LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3895 29.08.2013 Datum des Originals: 28.08.2013/Ausgegeben: 03.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1523 vom 8. August 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/3746 Mehrkosten für die Stadt Oberhausen durch schulische Inklusion – Welche fachliche Konzeption verfolgt die Landesregierung zur Sicherstellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs bei Schülern der Stadt Oberhausen angesichts des aktuellen Gutachtens der kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1523 mit Schreiben vom 28. August 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die rot/grüne Landesregierung plant weitreichende Änderungen bei der Beschulung von Kindern mit Behinderungen. In den kommenden Jahren sollen nach dem Willen der Landesregierung weniger Schüler in Förderschulen unterrichtet werden, und diese stattdessen allgemeine Schulen besuchen. Bei diesem Vorhaben ist jedoch einerseits fraglich, ob die heutige qualifizierte Förderung dieser Kinder durch entsprechend fachlich versiertes Lehrpersonal an Förderschulen auch im allgemeinen Schulsystem aufrechterhalten werden kann. Für die FDP-Landtagsfraktion sollte stets das Wohl eines jeden Kindes Entscheidungsgrundlage für den passenden Ort schulischer Förderung sein. Andererseits ist politisch hoch umstritten, wer die zusätzlichen Kosten dieser Inklusion zu tragen hat. Nach Auffassung der Landesregierung und ihrer grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann besteht bei dieser Frage keine Konnexitätsrelevanz. Wenn sich diese Auffassung letztlich bei der Gesetzesverabschiedung im Herbst 2013 durchsetzt, haben die nordrheinwestfälischen Kommunen in Zukunft erhebliche Mehrkosten für die Beschulung von Kindern mit Behinderung zu tragen. Auch in der Stadt Oberhausen wird diese Frage derzeit politisch kontrovers diskutiert. Kritiker des Vorgehens der Landesregierung werden durch ein aktuelles Gutachten der drei kommunalen Spitzenverbände bestätigt: Das Gutachten eines Teams von Bildungs- und Finanzwissenschaftlern hat den zusätzlichen kommunalen Finanz- und Investitionsbedarf bei LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3895 2 der Umsetzung der Inklusion in ausgewählten Beispielkommunen gründlich untersucht. Für die Nachbarstadt Essen ergeben sich demnach Mehrkosten in einer mittleren zweistelligen Millionengrößenordnung. „Inklusion könnte Essen etwa 40 Millionen Euro kosten“ überschreibt die WAZ am 16. Juli 2013 einen Artikel, der die Ergebnisse dieses Gutachtens vorstellt, das der Städtetag, der Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund in Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben haben. Mit dem Gutachten ist nun auch belegt, was seitens der FDP-Landtagsfraktion bereits seit langem vorgetragen wird: Die ohnehin finanziell angeschlagenen nordrheinwestfälischen Kommunen werden sich die hohen Investitionen für die von der Landesregierung geplante schulische Inklusion kaum leisten können, wenn sie dafür nicht gravierende Einschnitte an zahlreichen anderen Stellen der kommunalen Daseinsvorsorge hinnehmen wollen. Im Fall der Nachbarstadt Essen müssten laut Information der WAZ allein „für den Bau, den Umbau und die Ausstattung der erforderlichen Klassen- und Differenzierungsräume, der Fach- und Therapieräume sowie für die Herstellung von barrierefreien Zugängen zu den Schulgebäuden“ bis zum Jahr 2019/2020 mindestens 18 Millionen Euro investiert werden. Damit wären jedoch nur die Grundlagen geschaffen. Flankiert man diese Maßnahmen noch durch notwendige pädagogische Standards, wie beispielsweise verkleinerte Klassengrößen, sind allein für Essen Investitionen in Höhe von über 40 Millionen Euro einzuplanen. Hinzu kämen in den Jahren danach laufende Kosten für die Inklusion in Höhe von zwölf Millionen Euro pro Jahr für die Ganztagsbetreuung von Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf, für Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter, Integrationshelfer sowie Lehr- und Lernmittel. Die Gutachter bemängeln ferner, dass das Land bislang keine verbindlichen Standards benannt und festgelegt habe, die jedoch eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung eines inklusiven Schulsystems seien, wenn die Qualität der sonderpädagogischen Förderung nicht völlig außer Acht gelassen werden solle. Fest steht: Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf bedürfen einer professionellen, verlässlichen und zielgerichteten Unterstützung. Die bestmögliche Förderung dieser Kinder und Jugendlichen stellt eine der zentralen Herausforderungen der Politik auch für die Stadt Oberhausen dar. Die Umsetzung dieses Anspruchs muss mit dem Ziel erfolgen, höchste Qualitätsstandards zu wahren. Die Herausforderung besteht daher darin, für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf qualitativ hochwertige Förderbedingungen zu entwickeln. Dies gilt auch dann, wenn Schüler an allgemeinen Schulen betreut werden. Die Stadt Oberhausen darf vom Land nicht bei dieser Mammutaufgabe alleingelassen werden. Für die Nachbarstadt Essen ist also durch das vorgenannte Gutachten bekannt, welche enormen auch finanziellen Herausforderungen für die Kommune zu stemmen sind, um Inklusion umzusetzen. Es ist davon auszugehen, dass auch seitens der Stadt Oberhausen Investitions- und Betriebskosten in erheblicher Millionenhöhe aufgewendet werden müssen, um die bestmöglichste sonderpädagogische Förderung der Schüler vor Ort auch zukünftig gewährleisten zu können. Das Schulministerium legt in seiner Veröffentlichung zur sonderpädagogischen Förderung in Nordrhein-Westfalen (Vorlage 16/420) umfangreiches Zahlenmaterial vor, das allerdings keine direkten Rückschlüsse auf die Situation in den einzelnen Städten und Gemeinden zulässt. Eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation in den Schulen vor Ort ist aber für die Schulplanung ebenso zwingend notwendig wie die Kenntnis der zu erwartenden Kosten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3895 3 1. In etwa welcher Höhe ist für die Stadt Oberhausen mit zusätzlichen Investitions- und Betriebskosten zu rechnen, wenn man den Berechnungen für Oberhausen analog die konzeptionellen Überlegungen, Zahlen und Daten des Gutachters der Nachbarstadt Essen zugrunde legt? 2. Welchen Anteil der sich für die Stadt Oberhausen zusätzlich ergebenden Kosten ist die Landesregierung bereit, der Kommune durch ergänzende Mittelzuweisung zur Verfügung zu stellen, falls diese zur Ausweitung ihrer schulischen Inklusionsplätze zukünftig schulgesetzlich verpflichtet werden sollte? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Nach vorläufiger Einschätzung lassen sich die Fragen vor dem Hintergrund des Gutachtens der kommunalen Spitzenverbände „Mögliche kommunale Folgekosten der Umsetzung der Inklusion im Schulbereich in Nordrhein-Westfalen am Beispiel der Stadt Essen und des Kreises Borken“ für die Stadt Oberhausen nicht beantworten. Die Landesregierung analysiert derzeit dieses Gutachten. Sie wird sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Ersten Gesetz zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention in den Schulen (9. Schulrechtsänderungsgesetz), LT-Drs. 16/2432, gegenüber dem Landtag dazu äußern, wie sie es bewertet. Sie wird damit auch der Bitte der FDP-Fraktion des Landtags nachkommen, für die Sitzung des Ausschusses für Kommunalpolitik am 13. September 2013 eine schriftliche Stellungnahme vorzulegen. 3. Wie viele Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind im zurückliegenden Schuljahr in den namentlich jeweils einzelnen Schulen der Stadt Oberhausen unter Angabe der jeweiligen Förderschwerpunkte unterrichtet worden? (bitte aufschlüsseln für alle allgemeinen Schulen und Förderschulen) Die Daten können der Tabelle im Anhang entnommen werden. Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden Zellen, in denen weniger als fünf Schülerinnen und Schüler genannt werden, mit einem „X“ ausgewiesen. Diese Schülerzahlen werden in den Fällen bei den Randsummen nicht berücksichtigt, in denen anhand der Randsummen eine Rückrechnung auf die nicht ausgewiesenen Schülerdaten erfolgen könnte. 4. Wie viele der insgesamt gestellten Anträge auf Eröffnung eines AO-SF- Verfahrens sind während des zurückliegenden Schuljahres in der Stadt Oberhausen abgelehnt worden? (bitte Quote und absolute Zahlen benennen) Informationen zur Anzahl der Anträge auf Eröffnung eines AO-SF-Verfahrens und der Zahl oder Quote der Ablehnungen liegen dem Ministerium für Schule und Weiterbildung nicht vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3895 4 5. Wie hat sich in den letzten fünf Schuljahren in der Stadt Oberhausen die Zahl der Sonderpädagogen absolut und im Verhältnis zur Zahl der Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf entwickelt? (bitte schuljahresbezogene Darstellung) Die entsprechenden Daten können der nachstehenden Tabelle entnommen werden. Als Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen werden Lehrkräfte erfasst, die eines oder mehrere der folgenden Lehrämter erworben haben:  Sonderpädagogische Förderung  Sonderpädagogik  Sonderschulen – altes Lehramt –  Sonderpädagogik und Primarstufe  Sonderpädagogik und Sekundarstufe I  Sonderpädagogik LPO 03  Sekundarstufe II und Sonderpädagogik oder über eine sonderpädagogische Zusatzausbildung als Sozialarbeiterin oder Sozialarbeiter, Erzieherin oder Erzieher oder sonstige pädagogische Unterrichtshilfe verfügen. 2008/09 2009/10 2010/11 2011/12 2012/13 Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen 157 159 165 151 150 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf 1.155 1.130 1.101 1.081 1.092 Schülerinnen und Schüler mit sonderpäd. Förderb. je Sonderpädagogin/-pädagoge 7,4 7,1 6,7 7,2 7,3 Krfr. Stadt Oberhausen Zeitreihe Verhältnis der Lehrkräfte mit sonderpädagogischen Lehrämtern – Krfr. Stadt Oberhausen – Schuljahr bezogen auf Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Kleine Anfrage 1523 - Drucksache 16/3746 Anlage zu der Frage 3 Emotionale und soziale Entwicklung Geistige Entwicklung Hören und Kommunikation Körperliche und motorische Entwicklung Lernen Sehen Sprache zusammen allgemeine Schule Oberhausen, BK Käthe-Kollwitz - - - - 30 - - 30 Oberhausen, GE Heinrich-Böll X - X 11 - - - 15 Oberhausen, GE Osterfeld - - - - 5 - - 5 Oberhausen, GG Brüder-Grimm X - - - 5 - - 5 Oberhausen, GG Emscher - - - - 20 - 5 25 Oberhausen, GG Havensteinschule X - - X 19 - X 26 Oberhausen, GG Steinbrinkschule - X - - 17 X X 23 Oberhausen, GH Albert-Schweitzer X X - - 36 - 5 45 Oberhausen, KG Ruhr 11 - - - - - 10 21 Oberhausen, RS Anne-Frank - - - - 5 - X 5 Förderschule Oberhausen, FÖ ES Otfried-Preußler 72 - - - - - - 72 Oberhausen, FÖ GG Schillerschule - 195 - - - - - 195 Oberhausen, FÖ KM LVR-Chr.-Schlingensief - - - 126 - - - 126 Oberhausen, FÖ LE Christian-Morgenstern - - - - 144 - - 144 Oberhausen, FÖ LE Fröbelschule - - - - 125 - - 125 Oberhausen, FÖ LE Herder - - - - 122 - - 122 Oberhausen, FÖ LE Stötznerschule - - - - 106 - - 106 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf nach Schulart, Schule und Förderschwerpunkt Krfr. Stadt Oberhausen – Schuljahr 2012/13 Schule Förderschwerpunkt