LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3916 02.09.2013 Datum des Originals: 27.08.2013/Ausgegeben: 05.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1531 vom 5. August 2013 der Abgeordneten Serap Güler CDU Drucksache 16/3763 Gilt das Recht auf Bildung nicht auch für Kinder und Jugendliche aus den neuen EUMitgliedsstaaten Bulgarien und Rumänien? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1531 mit Schreiben vom 27. August 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In einer Stellungnahme vom 9.7.2013 weist der Landesjugendring Nordrhein-Westfalen darauf hin, dass die Zuwanderer aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten Bulgarien und Rumänien unter teilweise dramatischen Bedingungen in Nordrhein-Westfalen leben. Im Schreiben des Landesjugendrings ist die Rede davon, dass die Familien in menschenunwürdigen Wohnverhältnissen leben, kaum bis gar keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Gesundheits- und Bildungssystem haben. Betroffen sind von diesen Lebensbedingungen besonders die Kinder und Jugendliche der Familien, die die größte Gruppe bei den Zuwanderern aus diesen Ländern ausmacht. In einigen Kommunen des Landes werden Kinder und Jugendliche aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten trotz ihrer Minderjährigkeit und ihrer bestehenden Schulpflicht nicht beschult, so der Landesjugendring. Kinder und Jugendliche stehen unter unserem besonderen Schutz. Durch die UNKinderrechtskonvention ist für sie ein Recht auf Bildung festgeschrieben. Doch obwohl dieses Kinderrecht auch für EU-Neubürger/innen gilt, werden sie in einigen Kommunen von den Schulen abgewiesen und auf Wartelisten gesetzt, weil es angeblich keine Schulplätze für sie gibt. In den gleichen Kommunen ist aber ebenso zu beobachten, dass es Schulschließungen oder Zusammenlegungen von Grundschulen wegen mangelnder Schülerzahlen gibt. 1. Ist der Landesregierung bekannt, dass Kinder aus rumänischen und bulgarischen Romafamilien an Schulen abgewiesen und auf Wartelisten gesetzt werden? 2. Wenn nein: Wie wird die Landesregierung dagegen vorgehen? 3. Wenn ja: Nimmt die Landesregierung diesen Missstand einfach hin? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3916 2 4. Was zieht die Landesregierung für politische Konsequenzen? 5. Was wird die Landesregierung tun, damit diese Kinder so schnell wie möglich in einer Schule angemeldet werden können? Alle fünf Fragen werden gemeinsam beantwortet. Die Beschulung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern stellt zurzeit mehrere Kommunen vor besondere Herausforderungen, weil dort die Zuwanderungszahlen, insbesondere aus Rumänien und Bulgarien unvorhersehbar angestiegen sind und noch weiter ansteigen. Dabei ist nicht differenzierbar, welche zugewanderten Familien Roma sind und welche nicht. Der Landesregierung ist zwar bekannt, dass es teilweise zu Verzögerungen bei der Beschulung kommt, jedoch liegen keine konkreten Hinweise auf bestimmte Personen bzw. bestimmte Schulen vor. Grundsätzlich gilt, dass für alle zugewanderten Kinder und Jugendlichen eine möglichst zeitnahe Beschulung sichergestellt werden muss. Zur Sicherstellung einer angemessenen und wirksamen Beschulung sind u. a. eine Erhebung des Gesundheitszustandes und des Bildungsstandes erforderlich. Schließlich ist es erforderlich, dass in den Schulen ausreichende Raumkapazitäten zur Verfügung stehen. Die Konsequenzen der Zuwanderung von Menschen aus Südosteuropa sind Gegenstand einer Interministeriellen Arbeitsgruppe, an der sich unter Federführung der für Inneres und Integration zuständigen Ministerien alle Ressorts beteiligen, maßgeblich auch das Ministerium für Schule und Weiterbildung. Am 7.8.2013 haben die beiden federführenden Ressorts in einer Pressekonferenz Maßnahmen der Landesregierung vorgestellt. Darin enthalten sind auch Maßnahmen des Ministeriums für Schule und Weiterbildung, die am 28.6.2013 in einem Erlass festgehalten worden sind. Vor Ort werden durch obere und untere Schulaufsicht, Kommunen, Kommunale Integrationszentren und freie Träger gemeinsam möglichst passgenaue Konzepte zur Einrichtung von Auffang- und Vorbereitungsklassen, zum Einsatz der Integrationsstellen an Schulen sowie zur Qualifizierung und Fortbildung von Lehrkräften und Fachkräften entwickelt. Schulen mit einem besonders hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund , insbesondere in Wohngebieten und Regionen mit einem hohen Anteil von Menschen in wirtschaftlichen und sozialen Problemlagen, werden durch die Bereitstellung von zusätzlichen Stellen für die Teilhabe und Integration durch Bildung (Integrationsstellen) unterstützt . Dabei stellen die Bezirksregierungen sicher, dass ausreichend Stellenanteile für Bedarfe zur Verfügung stehen, auf die flexibel reagiert werden muss, wie bei unvorhergesehenem Zuzug größerer Gruppen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund (Nr. 2.2 d. RdErl d. MSW „Vielfalt gestalten – Teilhabe und Integration durch Bildung; Verwendung von Integrationsstellen“ v. 29.6.2012). Darüber hinaus können temporär auch die Stellen gegen Unterrichtsausfall, für Vertretungsaufgaben und für besondere Förderaufgaben unvorhersehbar zuziehender Kinder verwendet werden. Für unterjährig entstehende Bedarfe empfiehlt sich die Zuweisung von „Puffern“. Das Land strebt an, soweit möglich auch Lehrkräfte mit Migrationshintergrund aus den Ländern der neu zuwandernden Kinder für den herkunftssprachlichen Unterricht zu gewinnen. Die Lehrkräfte sollen in den Schulen auch als Vertrauenspersonen für die Eltern der neu zu beschulenden Kinder wirken. In Köln ist es bereits gelungen, eine Herkunftssprachenlehrkraft zu gewinnen, die Romanes spricht, in der Bezirksregierung Düsseldorf eine mit der Herkunftssprache Bulgarisch. Es wird geprüft, ob zurzeit unbesetzte Stellen mit entsprechenden Lehrkräften, möglicherweise aus dem Kreis der neu zuwandernden Menschen, besetzt werden könnten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3916 3 Die neuen Kommunalen Integrationszentren, gefördert vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales und vom Ministerium für Schule und Weiterbildung, sind wichtige Partner, um sicherzustellen, dass allen Kindern und Jugendlichen die Teilhabe an Bildung ermöglicht wird. Sie haben u.a. die Aufgabe, sowohl Schulen und außerschulische Bildungsträger bei der Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrages als auch zuwandernde Kinder, Jugendliche und ihre Eltern in Bildungsfragen zu beraten und zu unterstützen. Ein Schwerpunkt im Kontext dieser Aufgaben ist die sogenannte Seiteneinsteigerberatung. Bei der landesweiten Koordinierungsstelle der kommunalen Integrationszentren (bisherige RAA-Hauptstelle) gibt es eine eigens mit der Beratung und Qualifizierung von Lehrkräften zur Sprachförderung neu zuziehender Kinder und Jugendlicher beauftragte Mitarbeiterin, die eng mit den kommunalen Integrationszentren zusammenarbeitet. Auch auf der örtlichen Ebene werden entsprechende Arbeitskreise unterstützt. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 1463 verwiesen. Zur Prävention gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wird das Projekt ‚Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage‘ in den von der Zuwanderung aus Südosteuropa besonders betroffenen Regionen gezielt eingesetzt und ausgeweitet. Bei dem Projekt verpflichten sich mindestens 70 Prozent aller Personen an der Schule, sich künftig gegen jede Form von Diskriminierung aktiv einzusetzen, bei Konflikten einzugreifen und regelmäßig Projekttage zum Thema durchzuführen. Die Umsetzung der o.g. Maßnahmen im schulischen Bereich wird vom Ministerium für Schule und Weiterbildung gemeinsam mit der zuständigen Schulaufsicht gesteuert. Darüber hinaus finden bei Bedarf auch Gespräche mit den betroffenen Städten statt.