pressekonferenz des Innnenministers und des Integrationsministers vorgestellt worden. 2. Welche Maßnahmen ergreift das Land, um zu gewährleisten, dass alle Kinder dieser Zuwanderer im schulpflichtigen Alter auch tatsächlich eine Schule besuchen? Der direkte Umgang mit den Armutszuwanderinnen und -zuwanderern wird sehr häufig durch kulturelle und insbesondere auch sprachliche Barrieren erschwert. Dies betrifft unter anderem auch die Frage des Schulbesuchs. Hier setzen wir auf Integrationslotsen mit entsprechenden kulturellen und sprachlichen Kenntnissen, die nicht nur die Zuwanderinnen und Zuwanderer bei allen Fragen des täglichen Lebens – zum Beispiel Bildung – „an die Hand nehmen“, sondern die auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der städtischen Stellen und sozialen Initiativen bei ihrer Arbeit unterstützen. Die Landesregierung erarbeitet derzeit ein Konzept, das den Kommunen hilft, entsprechende Lotsen zu qualifizieren und einzusetzen. Es wird mit jährlich bis zu 750.000 Euro ausgestattet. Vor Ort werden durch Schulaufsicht, Kommunen, Kommunale Integrationszentren und freie Träger gemeinsam möglichst passgenaue Konzepte zur Einrichtung von Auffang- und Vorbereitungsklassen, zum Einsatz der Integrationsstellen an Schulen sowie zur Qualifizierung und Fortbildung von Lehrkräften und Fachkräften entwickelt. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung hat mit Erlass vom 26.6.2013 die bereits gegebenen Voraussetzungen für eine möglichst zeitnahe Beschulung neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher präzisiert. Aus den 3.000 Integrationsstellen sind ausreichend Anteile vorzuhalten, die für die Bedarfe zur Verfügung gestellt werden, die sich aus dem unvorhergesehenen Zuzug von Kindern und Jugendlichen aus Südosteuropa ergeben. Darüber hinaus kann soweit erforderlich auch ein Teil der Stellen gegen Unterrichtausfall, für Vertretungsaufgaben und für besondere Förderaufgaben (insgesamt 4.000 Stellen) temporär für diesen Zweck verwendet werden. Freie Stellen für den Herkunftssprachenunterricht sollen auch mit Lehrkräften besetzt werden, die die Herkunftssprachen Bulgarisch, Romanes, Rumänisch oder Türkisch unterrichten könnten, zum Beispiel aus dem Kreis der neu zuwandernden Menschen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3879 3 3. Welche Maßnahmen ergreift das Land, um sicherzustellen, dass auch diese Migrantengruppe mit Spracherwerbs- und Integrationskurse versorgt werden? Im Rahmen der 8. Konferenz der für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister / Senatorinnen und Senatoren der Länder fassten diese den Beschluss, für Unionsbürger, die im Herkunftsland keine ausreichenden Deutschkenntnisse erreichen, einen förmlichen Rechtsanspruch auf Teilnahme an den Integrationskursen zu fordern. Der Bundesminister des Innern teilte mit, dass EU-Bürger keinen Anspruch auf Teilnahme haben, da sich die Integrationskurse in erster Linie an Ausländer aus Drittstaaten richten. Genau so wie deutsche Staatsangehörige können sie nicht zu einem Integrationskurs verpflichtet werden. Gleichwohl haben EU-Bürger nach § 11 Freizügigkeitsgesetz (FreizügG) i.V.m. § 44 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) die Möglichkeit, an Integrationskursen teilzunehmen. Seit Einführung der Integrationskurse im Jahr 2005 wurden alle EU-Bürger, die an einem Integrationskurs teilnehmen wollten oder wollen, zugelassen. Derzeit sind ein Drittel aller Kursteilnehmer EU-Bürger. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann EU-Bürger zum Integrationskurs zulassen, wenn sie noch nicht ausreichend Deutsch sprechen, besonders integrationsbedürftig sind und es freie Kursplätze gibt. 4. Welche Maßnahmen ergreift das Land, um, insbesondere in Duisburg, Dortmund und Köln, dringend benötigte neue Stellen in den Jobcentern zu schaffen, um die Zuwanderer in Arbeit oder den Schutz der sozialen Sicherungssysteme zu integrieren? Bei den Jobcentern der genannten Städte handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen gem. § 44b SGB II. Die Aufgabenwahrnehmung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II erfolgt somit durch beide Leistungsträger, den betreffenden drei kreisfreien Städten und der Bundesagentur für Arbeit, gemeinsam. Das für die Umsetzung des SGB II notwendige Personal ist daher von den Trägern bereitzustellen. Ungeachtet dessen setzt sich die Landesregierung Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer Bund-Länder-AG „Armutswanderung aus Osteuropa“ für eine Erhöhung des Eingliederungs- sowie des Verwaltungskostentitels ein. Nach Auffassung des Bundes liegt keine Leistungsberechtigung der Zuwanderer nach dem SGB II vor, so dass keine Notwendigkeit für die geforderte Mittelerhöhung bestehe. 5. Welche Maßnahmen ergreift das Land, um es Kommunen im Nothaushalt zu ermöglichen, den gegebenenfalls von Ihnen zu erbringenden Eigenanteil für diese Integrationsmaßnahmen unter den Sonderbedingungen des Nothaushalts legal zur Verfügung zu stellen? Bei den von der Armutszuwanderung aus Ost- und Südosteuropa vorrangig betroffenen Städten handelt es sich nicht um sogenannte „Nothaushaltskommunen“.