LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3905 30.08.2013 Datum des Originals: 29.08.2013/Ausgegeben: 04.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1489 vom 25. Juli 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/3694 Klagen von Steuerpflichtigen gegen die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung – Welche Kosten hat der Steuerzahler für Gerichtsverfahren vor den Finanzgerichten und vor dem Bundesfinanzhof zu tragen? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 1489 mit Schreiben vom 29. August 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Besondere Fachgerichte innerhalb der deutschen Justiz sind Finanzgerichte, die in erster Instanz für den Rechtsweg in finanzgerichtlichen Streitigkeiten zuständig sind. Der steuerpflichtige Bürger hat die Möglichkeit, sich vor den Finanzgerichten gegen Maßnahmen der Finanzbehörden in Steuer- und Zollstreitigkeiten zur Wehr zu setzen. Das Finanzgericht ist unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen und nicht Bestandteil der Finanzverwaltung. In Nordrhein-Westfalen gibt es insgesamt drei Finanzgerichte, die in Köln, Düsseldorf und Münster beheimatet sind. Gegen die Urteile der Finanzgerichte gibt es wegen des nur zweistufigen Gerichtsaufbaus der deutschen Finanzgerichtsbarkeit als einzig zulässiges Rechtsmittel die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH), dem Obersten Gerichtshof des Bundes für Steuern und Zölle, in München. DESTATIS (das Statistische Bundesamt) veröffentlicht alljährlich mittels der Fachpublikation „Rechtspflege“ die jeweils jüngsten Daten der seit 1983 durchgeführten Verfahrenserhebung über die Tätigkeit der Finanzgerichte bundesweit, darunter auch die Daten für NordrheinWestfalen insgesamt wie aufgeschlüsselt nach den drei Standorten unserer Finanzgerichte. Mittels Schaubildern und Statistiken kann hier gut die Entwicklung des Geschäftsanfalls bei den Finanzgerichten in den letzten Jahren, die erledigten Klagen im Zeitverlauf nach den Sachgebieten sowie die Verfahrensdauer der durch Urteil erledigten Klagen nachvollzogen werden. Für eine fundierte Bewertung der Geschäftsentwicklung in Nordrhein-Westfalen sind nur wenige darüber hinausgehende Daten notwendig. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3905 2 Zwar sind Bund und Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen von der Zahlung der Gerichtskosten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie in der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit in allen Rechtszügen befreit. Sie genießen unbeschränkte persönliche Kostenbefreiung. Diese rechtfertigt sich daraus, dass Bund und Länder als Träger der Justizhoheit den Aufwand für die Errichtung und Unterhaltung der Gerichte zu tragen haben. Diese Kostenfreiheit gilt auch vor den entsprechenden obersten Gerichtshöfen des Bundes (BGH, BFH, BSG) sowie vor den Gerichten aller Länder. Für die Länder gilt sie auch vor Gerichten anderer Länder. Die Befreiung erstreckt sich auf alle Verfahren, unabhängig davon, ob der Gegenstand des Verfahrens öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Angelegenheiten sind. Kostenfreiheit meint aber nur Befreiung von sämtlichen Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen , § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes). Die Befreiung erstreckt sich nur auf die dem Justizfiskus von vornherein geschuldeten Beträge, nicht aber auf die Kosten des beigeordneten Rechtsanwalts des Gegners, die auch in die Kosten verurteilte Kostenbefreite zu erstatten haben. Gerichtsurteile bedürfen stets der Kostenentscheidung. Dies gilt auch, wenn ein Land oder der Bund beteiligt ist. Diese sog. „Kostengrundentscheidung“ ist die erste Stufe, im Urteil steht dann also – auch bei Beteiligung des Landes – zum Beispiel: „Das beklagte Land trägt die Koste des Rechtsstreits.“ Diese Entscheidung ist unter anderem für die zu erstattenden Anwaltskosten von Bedeutung und kann daher nicht weggelassen werden. Aber – und das ist die zweite Stufe – die Kosten werden von den Ländern und vom Bund nicht erhoben. Auch wenn also im Urteil eine Kostenentscheidung zu Lasten des Landes ergeht, trägt dieses dennoch keinerlei Gerichtskosten. Das Land ist dann zur Kostentragung verurteilt; diese Kosten werden aber nicht erhoben. Dadurch bleiben nur die Anwaltskosten des Gegners übrig. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Anwaltskosten die nordrheinwestfälische Finanzverwaltung insoweit in Summe jährlich tragen muss; hierzu enthält die zuvor erwähnte Publikation „Rechtspflege“ keine Angaben. Um hier einen detaillierten Überblick über die entsprechenden Ausgaben der Landesverwaltung erlangen zu können, ist eine vollständige Unterrichtung des Parlaments geboten. 1. Wie viele Klagen von nordrhein-westfälischen Steuerpflichtigen sind seit 2007 bis heute bei den jeweiligen Finanzgerichten sowie beim Bundesfinanzhof bearbeitet worden? (bitte detaillierte Darstellung nach Jahr, Finanzgericht und Sachgebiet) a) Die folgende Anzahl von Klageverfahren ist von den Finanzgerichten Düsseldorf, Köln und Münster in den Jahren 2007 bis 2012 erledigt worden (wobei davon ausgegangen wird, dass die Frage, wie viele Klagen „bearbeitet“ worden sind, im Sinne von „erledigt “ zu verstehen ist): LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3905 3 Finanzgericht Düsseldorf 2007 2008 2009 2010 2011 2012 erledigte Klageverfahren 5.126 4.794 4.576 4.321 4.219 4.095 davon entfallen auf Sachgebiet in % in % in % in % in % in % 100 5,9 11,7 13,6 14,5 13,1 15,1 200 7,8 14,8 17,4 17,4 16,3 18,1 300 31,3 20,6 12,8 12,3 9,8 9,3 400 - 0,0 0,9 1,1 0,6 0,1 500 3,9 4,0 3,3 3,6 4,0 4,5 600 8,2 7,3 6,4 7,6 6,5 7,8 700 16,7 16,9 15,5 15,8 16,8 16,4 800 5,6 4,0 4,7 4,4 3,6 3,7 900 16,6 17,2 18,9 17,3 19,1 17,0 1000 18,4 18,5 20,1 17,1 15,6 18,1 1100 21,1 15,7 14,4 13,8 15,5 15,8 1200 - - - 1,7 4,0 3,5 Finanzgericht Köln 2007 2008 2009 2010 2011 2012 erledigte Klageverfahren 4.568 4.301 3.510 3.594 3.747 3.646 davon entfallen auf Sachgebiet in % in % in % in % in % in % 100 8,6 14,7 15,1 12,6 14,6 15,4 200 9,3 17,2 18,0 15,3 17,5 18,3 300 38,2 31,2 21,5 18,0 13,1 12,9 400 0,0 - 3,3 5,3 3,6 1,8 500 5,1 5,3 5,3 4,0 4,5 4,3 600 7,6 7,0 7,9 7,2 7,8 7,5 700 22,6 23,5 24,2 20,1 19,6 22,3 800 - - - 0,0 - - 900 8,8 9,8 9,9 11,3 9,8 8,8 1000 18,7 18,8 19,8 17,5 17,9 16,9 1100 13,7 14,5 14,2 13,7 16,5 19,8 1200 - - - 5,2 7,2 5,5 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3905 4 Finanzgericht Münster 2007 2008 2009 2010 2011 2012 erledigte Klageverfah- ren 4.779 4.579 4.684 4.576 4.337 4.225 davon entfallen auf Sachgebiet in % in % in % in % in % in % 100 4,5 12,1 14,7 16,2 18,0 19,1 200 5,0 11,5 15,2 14,1 14,7 15,1 300 30,5 19,1 13,0 12,2 7,9 6,9 400 0,0 0,0 0,2 0,1 0,0 0,1 500 4,8 3,2 3,7 4,8 3,6 3,0 600 8,3 7,3 7,5 8,3 7,6 7,6 700 17,7 19,0 17,5 19,1 18,5 17,6 800 0,0 - 0,0 0,1 0,0 - 900 19,9 20,5 19,8 19,4 19,3 20,1 1000 16,8 15,2 17,2 16,6 16,1 15,6 1100 11,5 14,5 15,6 16,9 19,0 20,8 1200 - - - 0,9 1,5 1,1 Erläuterung: Bei den genannten Sachgebieten handelt es sich um Folgende: 100 Gewinneinkünfte 200 Überschusseinkünfte 300 Sonstige Steuern von Einkommen einschl. nicht einkunftsartspezifische Streitpunkte 400 Steuern von Einkommen, die (noch) nicht eindeutig den Sachgebieten 100 bis 300 zugeordnet werden konnten 500 Körperschaftsteuer, soweit nicht besondere Feststellung nach dem KStG 600 Objektbezogene Steuern (Gewerbesteuermessbetrag, Grundsteuermess- betrag) 700 Verkehrsteuern 800 Verbrauchsteuern 900 Prämien, Zulagen und sonstige Förderleistungen (einschl. Familienleis- tungsausgleich) 1000 Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, Bewertung und Zerlegung 1100 Steuern vom Vermögen, Haftung für Steuern sowie AO/FGO-Sachen, sons- tige Verfahren 1200 Vollschätzfälle Da Klageverfahren mehrere Sachgebiete betreffen können, summieren sich die Anteilswerte auf mehr als 100%. In den genannten Verfahren sind nur Klageverfahren enthalten, nicht Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, bei denen ebenfalls Anwalts- oder Steuerberaterkosten zu erstatten sein können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3905 5 Die Finanzgerichte Düsseldorf, Köln und Münster bearbeiten nicht nur „Klagen von nordrhein -westfälischen Steuerpflichtigen“, sondern teilweise auch von Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Bundesland oder im Ausland haben. Gemäß § 38 Abs. 1 FGO kommt es für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts darauf an, ob die beklagte Behörde ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen hat („Behördenprinzip “). Die Finanzgerichte sind nicht nur für Klagen von „Steuerpflichtigen“ zuständig, sondern auch für Klagen von Kindergeldberechtigten. Beklagte Behörde ist dann eine Familienkasse , zumeist die Bundesagentur für Arbeit. b) Vom Bundesfinanzhof sind im Berichtszeitraum folgende Entscheidungen getroffen worden, bei denen ein nordrhein-westfälisches Finanzgericht Vorinstanz war (Revisionen und „NZB“, Nichtzulassungsbeschwerden): Finanzgericht Düsseldorf 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Revisionen 136 104 139 112 98 74 NZB 203 101 121 169 125 129 Summe 339 205 260 281 223 203 Finanzgericht Köln Revisionen 103 119 104 97 62 56 NZB 164 154 141 115 109 151 Summe 267 273 245 212 171 207 Finanzgericht Münster Revisionen 95 77 76 101 92 55 NZB 162 164 155 150 153 138 Summe 257 241 231 251 245 193 Eine weitere Aufgliederung nach Sachgebieten ist nicht möglich. Zum einen verwendet der Bundesfinanzhof andere Sachgebiete als die Finanzgerichte, so dass kein Vergleich möglich ist. Zum anderen veröffentlicht der Bundesfinanzhof die von ihm erledigten Verfahren mit einer Aufgliederung nach Sachgebieten nur für alle Verfahren insgesamt, nicht hingegen unter weiterer Berücksichtigung der Vorinstanz. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3905 6 2. Zugunsten jeweils welcher Seite haben die jeweiligen Gerichte bei diesen Klageverfahren entschieden? (bitte detaillierte Darstellung nach Jahr, Finanzgericht und Sachgebiet) Bei den Finanzgerichten stellt sich die Erfolgsquote aus Sicht der Kläger wie folgt dar: Finanzgericht Düsseldorf 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Erledigungsart: Urteil oder Gerichtsbescheid 1.070 988 941 936 953 895 Beschluss gem. § 138 FGO nach (Teil-) Abhilfe 1.795 1.883 1.775 1.707 1.668 1.655 Einstellung wegen Rücknahme (§ 72 FGO) 1.828 1.585 1.509 1.322 1.293 1.189 Zwischensumme (= Divisor) 4.693 4.456 4.225 3.965 3.914 3.739 Sonstige Erledigungen 433 338 351 356 305 356 Gesamtsumme 5.126 4.794 4.576 4.321 4.219 4.095 Erfolgreiche Klagen: Stattgebende Urteile 139 133 141 160 140 150 Teilstattgebende Urteile 123 103 93 93 110 88 (Teil-) Abhilfe 1.795 1.883 1.775 1.707 1.668 1.655 Summe (= Dividend) 2.057 2.119 2.009 1.960 1.918 1.893 Erfolgsquote (in %) 43,8 47,6 47,6 49,4 49,0 50,6 Finanzgericht Köln 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Erledigungsart: Urteil oder Gerichtsbescheid 1.025 1.002 732 734 745 815 Beschluss gem. § 138 FGO nach (Teil-) Abhilfe 1.561 1.499 1.287 1.384 1.474 1.373 Einstellung wegen Rücknahme (§ 72 FGO) 1.634 1.529 1.224 1.179 1.188 1.218 Zwischensumme (= Divisor) 4.220 4.030 3.243 3.297 3.407 3.406 Sonstige Erledigungen 348 271 267 297 340 240 Gesamtsumme 4.568 4.301 3.510 3.594 3.747 3.646 Erfolgreiche Klagen: Stattgebende Urteile 118 124 81 81 81 102 Teilstattgebende Urteile 97 121 88 101 80 87 (Teil-) Abhilfe 1.561 1.499 1.287 1.384 1.474 1.373 Summe (= Dividend) 1.776 1.744 1.456 1.566 1.635 1.562 Erfolgsquote (in %) 42,1 43,3 44,9 47,5 48,0 45,9 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3905 7 Finanzgericht Münster 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Erledigungsart: Urteil oder Gerichtsbescheid 880 891 935 914 952 1.047 Beschluss gem. § 138 FGO nach (Teil-) Abhilfe 1.586 1.564 1.607 1.686 1.516 1.445 Einstellung wegen Rücknahme (§ 72 FGO) 1.797 1.696 1.559 1.508 1.414 1.349 Zwischensumme (= Divisor) 4.263 4.151 4.101 4.108 3.882 3.841 Sonstige Erledigungen 516 428 583 468 455 384 Gesamtsumme 4.779 4.579 4.684 4.576 4.337 4.225 Erfolgreiche Klagen: Stattgebende Urteile 95 84 89 101 126 155 Teilstattgebende Urteile 88 78 105 106 100 130 (Teil-) Abhilfe 1.586 1.564 1.607 1.686 1.516 1.445 Summe (= Dividend) 1.769 1.726 1.801 1.893 1.742 1.730 Erfolgsquote (in %) 41,5 41,6 43,9 46,1 44,9 45,0 Die Erfolgsquote wird ermittelt, indem als Dividend die Summe aus stattgebenden Urteilen , teilstattgebenden Urteilen und (Teil-) Abhilfen zugrundegelegt wird, als Divisor die Summe der erledigten Verfahren ohne sonstige Erledigungen. In der Zahl der sonstigen Erledigungen sind Aussetzungen (§§ 46, 74 FGO), Ruhen des Verfahrens (§ 155 FGO i.V.m. § 251 ZPO), Verweisungen oder Abgaben an ein anderes Gericht, Verbindungen mit anderen Verfahren und weitere Erledigungsarten zusammengefasst, bei denen es nicht zu einem Obsiegen oder Unterliegen eines Beteiligten kommt. Unter „Abhilfen“ werden sowohl Vollabhilfen als auch Teilabhilfen verstanden und gleichermaßen als Klageerfolg gewertet. Die zurückgenommenen Klagen werden in vollem Umfang als Unterliegen gewertet, obwohl es im Einzelfall vorkommen kann, dass die Behörde abgeholfen hat und der Kläger sodann die Klage zurücknimmt anstatt den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Eine Aufgliederung der Erfolgsquote nach Sachgebieten ist nicht möglich, weil die Sachgebiete lediglich für die erledigten Klageverfahren insgesamt erfasst werden ohne weitere Aufgliederung nach der Erledigungsart. Aus der Erfolgsquote kann kein Rückschluss auf die Zahl der Verfahren gezogen werden, in denen die Behörde Anwalts- oder Steuerberaterkosten erstatten musste. Die Art der Erledigung gibt keine Aufschlüsse darüber, welcher Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Denn auch wenn ein Kläger (teilweise) obsiegt, muss er bisweilen seine Anwalts- oder Steuerberaterkosten selbst tragen, etwa weil er Unterlagen erst verspätet im Klageverfahren eingereicht hat (§ 137 FGO) oder weil die Kosten des Verfahrens gem. § 136 Abs. 1 FGO gegeneinander aufgehoben werden und dann keine Kostenerstattung stattfindet. Außerdem kommt es häufig zu einer Kostenquote gem. § 136 Abs. 1 FGO mit einer nur anteiligen Kostenerstattung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3905 8 In den dargestellten Zahlen sind auch Kindergeldverfahren inbegriffen. Eine eventuelle Kostenerstattungspflicht trifft dann nicht die Finanzverwaltung des Landes NRW, sondern die jeweilige Familienkasse, zumeist die Bundesagentur für Arbeit. Bei den drei Finanzgerichten in NRW betrug der Anteil der Kindergeldverfahren im Jahr 2012 insgesamt 15 % der Klagen (Sachgebiet 900, Untersachgebiet 910). Weiter ist hervorzuheben, dass die Erfolgsquote in Kindergeldverfahren erfahrungsgemäß höher ist als in anderen Verfahren, so dass sich die Kindergeldverfahren auf die ausgewiesenen Erfolgsquoten erhöhend auswirken. Konkrete Aufzeichnungen werden hierzu nicht geführt. Weiterhin sind in den beschriebenen Zahlen auch Verfahren wegen Zoll- und Verbrauchsteuerangelegenheiten enthalten. Hier ist beklagte Behörde nicht eine Landesbehörde , sondern die Zollverwaltung des Bundes. Für das Land NRW sind alle Zoll- und Verbrauchsteuerangelegenheiten in einem Senat beim Finanzgericht Düsseldorf zusammengefasst (§ 5 Abs. 2 FGO i.V.m. § 19 JustG NRW). Schließlich enthalten die genannten Zahlen auch Verfahren gegen das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Für diese Verfahren ist wegen des in § 38 Abs. 1 FGO geregelten Behördenprinzips und wegen des Sitzes des BZSt in Bonn ausschließlich das Finanzgericht Köln zuständig. Ca. 8 % der vor dem Finanzgericht Köln anhängigen Verfahren richten sich gegen das BZSt. Auch in diesen Verfahren trifft eine evtl. Kostenerstattungspflicht nicht die Finanzverwaltung des Landes NRW. 3. Wie hoch sind die für diese Gerichtsverfahren seit 2007 bis heute jeweils jährlich von der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung zu tragenden Kosten, die beispielsweise für Anwaltsgebühren des Gegners im Unterliegensfalle anfallen? Sämtliche von der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung jährlich zu tragenden Kosten, die mit Verfahren vor der Finanzgerichtsbarkeit, aber auch mit Verfahren anderer Gerichtszweige , z.B. mit Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, im Zusammenhang stehen, werden haushaltsmäßig über dasselbe Sachkonto verbucht. Eine Differenzierung der Kosten nach der Art der Gerichtsbarkeit ist daher nicht möglich. 4. Welche Strategien verfolgt die Finanzverwaltung grundsätzlich, um diese Kosten für die Finanzgerichtsverfahren zukünftig zu reduzieren, wie beispielsweise Best Practice-Behördenvergleiche nach Kennziffern (Auswertung der Klageintensität eines Finanzamtes in Relation zum Steueraufkommen etc.)? Das Controlling-Verfahren der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen umfasst u. a. die Aufgabenerledigung durch die Rechtsbehelfsstellen der Festsetzungsfinanzämter. Die quantitative und qualitative Arbeitserledigung wird in Kennziffern abgebildet. Das verschafft einen Überblick über die Arbeitsweise und eröffnet die Möglichkeit der notwendigen (Gegen-) Steuerung. Die Finanzverwaltung verfolgt das Ziel, die Arbeitsquantität und die Arbeitsqualität gleichermaßen auf hohem Niveau zu halten. Bei der Zielwertfindung und der Leistungsanalyse orientieren sich die Finanzämter grundsätzlich auch an den übrigen Dienststellen. So erfolgt ein Austausch über die Organisation und Steuerung von Arbeitsabläufen im Sinne von Benchmarking beispielsweise im Rahmen von Regionalkreistreffen der Dienststellenleiter . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3905 9 Kennziffern, die die Kosten (-intensität) von Finanzgerichtsverfahren abbilden, sind im Controlling nicht definiert, da diese unter Steuerungsgesichtspunkten nicht zweckdienlich wären. Eventuell entstehende Kosten für Finanzgerichtsverfahren dürfen bei der Verfassung von Einspruchsentscheidungen keine entscheidungserhebliche Rolle spielen, um die Unabhängigkeit bei der Entscheidungsfindung zu garantieren. Die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung ist bestrebt, jede Einspruchsentscheidung so abzufassen, dass sie einer gerichtlichen Überprüfung standhält. Die in der Frage genannte Kennziffer „Auswertung der Klageintensität eines Finanzamtes in Relation zum Steueraufkommen“ ist daher kein sinnvolles Steuerungsmittel zur Beeinflussung der Häufigkeit von finanzgerichtlichen Verfahren. 5. Wie hat sich seit 2007 jeweils jährlich die Erfolgsquote aus Sicht der Steuerpflich- tigen entwickelt, eine Klage gegen die Finanzverwaltung zu gewinnen? Die Entwicklung der Erfolgsquote aus Sicht der Kläger kann der obigen Übersicht zu Frage 2 entnommen werden.